SAP:Weiblicher und jünger

Überraschender Wechsel bei SAP: Der bisherige Chef geht - künftig führen eine Frau und ein 39-Jähriger gemeinsam Europas größte Softwarefirma.

Von Max Hägler und Stefan Mayr

Zum Amtsantritt klingen die beiden neuen Chefs schon ein bisschen müde. Es ist aber auch ein bisschen viel für Jennifer Morgan und Christian Klein. Plötzlich sind sie gemeinsam SAP-Chefs, als Nachfolger des durchaus schon legendären Bill McDermott. Ab sofort. "Wir haben erst vor 24 Stunden die Bestätigung bekommen und sind seitdem auf den Beinen", sagt die 48-jährige US-Amerikanerin fast entschuldigend bei einer Telefonschalte. In Palo Alto, USA, sitzt sie gerade mit ihrem neuen Co-Chef, zwei Uhr Nachts ist es dort, und sie versucht irgendwie diesen Aufstieg zu erklären, der alle erstaunt hat, offenbar auch die beiden selbst. Und der durchaus außergewöhnlich ist.

Jennifer Morgan ist die erste Frau an der Spitze eines Dax-Unternehmens. Ihr Kollege Klein ist mit 39 Jahren der derzeit jüngste Chef in dieser Liga. SAP ist auch nicht irgendeine Firma. Die Software aus Walldorf wird auf der ganzen Welt eingesetzt: Fabriken werden mit SAP gesteuert, Reisen in Konzernen mit SAP abgerechnet, Personaldaten verwaltet, Logistik und Zahlungen gesteuert. Es gibt kaum ein bedeutendes Unternehmen, das nicht Kunde bei SAP ist. Die Software ist so etwas wie das Öl der globalen Wirtschaft.

SAP ist einer der wenigen europäischen Konzerne, die es überhaupt mit der US-Konkurrenz aufnehmen können und mit 140 Milliarden Euro Börsenwert das wertvollste deutsche Unternehmen. Es zu führen, sei "eine unbeschreibliche Ehre", sagt Morgan am Freitag. Sie spricht auch von einem "bittersüßen Tag nach all den erfolgreichen Jahren" mit Bill McDermott; beinahe zehn Jahre war er der SAP-Chef. Auf die Frage nach ihrer Strategie räumen Morgan und Klein erstaunlich offen ein, dass sie diese noch erörtern müssen. "In den letzten 24 Stunden hatten wir noch keine Zeit, um uns über Ideen auszutauschen", so Klein. Die Aktie gewinnt zehn Prozent.

William R Bill MCDERMOTT CEO Vorstandssprecher SAP SE und Jennifer MORGAN Vorstandsmitglied C

Vorher, nachher: Bill McDermott (li.) hat SAP seit 2010 geführt. Jetzt macht er Platz für Jennifer Morgan (re.), die die Softwarefirma zusammen mit Christian Klein leiten wird.

(Foto: Sven Simon/imago)

Warum McDermott so plötzlich zurücktritt? Das bleibt unklar. "Er ist bereit für sein nächstes Abenteuer", sagt Morgan nur. In der Firma waren in den vergangenen Monaten ungewöhnlich viele Top-Manager von Bord gegangen. Und so wird spekuliert, was los ist, trotz dieser drei Emails, die in der Nacht nacheinander an die 100 000 Mitarbeiter gingen.

