Schadensersatzklage gegen Ex-RWE-Chef Großmann:Milliardär verklagt Milliardär

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Als RWE-Chef hatte Jürgen Großmann ein Geschäft mit Leonid Lebedew eingefädelt - und war ausgestiegen. (Foto: Kirsten Neumann/Reuters)
  • Eine Klage von Leonid Lebedew über 900 Millionen Euro gegen den früheren RWE-Chef Großmann ist zulässig, hat das Essener Landgericht geurteilt.
  • Die Entscheidung des Essener Gerichts gilt als Überraschung. Ein Anwalt Großmanns hatte sie zuletzt als unbegründet abgetan.

Von Markus Balser, Berlin

Die Liaison des deutschen Konzernbosses und des Rohstoffmilliardärs aus Russland begann im Grunde genommen vielversprechend. Die Gespräche über ein geplantes Milliardengeschäft auf dem russischen Energiemarkt hatten 2008 gerade erst begonnen, da lud RWE-Chef Jürgen Großmann Leonid Lebedew auch schon zu seinem Lieblingshobby ein: zu einer Oldtimer-Rallye. Großmann suchte aus gutem Grund die persönliche Nähe zu dem russischen Unternehmer. Sein Konzern RWE plante den groß angelegten Einstieg auf dem russischen Strommarkt.

Seit diesem Dienstag ist jedoch klar: Die Beziehung der Milliardäre endet mit einem Totalschaden. Nach langer Funkstille werden sich die Autofans nun voraussichtlich in einem Rechtsstreit vor Gericht wiedersehen. Eine Klage Lebedews über 900 Millionen Euro gegen Großmann sei zulässig, urteilte das Essener Landgericht. Der russische Unternehmer fordert Schadenersatz und entgangene Gewinne sowie Zinsen, denn er fühlt sich von dem Deutschen betrogen, seit der spektakuläre Energiedeal vor sieben Jahren unter dubiosen Umständen platzte.

Wer die Vorwürfe aus Russland verstehen will, muss einen Blick zurück werfen. In jene Zeit, in der Russland für die Modernisierung seiner Stromwirtschaft ausländische Partner suchte. Unter Führung des damals neuen Chefs Großmann soll der Essener Konzern mit Lebedews Unternehmen Sintez den gemeinsamen Kauf des Stromversorgers TGK-2 verabredet haben.

Der Deal: Sintez sollte die Mehrheit an der Firma bei einer russischen Auktion ersteigern - und den größten Teil dann einfach an RWE weiterreichen. Sintez kaufte. Doch Teil zwei der angeblichen Abmachung fiel aus. RWE soll die Papiere plötzlich abgelehnt haben. Folge: Der Sintez-Aktienkurs stürzte ab. Für Lebedew ist die Sache klar: Großmann habe seine Firma zuerst in das Geschäft gedrängt. Nach Beginn der Finanzkrise habe er sich dann aus dem Staub gemacht und ihn mit gewaltigen Schulden sitzen lassen. Ohne die Hilfe von RWE und dessen Chef habe Sintez das auf Pump finanzierte Geschäft allein stemmen müssen. Das habe Sintez an den Rand der Pleite gebracht, heißt es aus Moskau.

Die Entscheidung des Essener Gerichts, die Schadenersatzklage gegen Großmann für zulässig zu erklären, gilt jedoch als Überraschung. Ein Anwalt Großmanns hatte sie zuletzt als unbegründet abgetan. Es sei nicht ersichtlich, woraus Ansprüche gegen Großmann abgeleitet werden sollten, sagte dessen Anwalt Jochem Reichert. "Nach unserer Einschätzung werden die Ansprüche gegen ihn nur erhoben, um einen gewissen Lästigkeitswert zu entfalten."

Der Manager gilt als Selfmade-Milliardär

Nun könnte der Fall Großmann allerdings nicht nur lästig, sondern auch gefährlich werden. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits in Essen muss das Gericht nun klären, ob der Manager tatsächlich Schadenersatz zahlen muss. Großmann und seine Anwälte waren am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Der hemdsärmlige Manager gilt als Selfmade-Milliardär, seit er das kriselnde Stahlwerk Georgsmarienhütte saniert und zum Spezialunternehmen umgebaut hat.

Für Lebedew ist die Entscheidung aus Essen allerdings nur ein Teilerfolg. Eine ebenfalls eingereichte Klage auf Schadenersatz in gleicher Höhe gegen den gesamten RWE-Konzern wies das Gericht ab, weil bereits ein Schiedsgericht in einem vorangegangenen Verfahren ein rechtskräftiges Urteil erlassen habe. Für Lebedew ist dieser Etappensieg nicht genug. "Wir sind froh, dass das Gericht die Klage gegen Herrn Dr. Großmann als zulässig anerkannt hat", sagte Lebedew der Süddeutschen Zeitung. "Wir sind jedoch nicht mit der Entscheidung einverstanden, die Zulässigkeit gegenüber RWE abzulehnen."

Großmann soll sogar Ex-Bundeskanzler Schröder eingeschaltet haben

Der Unternehmer will nicht klein beigeben und weiter gegen den von der Energiewende und hohen Schulden belasteten Konzern vorgehen. Nach "sorgfältigem Studium des Urteils" plane man, Berufung einzulegen, um das Gericht in der zweiten Instanz doch noch davon zu überzeugen, die Klage anzunehmen.

Der deutsch-russische Rechtsstreit könnte im weiteren Verlauf noch tiefe Einblicke in die Hinterzimmer der Energiebranche liefern. So verweisen Lebedews Anwälte bereits auf aus ihrer Sicht brisante Papiere. Demnach soll der frühere RWE-Chef Großmann sogar Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeschaltet haben, um über Russlands Präsident Wladimir Putin Einfluss auf das Zustandekommen des heute umstrittenen Geschäfts zu nehmen.

© SZ vom 25.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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