Sanktionen gegen Oligarchen:Zaudern in Russlands Geldbunker London

Kampf gegen Geldwäsche in Großbritannien: Innenministerin Priti Patel hat einen Gesetzentwurf gegen Wirtschaftskriminalität vorgelegt

Kampf gegen Geldwäsche: Innenministerin Priti Patel hat einen Gesetzentwurf gegen Wirtschaftskriminalität vorgelegt.

(Foto: UK Parliament/Jessica Taylor/Reuters)

Während EU und USA rasch Sanktionen gegen russische Oligarchen verhängen, zögert Großbritannien. Der Druck auf die Regierung steigt.

Von Alexander Mühlauer, London

Da ist zum Beispiel Igor Schuwalow. Sein Name steht seit einer Woche auf der Sanktionsliste der EU. Begründung: Der ehemalige russische Vizepremier "unterstützt Handlungen und politische Maßnahmen, die die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben". Auch die USA haben Sanktionen gegen Schuwalow verhängt, er gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Soweit, so klar. Nur in Großbritannien hatte Schuwalow zunächst nichts zu befürchten. Erst am Donnerstagabend wurde sein Name auf die Sanktionsliste gesetzt. Bleibt die Frage: Warum dauerte das so lange?

Auf der Suche nach Antworten beginnt man am besten im House of Commons. Dort, im britischen Unterhaus, wollte in dieser Woche Keir Starmer von der Labour Party wissen, wie das sein kann. Der Oppositionsführer fragte Premierminister Boris Johnson am Mittwoch ganz direkt, warum Schuwalows Name nicht auf der Sanktionsliste der britischen Regierung auftauche. Der Putin-Vertraute habe schließlich zwei Wohnungen in London, und zwar im Wert von mehr als elf Millionen Pfund, sagte Starmer. Johnson ging nicht weiter darauf ein, er sagte nur, dass die Regierung gewillt sei, jede Person und jede Firma, die in Verbindung zu Putin stehe, zu sanktionieren - über einzelne Fälle werde er aber nichts sagen.

In diesem Stil verläuft die britische Debatte seit Russland die Ukraine angegriffen hat. Im Fall von Oligarchen kündigte Johnson zunächst ein entschlossenes Vorgehen an. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache: Am Donnerstagabend standen auf der britischen Sanktionsliste die Namen von elf Russen. Auf jener der Europäischen Union finden sich mittlerweile mehr als 25. Kein Wunder, dass der Druck auf Johnson steigt, die Maßnahmen auszuweiten.

Die neueste Idee: Luxus-Immobilien beschlagnahmen und darin Menschen unterbringen, die aus der Ukraine flüchten

Im Grunde hätte der Premier nur eine Runde mit seinem Hund Dilyn Gassi gehen müssen, um sich einen Eindruck von Schuwalows Spuren in London zu verschaffen. Von Johnsons Amtssitz in der Downing Street sind es nicht einmal zehn Minuten zu Fuß zum Whitehall Court. Dort, in einem imposanten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, soll sich Schuwalows Luxusapartment befinden. Zu diesem Schluss kamen jedenfalls Rechercheure, die für den inhaftierten russischen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny arbeiten. Die Wohnung soll demnach dem russischen Ex-Premier und dessen Frau Olga gehören. Im britischen Grundbuch findet sich dazu allerdings nichts. Im sogenannten Land Registry ist eine Firma als Eigentümer eingetragen, die eine Adresse in Moskau hat: Sova Real Estate LLC. Laut Nawalnys Mitarbeitern steht diese in Verbindung mit Schuwalow.

Das ehemalige russische Regierungsmitglied wäre jedenfalls bei Weitem nicht der einzige, der ein gewaltiges Vermögen in London besitzt. Nirgendwo in Westeuropa wird wohl mehr russisches Geld gebunkert als an der Themse. Die britische Hauptstadt wird deshalb nicht ganz zu Unrecht Londongrad genannt.

Man kann davon ausgehen, dass Johnson dieses Image als Ex-Bürgermeister der Kapitale durchaus bewusst ist. Und so hat er seine Ministerriege angewiesen, Vorschläge zu unterbreiten, die der Öffentlichkeit zeigen sollen, dass er es ernst meint mit dem Kampf gegen "schmutziges russisches Geld". Außenministerin Liz Truss hat daraufhin angekündigt, eine "hit list" mit Oligarchen zu erstellen. Verkehrsminister Grant Shapps hat verfügt, dass alle britischen Häfen für russische Schiffe gesperrt werden. Und Wohnungsbauminister Michael Gove hat vorgeschlagen, die Immobilien sanktionierter Russen zu beschlagnahmen und darin Menschen unterzubringen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Experten bezweifeln jedoch, ob das rechtlich möglich ist.

Ziemlich konkret ist hingegen ein Vorhaben von Innenministerin Priti Patel. Sie stellte in dieser Woche einen Gesetzentwurf gegen Wirtschaftskriminalität (Economic Crime Bill) vor. Die Regierung will ein Register einführen, das die "wirtschaftlich Berechtigten" von Grundstücken und Immobilien ausweist. Anonyme ausländische Eigentümer wären damit zur Offenlegung ihrer Identität verpflichtet. Die Regierung will so verhindern, dass Menschen ihren Besitz hinter Briefkastenfirmen verstecken, die mittels Offshore-Konstrukten in Steuerparadiesen registriert sind.

Labour-Chef Starmer will das Vorhaben der Regierung unterstützen. Er kritisierte allerdings, dass die neuen Regeln erst anderthalb Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes in Kraft treten würden. Und so fragte er Johnson: "Warum geben wir Putins Kumpanen 18 Monate Zeit, um ihr Geld in aller Ruhe aus dem britischen Immobilienmarkt herauszuziehen und in einem anderen sicheren Hafen zu waschen?"

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