Samsung-Smartwatch Galaxy Gear:Fingerstreich am Handgelenk

Alles, was ein Smartphone eben so kann - und das in Form einer Armbanduhr. Der Handy-Hersteller Samsung stellt in Berlin die Smartwatch Galaxy Gear vor. Doch die aufwendige Präsentation täuscht kaum darüber hinweg, dass die Südkoreaner auf dem Markt für smarte Geräte am Handgelenk keineswegs allein sind.

Von Varinia Bernau, Berlin

JK Shin ist kein guter Schauspieler. Muss er auch nicht sein. Der Mann verantwortet die Mobilfunksparte bei Samsung - und deshalb bekommt er selbst jetzt Applaus, da er reichlich unbeholfen auf der Bühne des Tempodroms scherzt. Während er noch die Vorzüge eines weiteren Smartphones aus dem Hause Samsung anpreist, piepst es plötzlich. "Oh, ich habe gerade eine Nachricht auf meiner Uhr erhalten." Geraune im Saal.

Vor genau einem Jahr hatte Samsung, ebenfalls zum Auftakt der Internationalen Funkausstellung (Ifa), zu einer geheimnisvollen Veranstaltung ins Berliner Tempodrom geladen. Es sollte, das ließ sich erahnen, um ein neues Smartphone gehen. Dummerweise eine Woche, bevor Nokia sein neuestes Modell zeigen wollte. Die Finnen schickten also ein paar Marketing-Guerilleros in den Saal, die Plakate im eigenen Design emporreckten - und die Journalisten zu ihrer eigenen Präsentation einluden. Von den Koreanern, so die Botschaft, ließ sich Nokia nicht die Schau stehlen.

Seitdem ist einiges passiert. Die Finnen mussten den Titel des größten Handyherstellers abtreten. Schlimmer noch: Der einst so mächtige Konzern wird bald nur noch eine Abteilung von Microsoft sein. Und Samsung? Die Koreaner, inzwischen die unangefochtene Nummer eins unter den Handyherstellern, machen sich bereits daran, die Welt mit der nächsten Generation von Gadgets in Begeisterung zu versetzen. Eine Armbanduhr namens Galaxy Gear, die einen darauf hinweist, dass gerade jemand anruft.

Samsung-Vorstand JK Shin zeigt die Smartwatch Galaxy Gear.

Kein guter Schauspieler: JK Shin

(Foto: REUTERS)

Schneller als Nokia, schneller als Apple

Samsung war damit wieder einmal schneller als Nokia, was in der Welt der Technik ohnehin nicht mehr viel gilt. Der koreanische Konzern war auch schneller als Apple. Der Konzern aus Cupertino tüftelt ebenfalls an einer vernetzten Uhr und hat für nächsten Dienstag zu einer Vorstellung geladen. Doch es sieht ganz so aus, als ob es dort nur ein billigeres iPhone zu sehen geben wird - und noch keine iWatch.

Der Bildschirm der Galaxy Gear ist zwar zu klein, um darauf etwa einen Text einzugeben. Und biegsam ist er auch nicht. Dafür lässt sich darauf ebenso hin und her wischen wie auf einem Smartphone oder einem Tablet. Per Fingerstreich zur Seite lässt sich aus den verschiedenen Funktionen auswählen. Per Fingerstreich nach unten lässt sich ein Foto knipsen. Eine kleine Kamera steckt im Armband der Galaxy Gear, die es in sechs verschiedenen Farben gibt. Zum Lesen von E-Mails kann man auch aufs Smartphone wechseln. Ein Funkchip stellt die Verbindung her. Telefonieren geht aber auch so - vorausgesetzt man kommt sich nicht dämlich vor, wie Michael Knight die Armbanduhr ans Ohr zu halten und drauf los zu plappern. Auch nach dem Wetter kann man sich bei der Galaxy Gear mündlich erkundigen. Ende des Monats soll das Ding auch in Deutschland zu haben sein.

