Es gab schon lange Vermutungen, dass Saudi Aramco das reichste Unternehmen der Welt ist. Am Montag wurden diese Vermutungen offiziell bestätigt: Erstmals seit Jahrzehnten veröffentlichte der staatliche Ölkonzern Saudi-Arabiens seine Geschäftszahlen. Demnach machte er 2018 einen operativen Gewinn (Ebitda) von 224 Milliarden Dollar, umgerechnet 200 Milliarden Euro. Das ist fast dreimal so viel wie beim iPhone-Konzern Apple, der auf 82 Milliarden Dollar kam. Netto blieb bei Saudi Aramco ein Gewinn von 111,1 Milliarden Dollar übrig. Auch damit übertrifft er alle anderen bei Weitem.
Woher diese enormen Gewinne kommen, ist klar: Saudi Aramco kontrolliert das wertvollste Erdölvorkommen der Welt. Nun kann man aber fragen: Woher auf einmal diese Transparenz? Es wäre doch gar nicht nötig gewesen, die Gewinne sprudelten doch auch heimlich, still und leise über lange Zeit. Es gibt einen schlichten Grund dafür: Saudi Aramco will von Investoren Geld einsammeln, deshalb gibt es demnächst eine Anleihe heraus. Die Rede ist davon, dass das Volumen zehn Milliarden Dollar betragen könnte, möglicherweise auch deutlich mehr. Und jeder Schuldner, der Geld einsammeln will, muss seine Zahlen offenlegen, sonst würden die Investoren die Katze im Sack kaufen.
Saudi Aramco will Geld, daher die ungewohnte Transparenz
Bewertet wurden die Zahlen von den Ratingagenturen Moody's und Fitch, die beide Saudi Aramco ihre fünftbeste Note (von mehr als 20) gaben: bei Moody's ist es ein A1, bei Fitch ein A+. Das bedeutet: Es gilt als ziemlich sicher, dass der Ölriese seine Schulden zurückzahlen kann. Entsprechend niedrig dürfte auch der Zins ausfallen, er wird nahe Null erwartet.
Als nächstes aber stellt sich die Frage, weshalb ein so reiches Unternehmen überhaupt frisches Geld braucht. An dieser Stelle fängt es an, kompliziert zu werden: Saudi Aramco ist das Kronjuwel des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Mit dem Geld des Ölriesen will dieser den Modernisierungskurs finanzieren, den er seinem Land vor Jahren verordnete: Er will Saudi-Arabien weniger abhängig vom Öl machen und auch die gesellschaftlichen Regeln lockern (ein Beispiel: Auch Frauen dürfen jetzt Autofahren).
Deshalb wollte der Kronprinz 2018 fünf Prozent von Saudi Aramco an die Börse bringen. Er hoffte damit, 100 Milliarden Dollar einzunehmen. Doch die Investoren zweifelten daran, dass der Konzern so viel wert ist. Der Börsengang wurde abgesagt, erst 2021 soll es einen erneuten Anlauf geben. Auch sonst litt das internationale Ansehen von Mohammed bin Salam schwer, vor allem wegen der Ermordung des staatskritischen Journalisten Kashoggi.
Der Kronprinz verfolgt nun einen Plan B: Er will den Unternehmenswert von Saudi Aramco deutlich steigern, damit der Börsengang in zwei Jahren besser klappt. Ein wichtiges Mittel dafür ist die Übernahme der Mehrheit des ebenfalls staatlichen Chemiekonzerns Sabic. Und für diese Übernahme braucht Saudi Aramco erst einmal Geld von Investoren.
Ob es gelingen wird, Wert und Ansehen des saudischen Ölriesen bei Investoren zu steigern, ist aber noch nicht ausgemacht. Die neue Transparenz fördert nämlich nicht nur Positives zutage: So zeigen die Daten, die an die Ratingagenturen übermittelt wurden, wie abhängig der Staatskonzern von einem hohen Ölpreis ist. Als dieser 2016 stark fiel, sank auch der Jahresüberschuss von Saudi Aramco bedenklich. Die Zahlen demonstrieren zudem, dass Ölkonzerne wie Exxon oder Shell, gemessen an ihrer Größe, deutlich profitabler sind als Saudi Aramco. Aber die müssen auch keinen teuren Prinzenstaat mitfinanzieren.