Samsung:Zwölf Jahre Knast

Views Of Samsung Group Buildings As Heir Jay Y. Lee Is Arrested on Bribery Allegations

Plakate vor der Unternehmenszentrale von Samsung zeigen den Vizechef des Konzerns.

(Foto: Seong Joon Cho/Bloomberg)

Die Staatsanwaltschaft fordert eine lange Haftstrafe für den Samsung-Vizechef. Ihm werden Bestechung, Unterschlagung und Meineid vorgeworfen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Im Strafprozess gegen Lee Jae-yong, Vizechef des Samsung-Konzerns, hat die Anklage am Montag zwölf Jahre Haft beantragt. Sie wirft dem 49-Jährigen schwere Bestechung, Unterschlagung, schwarze Kassen im Ausland und Meineid vor. Lee soll der abgesetzten Staatspräsidentin Park Geun-hye 43,3 Milliarden Won, 32,5 Millionen Euro, für ihre Freundin Choi Soon-sil versprochen oder angeboten haben. Als Gegenleistung habe ihm die Ex-Präsidentin geholfen, seine Macht über den Familienkonzern durch die Fusion zweier Tochterfirmen der Samsung-Gruppe zu sichern. Gegen Park läuft ebenfalls ein Prozess. Sie soll Südkoreas staatlichen Rentenfonds angewiesen haben, die Fusion zu unterstützen, obwohl das koreanische Volk damit viel Geld verloren hat.

Sonderstaatsanwalt Park Young-soo sagte in seinem Plädoyer, er habe während der Ermittlungen den Eindruck gewonnen, dass Südkoreas "Top-Firma", die 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschafte, nur für ihren Chef existiere. Das Vermögen von Lee wird auf sieben Milliarden Euro geschätzt. Lee leitete zunächst Samsung-Electronics, die größte Einzelfirma der Gruppe von etwa 60 Samsung-Firmen. Sein Vater Lee Kun-hee erlitt im Mai 2014 einen schweren Herzinfarkt. Seither führt der Sohn den ganzen Chaebol, wie die Koreaner ihre Familienkonzerne nennen. Nach hartnäckigen Gerüchten soll der alte Lee seither im Koma liegen, das Unternehmen hat das jedoch nie bestätigt.

Samsung Electronics eilt auch ohne seinen Chef von Erfolg zu Erfolg

Nach Lees Verhaftung warnten viele Experten, ohne den Chef sei Samsung Electronics führungslos. Das Management werde es nicht wagen, Lee zu ersetzen, sondern nur einen Platzhalter bestellen. Doch Samsung Electronics eilt auch ohne seinen Chef, der seit mehr als sechs Monaten in Untersuchungshaft sitzt, von Erfolg zu Erfolg. Im zweiten Quartal 2017 stieg der Unternehmensgewinn um 73 Prozent auf 14,1 Billionen Won, 10,6 Milliarden Euro. So viel Gewinn hat noch nie eine koreanische Firma gemacht.

Lee Jae-yong hat sich, seit er 2009 die operative Leitung von Samsung Electronics übernahm, um einen Abbau der Bürokratie und um flachere Hierarchien bemüht. Er führte den Konzern locker und informell. Er löste das strikte Senioritätsprinzip auf und beförderte stattdessen jüngere Leute für ihre Leistungen. Die Business-Jets des Unternehmens verkaufte er und reiste selber mit Linienflügen. Manche Beobachter hielten das für Kosmetik. Zumal sich nicht nur die Besitzer-Familien, sondern auch die Belegschaften, vor allem der Mittelbau, mancher Chaebols gegen eine Reform der steilen Hierarchien wehrten. KT, die einstige staatliche Telefongesellschaft, selber Teil eines Chaebols, stellte 2014 nach fünf Jahren verflachter Strukturen die alte Hierarchie mit fünf Rangstufen wieder her. Das sei effizienter, und die Belegschaft ziehe es vor.

Die Krise um das Smartphone Note-7 vorigen Herbst, dessen Batterie sich in einigen Fällen spontan entzündete, schien zu belegen, dass sich bei Samsung wenig geändert hat. Oder das Unternehmen fiel in der Krise in alte Muster zurück. Die Bosse hörten nicht auf ihre Ingenieure, sondern meinten bald, die Ursache der Explosionen gefunden zu haben. Einige Kader bestätigten sie, weil man Vorgesetzten nicht widerspricht. Bis einige Austauschgeräte Feuer fingen. Erst das provozierte den radikalen Umbau der internen Abläufe und der Qualitätskontrolle, den sich Samsung im vergangenen Winter verschrieb.

Jetzt funktioniert Samsung-Electronics ohne Lee so gut wie mit ihm. Und sollte er nach einer möglicherweise langen Gefängnisstrafe nicht ans Ruder zurückkehren, so dürfte er doch für sich in Anspruch nehmen, seine Firma für eine Zukunft ohne allmächtigen Chef fit gemacht zu haben.

"Wie dumm ich auch sein mag, ich bin nicht so dumm, dass ich die Präsidentin darum gebeten hätte, den nationalen Rentenfonds und damit die Ersparnisse der gewöhnlichen Koreaner zu schädigen", sagte Lee in seiner Schlusserklärung unter Tränen und betonte in diesem Anklagepunkt seine Unschuld. Er habe Park nie um einen Gefallen gebeten, die Fusion sei gar nicht von ihm initiiert worden. Seine Verteidiger betonten, Samsung hätte keinen Grund gehabt, Lee die Macht zu sichern, da niemand seine Führungsrolle angezweifelt habe. Die Zahlungen an Parks Freundin Choi hat Lee hingegen zugegeben. Aber er behauptet, Park und Choi hätten ihn dazu gezwungen. Das Geld floss in die Dressurreiter-Karriere von Chois Tochter. Choi kaufte der heute 21-Jährigen dafür ein Pferd und ein Hotel in der Eifel.

Choi wurde im Juni zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie ihre Freundschaft zu Park nützte, um der Tochter einen Studienplatz und gute Noten zu erschleichen. Ein Prozess wegen Bestechung und Amtsanmaßung steht ihr noch bevor. Parks Prozess soll bis Oktober dauern. Das Urteil gegen Lee wird am 25. August verkündet.

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