Süddeutsche Zeitung

Mobilfunk:Wenn der Himmel Hilfe schickt

Das Mobilfunknetz wächst, aber es werden Lücken bleiben. Geht es nach den Herstellern, sollen Satelliten dabei helfen, sie zu schließen. Wäre da nicht das Problem mit den Smartphones.

Von Helmut Martin-Jung, Barcelona

Sie wollen eine zweite Welt aufbauen, eine virtuelle, und sie verbinden mit der realen. Mobilfunk, so die Vision der Telekommunikations-Anbieter beim Branchentreff Mobile World Congress in Barcelona, wird die Menschen einhüllen, wo immer sie sind, wird Produktion und Logistik steuern, den Verkehr überwachen und lenken. Doch auch wenn diese im Moment noch recht kühnen Vorstellungen wahr werden: Wahr ist auch, dass das Mobilfunknetz nicht überall sein wird und sein kann. Weshalb längst auch eine weitere Technologie vorangetrieben wird: Satelliten.

Es geht dabei nicht bloß um Gebiete wie die mongolische Steppe, die unendlichen Weiten Kanadas oder Sibiriens. Dass man dort nicht alle paar Kilometer einen Funkmasten aufstellen kann und will, leuchtet ein - sie müssten ja auch mit Strom versorgt und mit einem Glasfaser-Kabel angeschlossen werden. Doch auch in dichter besiedelten Gebieten klaffen Funklöcher, das wird auch auf absehbare Zeit so bleiben.

Für die restlichen, bisher unversorgten Gebiete soll Satellitenkommunikation einspringen. Zuletzt hatte Apple bei der Vorstellung des iPhone 14 Aufsehen mit einem Feature erregt, das es erlaubt, Textnachrichten vom iPhone aus via Satellit an Rettungsdienste zu senden. Dafür muss aber das Handy auf den Satelliten ausgerichtet sein. Eine App hilft dabei, die beste Position zu finden.

Nur Textnachrichten sind möglich

Ähnlich funktioniert auch das Outdoor-Handy S75, das der britische Hersteller Bullitt unter der Marke Caterpillar, kurz Cat, vertreibt. Bullitt hat dafür mit dem Chipentwickler Mediatek eine Hardware gebaut, die das sogenannte Narrowband IoT nutzen. Das verwendet man sonst zum Beispiel, um Sensoren etwa auf Autobahnbrücken oder in großen Fabrikanlagen anzubinden. Die müssen keine riesigen Datenmengen übertragen, sondern meist nur ein paar Werte. Das Cat-Handy kann Text-SMS schicken oder Textnachrichten über eine App.

Wer kein besonders strapazierfähiges Handy will, aber etwa bei Wanderungen auf der sicheren Seite sein möchte, für den gibt es ein kleines Kästchen, kleiner als eine Packung Papiertaschentücher, in dem der Chip zur Satelliten-Kommunikation steckt. Es wird via Bluetooth mit dem Handy verbunden und kann ebenfalls nur Textnachrichten versenden. Diese werden über einen der geostationären Satelliten der Betreiber Inmarsat oder Echostar an Bodenstationen weitergeleitet und von dort an den Empfänger. Kostenpunkt: Ab fünf Euro für 30 Nachrichten pro Monat.

Das ist aber nur eine der Möglichkeiten, die sich hier anbieten. Auch der Netzwerkausrüster Ericsson beispielsweise arbeitet daran, schlecht abgedeckte Regionen mit einer Art von Notfall-Netz zu versorgen. Zusammen mit dem Chiphersteller Qualcomm und dem Luftfahrtexperten Thales haben die Schweden einen Prototypen entwickelt, der es erlaubt, auch größere Datenmengen zu übertragen.

Je näher die Satelliten, desto mehr Daten können übertragen werden

Gedacht ist dabei an Notfalleinsätze etwa dort, wo es kein Netz gibt oder aber, wo es als Folge einer Naturkatastrophe ausgefallen ist. Dafür wird eine 5G-Funkzelle aufgebaut, deren Daten via Satellit in die Notfallzentrale übertragen werden. Die Bandbreite beträgt etwa zehn Megabit pro Sekunde, damit lässt sich ein Videostream in HD-Qualität - also wie im Fernsehen - übertragen. Auch mehrere Streams gleichzeitig funktionieren. Allerdings wird dann der wichtigste priorisiert und in verminderter Qualität, mit Klötzchen, übertragen. Das schwedische Unternehmen hat bereits eine Software namens Swedome entwickelt, die all das zusammenbindet. Sie wird derzeit von der schwedischen Polizei "in einem realitätsnahen Szenario getestet", wie der Firmenchef sagt. Übertragen werden die Bilder auf große Monitore oder - etwa beim Außeneinsatz - auf VR-Brillen.

Die höheren Datenraten bei Ericsson und Co. sind möglich, weil die Firmen nicht wie beim Cat-Handy auf geostationäre Satelliten setzen, deren Position zwar bekannt ist, die aber ziemlich weit draußen sind, rund 36 000 Kilometer. Erdnahe Satelliten, wie sie in Ericssons Notfallprojekt verwendet werden, fliegen dagegen in nur etwa 200 bis 2000 Kilometern Höhe. Sie legen pro Sekunde etwa sieben Kilometer zurück, um große Bereich der Erde ständig abzudecken, braucht man deshalb viele davon.

Vorteil der Ericsson-Entwicklung: Man braucht keine Satellitenantenne am Boden wie etwa beim Satelliteninternet Starlink von Elon Musk. Wohl aber muss der passende Chip in den Smartphones stecken. Die gibt es bis jetzt allerdings noch nicht zu kaufen. Um Gebiete abzudecken, die ansonsten schwer mit mobilem Internet zu versorgen wären, bietet sich die Technik aber auf jeden Fall an.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5761514
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/mva/sry
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.