Den Anfang machte Hasso Plattner, der Mitgründer, Patriarch und Aufsichtsratschef, ohne den bei SAP nichts läuft. Um 0.48 Uhr schreibt er, "ohne Bill" stünde die SAP heute nicht dort, wo sie ist - was übrigens auch die Meinung vieler Arbeitnehmervertreter ist, die sich irgendwann zusammengerauft hatten mit diesem 58-jährigen US-Amerikaner. Die meisten im Unternehmen sagen, was Plattner schreibt: McDermott hat das Cloud-Computing zu SAP gebracht, diese angesagte Art, dass Daten im Internet verarbeitet werden und nicht mehr auf Büro-PCs, was auch dazu führt, dass Software heutzutage vermietet wird. Etliche wichtige Firmen hat er deswegen eingekauft und es geschafft, die meisten auch zu integrieren in die Welt aus Walldorf. Und weil "Weitsicht" immer schon eine "typische Stärke von Bill" gewesen sei, so schrieb Plattner, habe der sich bereits vor einem Jahr ausgetauscht wegen möglicher Nachfolger.

Mc Dermott selbst schreibt ein paar Minuten später eine Email mit dem Titel: "The next chapter" - das nächste Kapitel. An die "lieben Freunde" adressiert er, erinnert er an seinen schweren Unfall vor einigen Jahren, bei dem er auf einem Auge beinahe erblindete (seitdem trägt er getönte Brillen) und doch auf dem Vorstandsposten verbleiben durfte. Er habe den Zeitpunkt des Abschieds so gewählt, weil die Frage nach seiner Zukunft im Frühjahr aufgekommen wäre, wenn die Vertragsverlängerung angestanden hätte. In einem Moment der Stärke habe er das mitteilen wollen: Außerplanmäßig veröffentlichte SAP die Quartalszahlen, die nach Sicht vieler Analysten ausgezeichnet sind.

Die beiden neuen Chefs berichten, Plattner habe sie in die USA gebeten, zu einem Gespräch mit Bill. Und was da herausgekommen sei, "hätten wir nie zu träumen gewagt". Auch der gern mit Pathos auftretende McDermott hatte den Job anfangs in einer Doppelspitze angetreten, damals 2010 mit Jim Hagemann Snabe, doch die Partnerschaft ging bald in die Brüche, seit 2014 war McDermott alleiniger SAP-Chef. Dass nun abermals ein Duo führen soll, halten viele in der Firma für geschickt: Beide seien "Junioren" in dieser Funktion, alleine jeweils vielleicht überfordert. Die beiden wichtigsten Märkte würden vertreten, Europa und Amerika. Und die Entwickler in Deutschland sind besänftigt: Sie beklagen stets eine Dominanz von großsprecherischen Vertrieblern US-amerikanischer Art in der Unternehmensführung.

Christian Klein - SAP

Er wird Co-Chef von SAP: der Deutsche Christian Klein.

(Foto: dpa)

Jennifer Morgan, Mutter zweier Kinder, ist seit 2004 bei SAP; im April übernahm sie die Leitung des wichtigen Cloud-Geschäfts, als ruhig und nicht nur zahlenorientiert beschreibt sie sich. In Deutschland ist sie bislang kaum in Erscheinung getreten, international jedoch schon: Das Fortune Magazine hat sie zu einer der einflussreichsten Frauen in der Wirtschaft gekürt, Forbes zählt sie gar zu den 100 einflussreichsten Frauen der Welt. "Eines meiner Ziele wird auch sein, mehr weibliche Führungskräfte bei SAP und auf dieser Welt zu ermöglichen", sagt sie zum Einstand. Und ihr Co-Chef Klein sei ein "fantastischer" Kollege.

Über den ist auch nur Gutes zu hören. Beinahe zwei Jahrzehnte hat der Vater eines Sohnes bei SAP zugebracht, er kommt aus der Gegend, sein Vater ist Landtagsabgeordneter für die CDU. Auch als Vorstand - er verantwortete zuletzt die Echtzeitdatenbank Hana - habe er nicht die Bodenhaftung verloren: "Klein ist ein nahbarer, uneitler Mensch", sagt Betriebsratsmitglied Eberhard Schick. Dass die beiden so überraschend an die Spitze gekommen seien? Das ändere nichts daran, dass es "ein interessantes Duo" sei, sagt Schick, der auch mal gerne scharf kritisiert.

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