Sanierungspläne für Airbus:Villepin bestätigt Abbau von 10.000 Stellen

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Die Befürchtung der Gewerkschaften ist Gewissheit geworden: Beim angeschlagenen Flugzeugbauer werden massiv Jobs abgebaut - nach dem Willen von Frankreichs Premier nicht nur in seinem Land.

Dominique de Villepin wählte für seine schlechte Botschaft das Medium Radio aus: Im Sender RTL sprach Frankreichs Regierungschef über den kommenden Arbeitsplatzschwund bei Flugzeugbauer Airbus: "10.000 Stellen, das sieht der Plan vor", sagte de Villepin. Ein Abbau in dieser Größenordnung im Rahmen des Sparplans war zuvor bereits von Gewerkschaften befürchtet worden.

Der französische Premierminister Dominique de Villepin äußert sich zur Airbus-Sanierung. (Foto: Foto: dpa)

Villepin sagte zu dem Sanierungsplan des Flugzeugbauers, er habe sich Airbus-Chef Louis Gallois gegenüber aber gegen reine Entlassungen bei Airbus gewandt. Er sprach sich zugleich für eine faire Belastung der Länder bei den Stellenstreichungen aus.

Der französische Premierminister sagte, er habe über die Probleme bei Airbus mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen.

Chirac und Merkel erörtern Airbuskrise

De Villepin kündigte darüber hinaus an, dass Präsident Jacques Chirac und Bundeskanzlerin Angela Merkel die Airbus-Krise bei einem Treffen am Freitag auf Schloß Meseberg bei Berlin erörtern wollten.

"Das ist eine Frage, die wir auf höchster Ebene angehen wollen", fügte Villepin an.

Währenddessen berichtete die Financial Times Deutschland, dass das am Vortag verschobene Sanierungsprogramm für Airbus wegen eines Streits zwischen DaimlerChrysler und dem französischen Staat blockiert worden sei.

Der deutsche Großaktionär sehe die Gefahr, dass Frankreich die Rumpfproduktion des geplanten Langstreckenjets A350 zu großen Teilen an sich ziehe, schreibt die Financial Times Deutschland ohne nähere Angabe von Quellen.

Zweifel an den Sparzielen

Außerdem gebe es Zweifel an den angepeilten Sparzielen. Daher habe der Autokonzern, der seine Beteiligung an der Airbus-Muttergesellschaft EADS auf 15 Prozent zurückfährt, dem "Power 8" genannten Programm die Zustimmung verweigert.

An den deutschen Airbus-Standorten gibt es große Befürchtungen vor Arbeitsplatzverlusten durch das bevorstehende Sparprogramm.

Führende Politiker aus den Bundesländern mit Airbus-Standorten sowie die Arbeitnehmervertreter forderten den Erhalt aller deutschen Standorte. EADS hatte am Montag überraschend die für Dienstag geplante Bekanntgabe des Restrukturierungsprogramms ausgesetzt.

Weitere Beratungen über Arbeitsaufteilung für den A350

Begründet wurde die Aussetzung mit der Notwendigkeit weiterer Beratungen über die Arbeitsaufteilung für den A350. Der französische Premierminister Dominique de Villepin bestätigte am Dienstag aber bereits den beabsichtigten Abbau von 10.000 Stellen bei Airbus.

Auf Seiten der Franzosen rege sich aber auch Unmut gegen DaimlerChrysler, da hinter dem Unternehmen die Bundesregierung vermutet werde, berichtet die Zeitung weiter.

Das große Schweigen in Frankreich

Mit den Aussagen Villepins brach die französische Politik ihr bisheriges Schweigen zu den Auseinandersetzungen bei Airbus. Gerade Villepin gilt als starker Vertreter der Industrieinteressen seines Landes. Der Gegensatz könnte größer nicht sein: Während in Deutschland aufgeregte Politiker und Medien täglich mit neuen Meldungen und Meinungen zum angeblich drohenden Kahlschlag bei Airbus aufwarten, herrscht in Frankreich das große Schweigen.

Dabei tobt dort gerade der Präsidentenwahlkampf und die Parteien rüsten sich zur Parlamentswahl. Doch zu Airbus: Funkstille. Kein medienwirksamer Druck auf den Airbus-Mutterkonzern EADS, keine Drohung mit Auftragsentzug, kein demonstratives Bekenntnis zu Standorten.

Die Zurückhaltung der Franzosen überrascht umso mehr, als Bundes- und Landesregierungen sowie Gewerkschaften in Deutschland unisono mahnen, das "Gleichgewicht" mit Frankreich im Konzern zu wahren.

