Süddeutsche Zeitung

Software:SAP löst Kursbeben aus

Binnen Minuten schrumpft der Börsenwert von SAP um mehr als 30 Milliarden Euro und der Dax bricht ein: Die Geschäfte des Softwareunternehmens laufen nicht so wie erhofft.

Das Softwareunternehmen SAP kappt wegen der Corona-Krise bereits zum zweiten Mal seine Jahresprognose und kann auch seine mittelfristigen Ziele nicht mehr erreichen.

Am Aktienmarkt löste Europas wertvollster Technologiekonzern damit am Montag einen Ausverkauf aus: Die Aktie verlor zum Start ein Fünftel an Wert und rutschte so stark ab wie zuletzt 1999, was den gesamten deutschen Leitindex Dax nach unten zog. Der Börsenwert von SAP schrumpfte binnen Minuten um etwa 31 Milliarden Euro.

Der Walldorfer Konzern will die Krise nun nutzen, um den Wandel zu einem Cloud-Anbieter zu beschleunigen und sich weiter vom traditionellen Softwarelizenzgeschäft zu entfernen. "Wir sind an einem Wendepunkt", sagte SAP-Chef Christian Klein. Wie die US-Rivalen Salesforce, Workday oder Oracle setzt SAP immer stärker auf den Verkauf von flexibleren Web-Abos, die in der Regel monatlich bezahlt werden und nicht einmalig, was Umsätze prognostizierbarer macht.

"Ich opfere den Erfolg unserer Kunden nicht der kurzfristigen Optimierung unserer Marge"

Der Konzern will nach den Worten von Finanzchef Luka Mucic einen dreistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen und sein Angebot an Cloud-Diensten verbessern. Der verstärkte Fokus auf das Cloud-Geschäft wird allerdings die am Aktienmarkt viel beachtete Marge für die kommenden Jahre dämpfen, da das lukrative Geschäft mit Software-Lizenzen schrumpft.

"Ich opfere den Erfolg unserer Kunden nicht der kurzfristigen Optimierung unserer Marge", machte Konzernchef Klein klar. Im Geschäftsbericht 2019 hatte der Konzern noch einen Zuwachs der operativen Marge um jährlich einen Prozentpunkt in Aussicht gestellt.

Obwohl SAP bei den Kunden wegen der Corona-Krise eine schnellere Umstellung auf Software aus der Cloud ausmacht, senkte der Konzern seine Jahresprognose für dieses Geschäft und erwartet nun 2020 maximal noch 8,2 Milliarden Euro an Umsätzen, eine halbe Milliarde weniger als bisher in Aussicht gestellt. Die Analysten der Berenberg Bank nannten eine Prognosesenkung "so spät im Jahr" überraschend.

Dennoch hält Analyst Josh Greenbaum von EAConsult den stärkeren Fokus auf das Cloud-Geschäft für richtig: "Ich glaube, es ist eine gute Zeit, um für den Wandel zur Cloud einen Rückschlag für die Marge hinzunehmen. Die Pandemie rechtfertigt diesen Schritt mit Sicherheit."

Inzwischen geht SAP davon aus, dass sich die Corona-Pandemie "voraussichtlich mindestens bis zur ersten Jahreshälfte 2021" negativ auswirkt. Vor allem größere Projekte würden von den Unternehmen noch genauer geprüft. Demnach könnte das Betriebsergebnis in den kommenden zwei Jahren auch "stagnieren oder etwas geringer" ausfallen.

"Alles in allem eine böse Überraschung"

Im dritten Quartal reichte es noch zu einem Plus von vier Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Im April hatte SAP zum ersten Mal den Ausblick für 2020 gesenkt. Nun rechnet SAP mit einem währungsbereinigten Betriebsergebnis zwischen 8,1 und 8,5 (Vorjahr: 8,2) Milliarden Euro statt der zuvor erwarteten 8,7 Milliarden. Beim Umsatz gehen die Walldorfer nun von 27,2 bis 27,8 (Vorjahr: 27,6) Milliarden Euro aus statt der zuvor prognostizierten 27,8 bis 28,5 Milliarden.

Von Juli bis September hielten sich die Konzernumsätze währungsbereinigt stabil bei 6,54 Milliarden Euro. "Alles in allem eine böse Überraschung", kommentierte ein Händler die Zahlen.

Seit Beginn der Pandemie schränkt SAP wie viele seiner Kunden Ausgaben ein und fährt Investitionen herunter. Finanzvorstand Mucic kündigte an, weiter auf Einsparungen zu setzen - vor allem bei Reisen, aber auch Einstellungen. Dies macht sich positiv beim Geldfluss bemerkbar, weswegen SAP nun 2020 mit einem Free Cashflow von 4,5 Milliarden Euro rechnet statt bisher 4,0 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr lag dieser Wert unter anderem wegen Einmalausgaben für das Restrukturierungsprogramm bei 2,3 Milliarden Euro.

All die Veränderungen sollen sich spätestens von 2023 an auszahlen und zu einem beschleunigten Umsatzwachstum und einem zweistelligen Anstieg des Betriebsergebnisses führen. Während SAP den Zielen für 2023 den Rücken kehrt, wurden neue für 2025 aufgestellt. Dann sollen mehr als 36 Milliarden Euro erlöst und ein Betriebsergebnis von mehr als 11,5 Milliarden Euro erzielt werden.

Das Traditionsgeschäft mit Softwarelizenzen soll dann nur noch eine untergeordnete Rolle spielen und der Anteil des Cloud-Geschäfts bei etwa 85 Prozent liegen. Dazu soll auch die Kundenmanagement-Plattform Qualtrics ihren Beitrag leisten, für die ein Börsengang geplant ist. Die Vorbereitungen für das Aktienmarktdebüt der Tochter in den USA seien weit fortgeschritten, sagte Mucic.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5094101
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/Reuters
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.