Sanierung von Karstadt:Bangen ohne Ende

Karstadt

Wie geht es mit Karstadt weiter? Der Aufsichtsrat wird sich etwas Zeit lassen, um über die Zukunft des Warenhauses zu entscheiden.

(Foto: dpa)

Wird Karstadt radikal saniert? Werden Häuser geschlossen? Nach der Übernahme durch René Benko fürchten die Mitarbeiter um ihre Jobs. Wie es weitergeht, könnte sich in Grundzügen bereits heute entscheiden.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf, und Max Hägler, Stuttgart

Ordentlich aufgereiht hängen in vielen Hinterzimmern bei Karstadt bedruckte Zettel. Zu lesen ist darauf, was bei Karstadt allein seit Anfang Juli geschah: Drei Rücktritte in der Chefetage, zwei verschobene Aufsichtsratssitzungen und ein Eigentümerwechsel. Wer in diesen Tagen auf ein Schwarzes Brett in den Sozialräumen schaut, bekommt einen Eindruck davon, was die 17 000 Beschäftigten zuletzt durchgemacht haben.

Wie es weitergeht, könnte sich an diesem Donnerstag entscheiden. Dann tagt zum ersten Mal der Aufsichtsrat, seit der Immobilieninvestor René Benko neuer Eigentümer der Warenhauskette ist. Plant seine Signa-Holding eine radikale Sanierung, verbunden mit der Schließung von vielen Häusern? Wird er einen Investitionsplan vorlegen, um die besten Kaufhäuser zu Einkaufszentren umzubauen?

Verdi erwartet, dass durchaus Häuser geschlossen werden

Wie aus informierten Kreisen verlautet, soll am Donnerstag ein Sanierungskonzept für Karstadt vorgestellt werden, zumindest in groben Zügen. Vorgelegt wird es vom letzten verblieben hochrangigen Manager Miguel Müllenbach: Nachdem Eva-Lotta Sjöstedt Anfang Juli abrupt abgetreten war, ist von der dreiköpfigen Führungsspitze nur noch er übrig.

Wer als neuer Karstadt-Chef an seine Seite kommt, wird aber wohl noch nicht bekannt gegeben, genauso wenig wie ein konkreter Schließungsplan. "Die von uns berufenen neuen Aufsichtsrate sind doch nicht wahnsinnig und treffen gleich bei der ersten Sitzung weitreichende Entscheidungen", heißt es von Eigentümerseite. Es sei nicht die Art der Signa Holding, etwas in drei Stunden zu entscheiden, worüber man Wochen nachdenken müsse: "Wir arbeiten gewissenhaft, vielleicht erlebt Karstadt dies erstmals seit 20 Jahren". In der darauffolgenden Sitzung werde man Entscheidungen treffen und vielleicht auch einen neuen Chef berufen.

Bei der Gewerkschaft Verdi erwartet man zwar, dass letztlich Entscheidungen getroffen werden, die "die Nerven strapazieren" - also durchaus die Schließung mancher Häuser. Aber: Es sei bislang mehr "Ernsthaftigkeit" zu erkennen, als bei den vergangenen Eigentümern. Man hoffe auf offene Diskussionen, wie schlecht laufende Standorte etwa mit Hilfe der Karstadt-Mitarbeiter und der Kundenwünsche neu ausgerichtet werden könnten.

Im Falle einer Insolvenz hätten Benko Mietausfälle gedroht

Mit anderen Worten: Das Bangen hat kein Ende nach diesem Donnerstag. "Die Situation hat sich für uns durch den Einstieg Benkos bisher nicht entscheidend verändert", sagt ein Arbeitnehmervertreter. Viele stellten sich nach wie vor die Frage, warum Benko Karstadt übernommen hat.

"Weil er ein Unternehmer und kein Unterlasser wie der vorherige Eigentümer Nicolas Berggruen ist", heißt es aus Benkos Umfeld. Die Chance auf ein Geschäft als einzige Motivation für den Österreicher? Auch der Blick in die Insolvenzordnung könnte die Übernahme veranlasst haben. Zwar droht zurzeit keine Insolvenz. Die wirtschaftliche Lage ist aber angespannt, Wirtschaftsprüfer haben jüngst darauf hingewiesen, dass Risiken bestehen. Und nicht umsonst bot Benko zuletzt den Warenkreditversicherern 150 Millionen Euro, um das Weihnachtsgeschäft abzusichern.

Zu tief sei der Österreicher schon bei Karstadt verstrickt, als dass er hätte abwinken können, meinen Insider. Immerhin gehörten Benko ja schon 75,1 Prozent der Sport- und Luxuswarenhäuser. Hinzu kommen mehr als 15 Karstadt-Kaufhäuser in Städten wie Köln oder Nürnberg, die an Benko Miete zahlen.

Hochgerechnete Mieteinnahmen: fast eine Milliarde Euro

Im Falle einer Insolvenz hätten Benko Mietausfälle gedroht, denn ein Insolvenzverwalter könnte die Mietverträge kündigen: "Die Kündigungsfrist liegt bei drei Monaten zum Monatsende - egal, was im Mietvertrag steht", erläutert Gerrit Hölzle, Insolvenzspezialist der Kanzlei Görg, ohne sich explizit zu Karstadt zu äußern.

Kündigungen hätten Benko hart getroffen, das sagt sein Umfeld auch recht offen. Allein in den Luxuskaufhäusern setzte der Österreicher laut Insidern Mieterhöhungen für die ersten fünf Jahre von insgesamt mehr als 20 Millionen Euro durch. Zudem soll er die Laufzeiten der Verträge in seinen Karstadt-Häusern auf zum Teil 30 Jahre verlängert haben. Addiert man die Mieten und rechnet sie auf die neuen Laufzeiten hoch, würden sich daraus Einnahmen von fast einer Milliarde Euro ergeben. Die wären dann wohl verloren gewesen.

Damit nicht genug: Ein Insolvenzverwalter würde sich zudem alle Geschäfte anschauen, die ein Anteilseigner in den vergangenen zwei Jahren abgeschlossen hat. "Wenn der Insolvenzverwalter zu dem Ergebnis kommt, dass die Vermögenssituation für das insolvente Unternehmen ohne eines dieser Geschäfte besser wäre, wird es rückgängig gemacht", sagt Hölzle. Der Anteilseigner bekäme aber nicht sein Geld zurück, sondern der Erlös käme allen Gläubigern zugute. Nur ein Bruchteil seines finanziellen Einsatzes würde Benkos Signa dann noch zustehen. An einem solchen Szenario kann ihm kaum gelegen sein.

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