Die avancierteren Tech-Konferenzen und -Shows unserer Tage bieten ihren Teilnehmern, Evangelisten und Besuchern ja immer auch so etwas wie das technologische Äquivalent zur Hüpfburg für die Pausenentspannung an. Den Genuss von Mousse au Chocolat im Glas versüßen die Veranstalter dann etwa mit Gesichtserkennungs-Installationen, die jeden einzelnen Teilnehmer auch in größeren Pulks erfassen, ihn mit einer Identifikationsnummer versehen, Geschlecht und Alter bestimmen, meistens treffsicher, und ihn hernach identifizieren, wo immer er auftaucht. Das ist meistens ein Spaß, man entkommt der automatisierten Erkennung ja selbst bei vorgeklemmtem Beef Tatar mit Buttertoast nicht, ein Spaß auch deshalb, weil den Teilnehmern ja sowieso meist eine Hundemarke aus Plastik mit ihrem Namen um den Hals baumelt.
Im wirklichen Leben sind automatisierte Gesichtserkennung und Individual-Erfassung allerdings kein so großer Spaß. Man muss gar nicht paranoid sein, um die Vorstellung, dass irgendjemand überwacht, wo Menschen sich aufhalten, mit wem sie reden und was sie tun, für ultimative Überwachung und das Ende der freiheitlichen Gesellschaft zu halten. Zumal meist nicht geklärt ist, wer die Information sammelt, wer sie einsieht, wer zu welchem Zweck darüber verfügt und wie lange die Überwachungsdaten gespeichert werden.
Gesichtserkennung und Überwachung:Das Problem mit den Falsch-Positiven
Zunehmend setzt die Polizei Software ein, um Verdächtige zu finden. Dabei geraten viele Unschuldige ins Visier der Ermittler. Schuld ist die Mathematik.
Dieses in die Realität unserer Städte hineindrängende Szenario bildet den Hintergrund für zwei erstaunliche Meldungen. Die erste kommt aus San Francisco. Die Stadt, die sich lange als Vorreiter der technologischen Revolution begriff, hat die Verwendung von Gesichtserkennungssoftware durch Polizei und Behörden in ihrem Stadtgebiet gerade verboten. "Wir tragen deshalb so große Verantwortung, die Exzesse dieser Technologie zu regulieren, weil wir so viele ihrer Firmensitze in der Stadt haben", sagt dazu der oberste Rat und Chefaufseher der Stadt, Aaron Peskin.
San Francisco verbietet, was London nutzt
Die zweite Meldung kommt aus Europa. In East London hat die Polizei versuchsweise ein intelligentes Gesichtserkennungssystem installiert, um alle Passanten mit ihren Fahndungslisten abzugleichen. Auch hier ist die gescannte Bevölkerung nicht nur froh darüber. Als ein Mann den Kragen seiner Anzugjacke auf eine Weise hochschlug, dass er für die Systeme nicht mehr identifizierbar war, nahmen ihn Polizeibeamte fest, und er wurde erkennungsdienstlich behandelt.
Ein Video dieser Aktion wird von der BBC verbreitet, ein Polizist darin befragt, was der festgehaltene Mann denn getan habe. Die Antwort: "Er hat sich maskiert, das machte ihn verdächtig und gab Grund, ihn zu stoppen." Dieser Mann erhielt dann eine Strafe von 90 Pfund wegen "ungebührlichen Verhaltens"; er hatte "Fuck off!" zu den Beamten gesagt. Es kam, dank der intelligenten Gesichtserkennung, an diesem Tag noch zu drei Verhaftungen von Kriminellen.