Saudi-Arabiens Pläne für die Zukunft:Weg vom Öl

SAUDI ARABIA-KING ABDULLAH ECONOMIC CITY

Der Eingang zur "King Abdullah Economic City", einer der vier geplanten saudischen Mega-Städte (Archivbild 2009).

(Foto: AFP)

Mit durchgeplanten Mega-Städten und Luxus-Universitäten will Saudi-Arabien seine Wirtschaft aus der Abhängigkeit vom Öl befreien. Doch Investitionen in Milliardenhöhe allein reichen dafür nicht.

Von Pia Ratzesberger

Prinz Alwaleed bin Talal fühlt sich bedroht. Nicht nur sich, sondern sein ganzes Land. Der saudische Milliardär und Großinvestor schrieb im Frühjahr dieses Jahres einen Brief an den für das Öl zuständigen Minister Saudi-Arabiens. Darin prophezeite er, dass die USA aufgrund des Shale-Booms im eigenen Land ihr Interesse an den saudischen Ölexporte zunehmend verlieren werden - und klagte, dass Saudi-Arabiens Wirtschaft noch immer zu sehr auf diese eine Ressource konzentriert sei: "Unser Land ist fast komplett vom Öl abhängig und das sollte uns allen Sorgen machen", schrieb der Investor.

Alwaleed bin Talal Sorgen sind begründet. Saudi-Arabien ist nichts ohne sein Öl. Das Königreich besitzt etwa 25 Prozent der weltweiten Ölreserven, die Einnahmen aus dem Rohstoff machen nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IMF) mehr als 80 Prozent aller Exporte und 90 Prozent der Budgeteinnahmen aus.

Süddeutsche.de und Le Monde sind Medienpartner von Arte für das Doku-Game "Fort McMoney". Wer mitspielt, bestimmt mit: Er übernimmt die Rolle der Einwohner von Fort McMurray in Kanada, ihren Zwiespalt zwischen Wirtschaftsboom einerseits, sozialen und ökologischen Problemen andererseits. Das Spiel wird von der kanadischen Medienförderung CMF/FMC mitfinanziert, vom kanadischen Filmboard ONF/NFB und der Firma Toxa produziert. Hier geht es zum Spiel.

Dabei hat das Land schon Ende der 90er Jahre begriffen, dass es nicht ewig seinen Reichtum aus dem Boden zieht kann. Schon zu dieser Zeit beschloss das Königreich ein Reformprogramm, 2005 dann trat das Land der World Trade Organization (WTO) bei, in den darauffolgenden Jahren kamen immer neue Projekte hinzu: Abseits des Ausbaus der Petrochemie verspricht sich der Staat vor allem viel von den "Economic Citys".

Vier Mega-Städte stampfen die Saudis hier aus dem Boden, strategisch über das ganze Land verteilt. Zentren der Zukunft, der Technologie, der Privatindustrie - und, wie die Saudis es sich wünschen, vor allem Zentren der ausländischen Investitionen. Jede Stadt soll dabei bestimmte Industriebereiche bedienen: Die King Abdullah Economic City zwischen Mekka und Medina aufgrund ihrer Lage am Meer zum Beispiel unter anderem die Hafenlogistik, die Prince Abdulaziz Bin Mousaed Economic City (PABMEC) im Zentrum des Landes, entlang zentraler Handelsstraßen gelegen, vor allem Bau und Landwirtschaft.

Daneben will das Königreich bis 2020 allein 900 Milliarden US-Dollar in den Ausbau seiner Infrastruktur pumpen: Erst im Juli dieses Jahres hat das Land einen Großauftrag für ein U-Bahn-System in der Hauptstadt Riad an drei Firmenkonsortien vergeben, unter anderem wird auch Siemens am neuen Transportsystem beteiligt sein. In Mekka und Dschidda sind bereits ähnliche Projekte geplant.

Saudi-Arabien ist sich bewusst, dass sein Öl allein für die Zukunft nicht ausreicht. Dass die Wirtschaft vielfältiger werden muss, wenn das Königreich weiter so hohe Wachstumszahlen erreichen will wie bisher - in den vergangenen Jahren lag das reale Wirtschaftswachstum stets bei etwa sechs Prozent, Saudi-Arabien gilt damit als eine der erfolgreichsten Volkswirtschaften innerhalb der G20-Staaten.

Um diesen Status halten zu können, arbeitet Saudi-Arabien nicht nur am Ausbau von Logistik, Infrastruktur und Privatindustrie, sondern auch am Finanz- und Bankensektor. Erst Anfang des Jahres hat das Königreich die Basel-III-Regelungen zu Kapitalquote und Verschuldung für Banken umgesetzt.

Luxus-Unis sollen den Unternehmergeist wecken

Das Land hat aus der Vergangenheit gelernt: Weil Saudi-Arabien in Folge der jüngsten Weltwirtschaftskrise viel Geld im globalen Finanzsektor verloren habe, investiere das Land zurzeit bevorzugt in die eigene Wirtschaft, sagt Behrooz Abdolvand von der Freien Universität Berlin, dessen Forschungsschwerpunkt die Energiepolitik des Mittleren Ostens ist.

