Satellitennavigation:Galileo sendet nicht mehr

Betreiber: Satelliten-Navigationssystem Galileo gestört

Galileo-Satelliten (hier eine Illustration) befinden sich auf einer stationären Umlaufbahn in etwa 23 000 Kilometern Höhe. Das Satellitenprojekt, an dem auch die deutsche Raumfahrtindustrie beteiligt ist, gilt als gutes Beispiel für europäische Zusammenarbeit. Die Idee eines deutschen "Weltraumhafens" für kleine Raketen halten Kritiker für einen unnötigen Alleingang.

(Foto: Pierre Carril/dpa)

Das europäische Satellitennavigationssystem ist seit Tagen offline, verzweifelt wird nun nach der Ursache für den Fehler gesucht. Der Ausfall wird derweil kleingeredet.

Von Hans von der Hagen und Dieter Sürig

Wenn das amerikanische Satellitennavigationssystem GPS ausfallen würde, hätte dies einschneidende Auswirkungen auf den weltweiten Verkehr, auf die Energieversorgung, auf die Bankenbranche. Kritische Infrastruktur ist mittlerweile abhängig vom Uhrensignal und den GPS-Daten, die auch dem Navi im Auto den Weg weisen. Ende voriger Woche ist das europäische Pendant Galileo ausgefallen - doch kaum jemand hat dies bemerkt. Das hängt auch damit zusammen, dass Galileo viele Vorteile im Zusammenspiel mit GPS ausspielt - und damit, dass die Minimalkonfiguration von 22 Satelliten erst im Frühjahr online gegangen ist und noch nicht alle geplanten Dienste anbietet.

Wann Galileo wieder hochgefahren werden kann, ist unklar. "Der technische Vorfall hängt mit der Galileo-Bodeninfrastruktur zusammen", wie die EU-Agentur European GNSS Agency (GSA) am Montag meldete. Betroffen seien Navigations- und Zeitgebungsdienste. Auf der entsprechenden Seite im Internet waren immer noch alle Satelliten als "nicht nutzbar" gekennzeichnet. GSA, Esa und Hersteller betreiben gerade Ursachenforschung. Die Prager Agentur GSA, die für Galileo zuständig ist, hatte am Sonntag mit einigen Tagen Verspätung auf ihrer Webseite gemeldet, dass das Navigationssystem seit Donnerstag nicht mehr funktioniere - wegen technischer Probleme am Boden. Zuvor hatte die GSA Galileo-Nutzer in kurzen Mitteilungen darüber informiert, dass die Galileo-Signale "bis auf weiteres" nicht zur Verfügung stehen würden. Nicht betroffen sei der Such- und Rettungsdienst (SAR), mit dem Galileo-Nutzer in Berg- oder Seenot gerettet werden können.

Im Grunde ist bei Galileo vieles doppelt ausgelegt. Das gilt für die hoch präzisen sensiblen Atomuhren genauso wie für die Bodenstationen: Es gibt gleich zwei Kontrollzentren, nämlich in Oberpfaffenhofen südlich von München und im italienischen Fucino bei Rom, von wo aus die bislang 26 Satelliten rund um die Uhr betreut werden. Das Fachmagazin InsideGNSS zitiert einen Insider, demzufolge der Grund für den Ausfall in der sogenannten "Precise Timing Facility" (PTF) in Italien liegt, deren Atomuhren das Galileo-Zeitsignal steuern. Gemeint ist damit das Kontrollzentrum in Fucino. Dort wird das Zeitsignal mittels Atomuhren generiert und mit den Galileo-Satelliten, der Weltzeit und der Zeit des GPS-Systems synchronisiert. Die PTF ist somit für das Funktionieren der Satellitennavigation entscheidend - sie ist Voraussetzung für die Zeitreferenz und eine möglichst präzise Ortsbestimmung des Nutzers.

