Sarrazins mögliche Entlassung:Ein Fall für die Juristen

Der Druck auf Bundesbank-Chef Axel Weber steigt, die Suspension von Thilo Sarrazin aus dem Bundesbank-Vorstand zu beantragen. Doch wie Vorstände entlassen werden können, ist nicht klar geregelt.

Helga Einecke

Bundeskanzlerin Angela Merkel verpackte ihren Auftrag an Bundesbankpräsident Axel Weber mit einem Kompliment. Sie sagte zu Wochenbeginn, die Bundesbank sei ein Aushängeschild für Deutschland. Aber die Währungshüter müssten dringend mit ihrem Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin reden, dessen strittige Thesen unerträglich seien.

Sarrazins mögliche Entlassung: Viel Raum für Rechtsberater: Die Entlassung eines Bundesbanksvorstands ist juristisches Neuland.

Viel Raum für Rechtsberater: Die Entlassung eines Bundesbanksvorstands ist juristisches Neuland.

(Foto: ddp)

Weber war gerade auf dem Rückflug von einem Notenbanktreffen in den amerikanischen Rocky Mountains und verstand sofort. Er telefonierte in Frankfurt die übrigen Vorstandsmitglieder der Bundesbank zusammen und ließ es dann an deutlichen Worten nicht fehlen

Der Vorstand bestellte Sarrazin per Pressemitteilung zum Rapport nach Frankfurt. Der Vorwurf lautet, er habe sich mehrfach und nachhaltig provokant geäußert, missachte seine Pflichten als Mitglied des Vorstands und schade dem Ansehen der Bundesbank. Sarrazins Äußerungen würden der Bundesbank zugerechnet, auch wenn er sie als persönliche Meinung deklariere. Sie beeinträchtigten den Betriebsfrieden der Notenbank, deren Mitarbeiter häufig einen Migrationshintergrund hätten.

Der Bundespräsident müsste den Antrag prüfen

Das liest sich wie die Ankündigung einer Entlassung. Dafür gibt es aber bisher keine klaren Regeln. Will die Bundesbank Sarrazin wirklich loswerden, muss sie das juristisch wetterfest machen, sonst droht ein noch größerer Schaden. Sarrazin könnte nämlich gegen eine Entlassung klagen, er soll sich bereits von seinem Anwalt beraten lassen.

Dem Bundesbankvorstand steht der Ethik-Beauftragten zur Seite, Professor Uwe Schneider. Der prüft, ob Vorstände gegen den Verhaltenskodex der Bundesbank verstoßen. Sollte er einen Verstoß feststellen, könnte der Notenbankvorstand mehrheitlich einen Antrag auf Abberufung beschließen. Ein solcher Schritt wäre in der Geschichte der Notenbank einmalig, denn bisher gab es zwar Rücktritte, aber keine Entlassungen.

Das Gespräch mit Sarrazin soll noch vor der nächsten Vorstandssitzung an diesem Mittwoch stattfinden. Danach könnte sich der Vorstand an Bundespräsident Christian Wulff wenden, der die Abberufung prüft. Die Regierung müsste die Entlassungsurkunde gegenzeichnen.

Eine Nagelprobe für Zentralbankchef Weber

Der Bundesbankvorstand kann sich auf zwei Dokumente berufen. Erstens steht in einem Verhaltenskodex, die Führung der Notenbank solle das Ansehen der Institution fördern und aufrechterhalten. Zweitens legt die Satzung des Systems der Europäischen Zentralbanken fest, schwere Verfehlungen seien ein Grund zur Entlassung. Die Abberufung von Notenbankern ist bewusst erschwert, weil sie unabhängig von politischer Willkür arbeiten sollen. Zu dieser Unabhängigkeit zählt auch die lange Amtszeit von mindestens fünf Jahren.

Für den Bundesbankpräsidenten bedeutet der Fall Sarrazin eine Nagelprobe. Er strebt die Nachfolge von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet an, braucht dafür die Unterstützung von Merkel, aber auf keinen Fall einen Skandal im eigenen Haus. Schon einmal ist er an Sarrazin gescheitert. Im Herbst vergangenen Jahres hatte er ihm den Rücktritt nahegelegt, weil Sarrazin schon damals seine provokanten Thesen in einem Magazin verbreitete. Sarrazin trat nicht zurück, Weber lernte mit dem Provokateur im eigenen Haus zu leben. Sarrazin verlor den Geschäftsbereich Bargeld und muss sich mit weniger prestigeträchtigen Ressorts zufriedengeben.

Der Druck steigt

Dieses Mal will Weber nichts übereilen, sondern streng formal vorgehen. Im Herbst war man sich in der Runde der übrigen fünf Vorstandsmitglieder nicht einig, ob ein Antrag auf Entlassung überhaupt sinnvoll oder nötig war. Seither hat sich nicht nur die Zusammensetzung des Vorstands geändert, weil zwei neue Mitglieder hinzukamen. Auch die Thesen von Sarrazin werden immer steiler. Deshalb kann Weber auf weitere Verbündete hoffen, möglicherweise sogar auf Zustimmung aus der Gesellschaft.

Sollten nämlich nicht nur Politiker, der Zentralrat der Juden und Experten Sarrazin und seine Thesen unerträglich finden, dann kann der Druck gegen ihn schnell sein Aus bedeuten. Die Politik aber muss sich damit befassen, wie sie die Bundesbank mit Spitzenpersonal bestückt, wenn die ein Aushängeschild bleiben soll. Denn die Berufung der Bundesbankvorstände ist ganz eindeutig geregelt. Jeweils drei Vorstandsmitglieder dürfen der Bund und die Bundesländer vorschlagen. In der Vergangenheit war dabei der Parteienproporz ausschlaggebend, wie auch bei Sarrazin, der auf dem Ticket der SPD-Länder Berlin und Brandenburg in die Bundesbank kam.

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