Alles möglich, was man bisher mit seinem Smartphone macht

Ist die vernetzte Armbanduhr nun also nach den Smartphones und den Tablets das nächste große Ding in der Welt der mobilen Geräte, die zum Helfer in allen Lebenslagen werden? Glaubt man dem Branchenverband Bitkom, so kann Samsung allein in Deutschland auf elf Millionen mögliche Kunden hoffen. Mehr als jeder siebte Bundesbürger will auf jeden Fall eine Smartwatch am Handgelenk tragen, wie aus einer vom Bitkom beauftragen Umfrage hervorgeht. Unter den 14- bis 29-Jährigen ist es sogar jeder Vierte. Nun ist der Bitkom in dieser Frage kein unabhängiger Beobachter. Denn in dem Verband sind viele Unternehmen, die ihr Geschäft mit Diensten für das mobile Internet machen - und die hoffen, dass sich um die Armbanduhr eine ähnliche App-Economy entwickelt wie einst um Smartphones und Tablets.

Die Galaxy Gear wird auch auf dem von Google entwickelten Betriebssystem Android laufen. Damit ist all das, was man bisher mit seinem Smartphone macht, auch mit der Uhr möglich: Apps, die einem den Weg weisen, verraten, wie der Aktienkurs steht oder an einen Termin erinnern. Es werden aber auch neue Szenarien möglich. Sensoren sollen helfen, aus der Uhr einen virtuellen Fitnesstrainer zu machen. Sie können auch nachts den Schlaf überwachen. Laut der Bitkom-Befragung wünschen sich die Deutschen, dass eine smarte Armbanduhr die zurückgelegte Strecke beim Joggen misst - oder den Blutdruck, um bei Bedarf automatisch den Arzt zu informieren. Zudem würden viele sie gern als Navigationsgerät einsetzen, damit die Musik wählen und sich SMS oder E-Mails darauf anzeigen lassen.

Auch die Konkurrenz plant smarte Armbanduhren

25 Milliarden Dollar wurden im vergangenen Jahr weltweit für Apps ausgegeben. Wenn die kleinen Programme in Zukunft noch auf einem weiteren Gerät laufen, ist vielleicht noch etwas mehr drin. Auch andere haben das Geschäft rund um die smarte Armbanduhr bereits entdeckt: Google hat sich kürzlich den Smartwatch-Spezialisten Wimm gesichert. Kleinere europäische Firmen wie das italienische Unternehmen I'm Watch und der französische Anbieter Vea Digital, aber auch japanische Konzerne setzen auf den Trend. Toshiba hat zu Jahresbeginn einen Prototyp vorgestellt, der seinen Besitzer am Pulsschlag erkennen soll - und automatisch runterfährt, wenn sich jemand anderes die smarte Uhr krallt. Sony brachte seine Smart Watch im vergangenen Jahr in die deutschen Läden. Und auf der Internetplattform Kickstarter, wo Erfinder ihre Ideen zeigen und Geldgeber suchen, hat beispielsweise Pebble kürzlich so viel Unterstützung gefunden wie kaum ein anderes Projekt. Zehn Millionen Dollar kamen dort für die Uhr mit Anbindung ans Smartphone zusammen.

Aber es gibt eben auch Unternehmen, die es schon einmal versucht und dann doch wieder gelassen haben mit einer solchen smarten Armbanduhr. Microsoft zum Beispiel. Ausgerechnet. Jener Konzern, der sich nun für 5,4 Milliarden Euro Nokias Mobilfunksparte geschnappt hat. Microsoft brachte bereits 2004 gemeinsam mit dem Uhrenhersteller Fossil eine smarte Armbanduhr heraus. Die lieferte neben der Zeit auch Nachrichten, Sportergebnisse, Horoskop und Staumelder - und war trotzdem kein Erfolg.

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