Auch in den anderen Systemen kam es bereits zu größeren Pannen

Unter Raumfahrtexperten gilt das PTF gar als Single Point of Failure - es ist so systemrelevant, dass mit dem PTF das ganze Galileo-System ausfällt. Ohne das PTF sind die Satellitensysteme nicht mehr in der Lage, ihre Position korrekt anzugeben. Ob das PTF aber wirklich ausgefallen ist, bleibt indes unklar.

Andererseits: Bei der Europäischen Kommission in Brüssel herrscht auch wegen der redundanten Auslegung des Systems großes Rätselraten darüber, warum Galileo überhaupt ausgefallen ist. "Wir haben Redundanzen noch und nöcher", wundert sich ein Insider, der im übrigen die Atomuhren als Fehler ausschließt. Schon 2017 hatte es Wirbel um die präzisen Zeitmesser gegeben, da neun von ihnen an Bord einiger Satelliten ausgefallen waren. Da in jedem Satelliten aber vier Atomuhren verbaut sind, hatte es offenbar keine Einschränkungen gegeben. Zumal mit dem vergleichbaren US-System GPS, dem chinesischen Beidou und dem russischen Glonass für zivile Nutzer auch noch drei weitere Satellitennavigationssysteme zur Verfügung stehen, die weltweit von vielen Smartphones gleichzeitig genutzt werden können.

Die Betreiber versuchen indes, den Ausfall des Systems klein zu reden: Der Vorfall hänge auch damit zusammen, "dass die EU Galileo schrittweise einführt", heißt es bei der GSA. Es sei nicht ungewöhnlich, dass ein komplexes globales Navigationssystem wie Galileo in der Startphase "vorübergehende Probleme mit der Signalqualität" habe. So könnten solche technischen Probleme erkannt werden, bevor das System komplett in Betrieb gehe. Galileo steht übrigens mit seinem Ausfall nicht allein. Auch in den anderen Systemen kam es bereits zu größeren Pannen: Bei Glonass gab nach Angaben von Experten vor einigen Jahren einen großen Ausfall, auch beim GPS-System waren in den vergangenen Jahren einzelne Satelliten betroffen.

Mit dem Ausfall von Galileo setzt sich eine unrühmliche Serie von Pannen fort, die den Aufbau des Satellitensystems von Anfang an begleitet haben. Vor etwa 20 Jahren hatte die EU die ersten Milliarden gewährt, um Europa unabhängig vom US-Navigationssystem GPS zu machen: für 30 eigene Satelliten in gut 23 000 Kilometern Höhe, die bereits 2008 in Betrieb gehen sollten. Ein Private-Public-Partnership-Konsortium scheiterte zunächst, dann übernahm die Raumfahrtagentur Esa die Verantwortung für den Aufbau.

Mittlerweile befinden sich 26 Satelliten im All, doch davon sind vier wegen falscher Umlaufbahnen oder defekter Uhren nur eingeschränkt einsetzbar. Neben dem Problem mit den Atomuhren hatten die Betreiber 2014 Ärger, weil eine Sojus-Rakete zwei Galileo-Einheiten in der falschen Umlaufbahn abgesetzt hatte. Im kommenden Jahr sollen vier weitere Satelliten das System ergänzen.

Die 22 funktionierenden Satelliten reichen für die Mindestabdeckung aus, sodass die GSA erste Dienste anbietet. Neben dem Such- und Rettungsdienst ist das eine präzisere Navigation - mittelfristig mit einer Genauigkeit von 20 Zentimetern, die für autonomes Fahren wichtig ist. Ferner ein öffentlich-regulierter Dienst, also ein verschlüsseltes Navigationssignal für Rettungs- und Sicherheitskräfte, Stromnetzbetreiber, Militär. Nicht zuletzt ist ein zuverlässiges, stabiles Signal mit Authentifizierung vorgesehen, um falsche Signale erkennen zu können. Momentan sind die Betreiber aber wohl froh, wenn sie das normale Signal wieder in Gang kriegen können.

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