Sarkozy kämpft um Bestnote:Frankreichs Rating-Sorgen verunsichern Euro-Zone

Die Ratingagentur Moody's bezweifelt, ob das verschuldete Frankreich seine Top-Bewertung weiter behält. Doch weil bald Präsidentschaftswahlen sind, verzichtet Nicolas Sarkozy wohl auf durchgreifende Reformen. Sollte Frankreich sein AAA verlieren, hätte das heftige Folgen für den Euro-Rettungsschirm - und damit für Deutschland. Die Krise dringt nach Kerneuropa vor.

Johannes Aumüller

Wenn sich an diesem Wochenende die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zu ihrem Gipfel treffen, ist die Tagesordnung lang und das überwölbende Motto eindeutig: Es geht um die Zukunft Europas. Doch daneben geht es auch um eine persönliche Zukunft - die von Nicolas Sarkozy.

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Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bangt um seine Macht - und um das AAA für Frankreich.

(Foto: AFP)

Im kommenden Frühjahr sind in Frankreich Präsidentschaftswahlen, am Sonntag kürten die Sozialisten François Hollande zu Sarkozys Herausforderer. Und gewisse Wechselwirkungen zwischen dem Wahltermin und den Schritten zur Euro-Rettung sind offensichtlich. Sarkozy hat in den kommenden Monaten gleich mehrere Anliegen: Er will den Bürgern keine harten Reformen zumuten; er will verhindern, dass die in Griechenland immens engagierten französischen Banken ins Straucheln geraten; und er will vermeiden, dass sein Land das Spitzen-Rating AAA verliert - aus inhaltlichen Gründen, aber vor allem auch aus psychologischen. Das Image von Sarkozy als dem Mann, der die Grande Nation 2008 aus der Krise führte, wäre stark gefährdet.

Doch diese Ziele widersprechen sich in Teilen. Und daran erinnerte die Ratingagentur Moody's die französische Regierung nun noch einmal nachdrücklich. Sie kündigte an, die Situation in Frankreich in den kommenden Monaten genau zu beobachten. Die Finanzstärke des Landes habe sich wegen der Belastungen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise verschlechtert, hieß es. Frankreich gehöre zu den schwächsten der noch mit AAA bewerteten Ländern - von denen es ohnehin nur noch 16 gibt. Zudem könnten im Zuge der Schuldenkrise weitere Belastungen auf die Staatskasse zukommen, etwa weitere Hilfen für Länder oder die Banken.

Die Krise dringt ins Zentrum vor

Im Klartext heißt das: Erstens ist nicht mehr zu übersehen, dass die Krise bis nach Kerneuropa vorgedrungen ist. Und zweitens müsste Frankreich eigentlich sofort die desolate Haushaltslage verbessern. Rund 95 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beträgt der Schuldenstand; gemäß der Maastricht-Kriterien sind lediglich 60 Prozent erlaubt. Doch sofortige Spareingriffe gelten als ausgeschlossen. Sie würden Frankreichs Bürger erzürnrn, die ohnehin protestfreudiger sind als etwa die Deutschen, und Sarkozys Chancen auf eine Wiederwahl erheblich verringern.

Es gibt einige Beobachter, die sich grundsätzlich an der Moody's-Drohung stören. Sie beklagen, dass hinter dem permanent wachsenden Misstrauen gegen Frankreich kein inhaltlicher Grund stecke, sondern lediglich eine neue Spekulationswelle. Als folgten die Märkte dem Motto: Nach Griechenland, Portugal oder Italien greifen wir jetzt auch mal ein europäisches Kernland an.

In der Tat ist Frankreich im Prinzip ökonomisch gesund - vor allem im Vergleich mit den zahlreichen Krisen-Staaten. Und doch gibt es neben dem überschuldeten Haushalt viele gute Argumente, mit denen sich die Moody's-Ansage rechtfertigen lässt. Die Arbeitslosigkeit liegt auf einem Rekordniveau von mehr als zehn Prozent. Die Außenhandelsbilanz ist hoch defizitär und so schlecht wie noch nie. Und im Umgang mit den angeschlagenen Banken überzeugt die Regierung nicht: So ist zum Beispiel noch nicht klar, wie es mit dem französischen Teil der gerade verstaatlichen Dexia-Bank weitergehen soll.

Dann sogar 317 Milliarden Euro?

Und alles, was der Regierung bislang zu dieser gefährlichen Gemengelange einfiel, war ein Zwölf-Milliarden-Euro-Sparprogramm, das erstens weit hinter den Sparprogrammen anderer europäischer Länder zurückbleibt und das zweitens auf einer Wachstumsprognose von 1,75 Prozent fußt. Einem Wert, den Ökonomen für viel zu hoch halten und den neuerdings sogar Frankreichs Finanzminister François Barroin für "wahrscheinlich zu hoch" hält.

Experten rechnen deswegen mit einer baldigen Herabstufung. Die Chefvolkswirte von Barclays und Commerzbank äußerten sich zu Wochenbeginn schon so, nun sagte Lüder Gerken, der Chef des Centrums für Europäische Politik, der Rheinischen Post: "Durch die Bankenkrise ist der Rekapitalisierungsbedarf für die französischen Banken so groß, dass Frankreich höchste Gefahr läuft, sein Triple-A-Rating zu verlieren." Der deutsche EFSF-Manager Klaus Regling hingegen sagte bei einem Vortrag in München, dass die Ratingagenturen schriftlich zugesichert hätten, Frankreich nicht herabszustufen.

Nun ist es generell so, dass der Verlust des AAA nicht zwingend eine Katastrophe ist. Vor wenigen Wochen stufte beispielsweise Standard & Poor's die USA herab - und die Folgen blieben überschaubar. Amerikanische Staatsanleihen gelten weiterhin als das weltweit sicherste Investment. Doch im Falle von Frankreich wäre das anders.

Denn das Land schultert gemeinsam mit Deutschland die Hauptlast für den Euro-Rettungsschirm EFSF. Die gesamte Konstruktion dürfte nur aufgehen, wenn beide Länder ihre AAA-Ratings behalten. Sollten die Agenturen Frankreich herabstufen, müsste der EFSF neu bewertet werden und könnte er seine Bestnote verlieren. Das wiederum würde dazu führen, dass große Anleger mehr in deutsche Staatsanleihen als in den EFSF investieren würden.

Der Fonds wäre nicht mehr das, was er sein soll - es sei denn, Deutschland würde seinen Anteil weiter ausbauen. Nach Berechnungen von Gerken müsste der Bund seine Garantien von 211 Milliarden Euro auf 317 Milliarden Euro erhöhen, damit der Fonds sein geplantes Volumen von 780 Milliarden Euro behalten könne. Doch selbst die Ressourcen der größten Volkswirtschaft Europas dürften irgendwann einmal erschöpft sein - mal ganz abgesehen von der Frage, wie die deutschen Steuerzahler auf solch eine Entwicklung reagieren würden.

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