"Die begünstigten Sektoren sind vor allem Petrochemie, Infrastruktur, Wasser und Bauwesen. Das ist sinnvoll. Denn im Gegensatz zu beispielsweise Katar, das sein Geld vor allem in ausländischen Staatsanleihen Chinas, Japans oder auch Südkoreas anlegt, stärkt Saudi-Arabien damit seine eigene Ökonomie."

Dass Saudi-Arabien vor allem in die eigene Wirtschaft investiert, ist kein Zufall. Das Land muss Arbeitsplätze schaffen: 70 Prozent der saudischen Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt, der Bedarf an Jobs ist enorm. Da Saudi-Arabien seine politische Legitimation vor allem aus seinem Wohlstand zieht, kann es sich eine hohe Arbeitslosigkeit nicht leisten. Das Königreich versucht deswegen seine eigenen Arbeitskräfte besser zu qualifizieren und eine Unternehmens- und Innovationskultur aufzubauen.

Süddeutsche.de und Le Monde sind Medienpartner von Arte für das Doku-Game "Fort McMoney". Wer mitspielt, bestimmt mit: Er übernimmt die Rolle der Einwohner von Fort McMurray in Kanada, ihren Zwiespalt zwischen Wirtschaftsboom einerseits, sozialen und ökologischen Problemen andererseits. Das Spiel wird von der kanadischen Medienförderung CMF/FMC mitfinanziert, vom kanadischen Filmboard ONF/NFB und der Firma Toxa produziert. Hier geht es zum Spiel.

König Abdullah weiß, dass die angestrebte Diversifizierung seiner Wirtschaft nur dann funktionieren kann, wenn das Land nicht nur auf Engagement aus dem Ausland vertraut, sondern die eigenen Bürger neue Entwicklungen vorantreiben: 2009 eröffnete im Westen des Landes die König Abdullah Universität für Wissenschaften und Technologie, 12,5 Milliarden Dollar ließ sich Abdullah diese Hochschule kosten. Auf dem Gelände gibt es alles, was sich Studenten erträumen können: unter anderem einen Yachtklub und Golfkurse - für die Strände der Uni wurde extra Sand aus Spanien eingeflogen.

In der Privatindustrie arbeiten vor allem Expats

Abdullah will durch solch universitäre Luxus-Tempel den Entrepreneur-Geist der Menschen wecken. Doch diese Rechnung scheint nicht aufzugehen: "In Staaten wie Saudi-Arabien, wo Rohstoffe so opulent vorhanden sind, haben die Leute oft gar keinen Drang in die Forschung oder nach der Universität in die Privatwirtschaft zu gehen. Es gibt viele, die wollen einfach nur schnell ihren Bachelor machen, um dann eine Stelle im öffentlichen Dienst anzunehmen"", sagt Michael Bauer, der das Nahostprojekt am Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) in München leitet.

Tatsächlich sind in der saudischen Privatindustrie vor allem Expats beschäftigt, die Einheimischen dagegen beim Staat. Geld allein und prachtvolle Hochschulen reichen nicht, um die Wirtschaft zu reformieren. Trotz der immensen finanziellen Ausstattung der Hochschulen und dem Einkauf renommierter Wissenschaftler, schnitten saudische Studenten bei internationalen Test in Mathematik und Naturwissenschaften vor zwei Jahren zum Beispiel noch immer vergleichsweise schlecht ab.

Sie wissen, dass sich etwas ändern muss

"Die Golfstaaten wie Saudi-Arabien haben zwar erkannt, dass sie für eine Zeit nach den hohen Ölgewinnen vorsorgen müssen, aber die politische, volkswirtschaftliche und vor allem gesellschaftliche Umsetzung ist dann noch einmal etwas ganz anderes", sagt Bauer vom CAP. Der Internationale Währungsfonds rechnet schon für die kommenden fünf Jahre damit, dass der Öl-Output in Saudi-Arabien wenn überhaupt nur sehr langsam wachsen und die Privatwirtschaft den größten Anteil abseits der Ölwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt ausmachen wird. In den vergangenen Jahren ist die private Industrie stetig gewachsen, jährlich im Durchschnitt um etwa 7,5 Prozent - doch fraglich ist nach Analysen des IMF, ob das auch so bleibt, wenn die Staatsausgaben im nächsten Jahr weniger schnell zunehmen als bisher.

Saudi-Arabien steht genau wie alle anderen Golfstaaten vor der Herausforderung seinen Reichtum aus dem Öl in Innovation und Vielfalt zu verwandeln. Bis dahin ist es ein weiter Weg. Der Manager des Fonds für Start-Ups von der König Abdullah Universität sagte einmal: "Wir starten hier komplett ohne eine Tradition von Unternehmergeist". Es brauche Zeit, um diese Kultur zu verändern - und erst dann die Wirtschaft.

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