Luftfahrt:Die SAS fliegt wieder

Luftfahrt: Nachdem der Streik beendet ist, kommen nun harte Verhandlungen mit Geldgebern auf die SAS zu.

Nachdem der Streik beendet ist, kommen nun harte Verhandlungen mit Geldgebern auf die SAS zu.

(Foto: Mads Claus Rasmussen/imago images/Ritzau Scanpix)

Entlassene Piloten dürfen wieder in der Muttergesellschaft arbeiten und nehmen dafür weniger Gehalt und mehr Arbeitsstunden in Kauf. Nun muss die Airline Investoren suchen.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Flugchaos? Einfach mal die Skandinavier fragen, bevor man sich das nächste Mal beschwert: Die nämlich hatten nun zwei Wochen lang - pünktlich zum Start in die Sommerferien - die doppelte Portion davon. Zusätzlich zum Corona-bedingten Personalmangel und den daraus resultierenden Schlangen an den Flughäfen hatten bis Dienstagfrüh auch noch die Piloten der SAS gestreikt, der größten Fluggesellschaft im Norden, 15 Tage lang.

Die Folge: 3700 oft kurzfristig annullierte Flüge, 370 000 betroffene Passagiere und noch immer Hunderte Dänen, Schweden und Norweger, die irgendwo in der Ferne feststecken. Züge und Fernbusse in den Rest des Kontinents waren in Folge des Streiks auch hoffnungslos ausgebucht, wer erholsame Ferien suchte, setzte sich am besten aufs Fahrrad.

Am Dienstagmorgen nun die Nachricht: SAS fliegt wieder mit der ganzen Flotte. Dann, wenn all die geparkten Flieger bereitstehen, was noch bis zu zwei Tage dauern kann. Die Nachricht von der Einigung der Piloten mit den Managern von Scandinavian Airlines wurde mit großer Erleichterung begrüßt, an der Börse legte die Aktie auch gleich zu, zu großem Jubel aber wollte es nicht reichen. Dazu ist der Ärger bei den Kunden zu gewaltig und die Sorge um die Zukunft der angeschlagenen Fluggesellschaft ebenso.

Auslöser des Streiks war der Umgang mit jenen Piloten, die während der Corona-Pandemie entlassen worden waren. Die SAS-Führung hatte ihnen bei der Entlassung eine Wiedereinstellung für den Moment zugesagt, wenn man sie wieder brauchen könne. Angesichts schnell ansteigender Passagierzahlen war der Zeitpunkt dafür längst gekommen, und SAS bot den Piloten auch tatsächlich neue Arbeitsplätze an: Allerdings nicht in der Muttergesellschaft, sondern in den neu gegründeten Tochtergesellschaften SAS Link und SAS Connect, zu neuen, schlechteren Bedingungen. Ein Versuch des Managements, die Kosten zu senken - und für die Pilotenverbände Dänemarks, Schwedens und Norwegens ein gebrochenes Versprechen.

Der SAS-Chef entschuldigte sich bei den Passagieren

Und wenn der Vorsitzende des dänischen Pilotenverbandes, Henrik Thyregod, am Dienstagmorgen dem Sender TV2 sagte, die Verhandlungen seien "wahnsinnig schwierig" gewesen, er sei jedoch "froh" darüber, dass man die Flieger nun bald wieder in die Luft bekommen könnte, dann lag das vor allem an diesem Punkt der Einigung: Die Geschäftsführung hat die Wiedereinstellung der 450 entlassenen Piloten in die Muttergesellschaft zugesagt.

Für diesen Sieg haben die Piloten dänischen Medien zufolge allerdings erhebliche Zugeständnisse gemacht. TV2 meldete, die Piloten hätten sich mit einer Gehaltssenkung von bis zu 25 Prozent einverstanden erklärt, außerdem solle die Arbeitsbelastung von derzeit 47 Stunden die Woche auf 60 Stunden erhöht werden dürfen. Die Vereinbarung gelte für ganz Skandinavien, und zwar für die nächsten fünf Jahre.

SAS-Chef Anko van der Werff entschuldigte sich bei den Passagieren. Die SAS der vergangenen beiden Wochen sei "nicht die SAS, die wir sein wollen". Man habe die Kunden ebenso verprellt wie die dringend gesuchten potenziellen Investoren. Man werde "hart arbeiten", um das verlorene Vertrauen zurückzubekommen.

Dass das nicht so einfach sein wird, dass es wohl überhaupt keinen Weg zurück geben wird zu jenen Zeiten, als Scandinavian Airlines Quelle des Stolzes war in den nordischen Ländern, zeigte eine Umfrage während des Streiks. Ein Drittel der befragten Dänen sagte da schulterzuckend, dass sie das Überleben der Fluggesellschaft für nicht sonderlich wichtig hielten - ganz im Gegensatz zu ihrem Finanzminister Nicolai Wammen, der im vergangenen Monat noch einmal erklärte, wie wichtig SAS vor allem für die dänische Wirtschaft und den Flugknotenpunkt Kopenhagen sei.

Die Gesellschaft gilt als veraltet und schwerfällig

Der dänische und der schwedische Staat sind noch immer an SAS beteiligt, sie haben aber auch keine Lust mehr, der zuletzt stark defizitären Fluggesellschaft weitere Milliarden zuzuschießen. Die Pandemie war nur der letzte Schlag für die SAS. Sie gilt schon seit längerem als veraltet, schwerfällig und digital rückständig, die Billigkonkurrenz machte der Firma schwer zu schaffen. Der aus den Niederlanden stammende Chef Anko van der Werff legte deshalb im vergangenen Jahr ein ambitioniertes Restrukturierungs- und Sparprogramm vor. Die offenbar überteuerten Verträge mit den Leasinggesellschaften will er neu verhandeln, neue Investoren an Bord holen.

Ein erster Schritt bei der Senkung der Personalkosten ist mit der Vereinbarung vom Dienstag offenbar getan. Nun aber warteten "viel härtere Verhandlungen" mit Gläubigern und möglichen Investoren, schrieb die Zeitung Jyllands-Posten. "Der Pilotenstreik ist vorbei", kommentierte die konservative Berlingske. "Die Probleme von SAS sind es noch lange nicht".

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