Warnungen aus Niedersachsen

Der niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche warnte gar, die Franzosen könnten "gerade im Vorfeld der Präsidentenwahl" versuchen, Produktion von Deutschland nach Frankreich zu ziehen.

Die Deutschen hätten wohl Angst, von den Franzosen über den Tisch gezogen zu werden, heißt es in Konzernkreisen. Vor allem der Versuch des damaligen Airbus-Chefs Noël Forgeard, alleine bei EADS das Steuer zu übernehmen, und die Predigten des "Industriepatriotismus" von Premierminister Dominique de Villepin haben Spuren hinterlassen.

Wenn jetzt die Parier Regierung zu Airbus schweigt und erklärt, sie vertraue auf das EADS-Management, weckt das Misstrauen.

Doch Forgeard scheiterte am Widerstand nicht nur der deutschen Seite, sondern auch des französischen EADS-Großaktionärs Lagardère.

Ohnmacht der Pariser Regierung

Und von "Industriepatriotismus" redet man in Frankreich derzeit nur noch im ironischen Ton, um sich über die Ohnmacht der Regierung zu mokieren.

So steht die von Villepin großartig angekündigte Fusion von Gaz de France (GDF) mit Suez in den Sternen, weil sich private Aktionäre quer legten. Selbst die Fusion zweier Staatskonzerne wie GDF und EDF ist unmöglich, weil Brüssel dagegen ist.

Und bei Airbus muss der Staat oft genug Lagardère bearbeiten, um Einfluss zu nehmen - wie Deutschland dies seit jeher informell über DaimlerChrysler tut.

Personalpolitik

"Die Franzosen sind in der Personalpolitik besser, doch die Deutschen ziehen mehr Wertschöpfung an Land", sagt ein Insider.

So haben bei der Managementreform nach dem A380-Kabeldesaster im Hamburger Airbus-Werk die Franzosen Positionen "hinzuerobert". Wenn Airbus heute in Paris zur Pressekonferenz lädt, sitzen neben Airbus-Chef Louis Gallois nur noch Franzosen und Angelsachsen auf dem Podium.

Und Gallois ist niemandem im EADS-Konzern Rechenschaft schuldig: Er ist in Personalunion Co-Chef des Mutterkonzerns.

Erfahrungen der Franzosen

Bei der Produktion haben über die Jahre aber vor allem die Deutschen profitiert. Hätten die Franzosen nicht ihre Erfahrungen mit der Caravelle und dem Überschalljet Concorde in die Ehe gebracht, gäbe es heute wohl keinen nennenswerten Verkehrsflugzeugbau in Deutschland. Auch die ersten Airbusse wurden in Toulouse entwickelt.

Der Bau des A380 wurde von Forgeard gegen die skeptischen Deutschen durchgesetzt. Dennoch wurde die Endfertigung der A380 auf Deutschland und Frankreich verteilt, obwohl alle vorherigen Großflugzeuge in Toulouse montiert wurden.

Die Deutschen fürchten, das französische Management könne in Deutschland sparen. Echten Stellenabbau sieht das Sanierungsprogramm "Power8" aber vor allem in der Verwaltung vor. Und die Zentrale mit knapp 5000 Stellen ist in Toulouse. Bei den Werken geht es darum, ob die Fertigung in Eigenregie betrieben oder an Partner abgegeben wird.

Geräuschlos ins Ausland

Dabei können Arbeitsplätze auch ausgegliedert werden, ohne verloren zu gehen. Allerdings fürchten französische Gewerkschafter, dass solche Partner die Fertigung später geräuschlos ins Ausland verlagern könnten. Die CGT warnt vor einer "gigantischen transnationalen Umorganisation, wie sie schon von der Autoindustrie umgesetzt wurde".

Genau das ist geplant: eine transnationale Umorganisation. Und das geht nicht von heute auf morgen. So könnten bei künftigen Modellen die Spanier - nicht die Franzosen - Rumpfteile fertigen, die bisher aus Deutschland kamen, weil ihre neue Kohlefasertechnik der deutschen Aluminium-Lithium-Technik überlegen ist.

Beim Abbau der Doppelung in der Fertigung spricht das Management von einem "Horizont von zehn Jahren". Die endgültige Entscheidung darüber liegt nicht bei Gallois, sondern bei den deutschen, französischen und spanischen EADS- Haupteigentümern, die in einem Aktionärspakt verbunden sind.

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