Süddeutsche Zeitung

Smartphone-Fotografie:Wie Samsung beim Mond nachbessert

Manche Handys des südkoreanischen Herstellers schießen Mondfotos mit Bergen, Kratern und beeindruckenden Details. Nur sind sie offenbar nicht echt.

Von Simon Hurtz

Viele Versuche, den Vollmond zu fotografieren, enden ernüchternd. Statt Kraterlandschaften sieht man auf den Bildern lediglich ein unscharfes Objekt mit dunklen Flecken in der Mitte. Wer den Nachthimmel in voller Pracht einfangen möchte, braucht entweder eine hochwertige Kamera, ein Stativ und ein Händchen für die richtige Belichtungszeit - oder ein Smartphone von Samsung.

Seit ein paar Jahren liefern manche Galaxy-Modelle Mondfotos, deren Detailreichtum selbst Vollformatkameras mit riesigen Zoom-Objektiven in den Schatten stellt. Ein schmales Smartphone soll ein anspruchsvolles Motiv besser einfangen als ein spezialisiertes Profigerät, das fünfmal mehr kostet als das Handy? Das klingt zu schön, um wahr zu sein.

Offenbar ist es das auch. Ein Reddit-Nutzer mit dem passenden Namen ibreakfotos hat nachgewiesen, dass sein Samsung Galaxy S23 Ultra dem Mond Details hinzufügt, die in der Realität nicht existieren. Er verkleinerte ein Foto des Mondes auf 170 mal 170 Pixel und ließ das Bild weichzeichnen. Den unscharfen Pixelbrei stellte er auf einem Computermonitor dar, verdunkelte den Raum und fotografierte den Bildschirm aus mehreren Metern Entfernung mit dem Samsung-Handy.

Auf dem Monitor war ein heller Kreis auf schwarzem Grund zu sehen, im Inneren ein paar flächige graue Stellen. Auf dem Smartphone-Foto erkennt man Berge und Krater, das Bild zeigt eine realitätsgetreue Nachbildung der Mondoberfläche - die nichts mehr mit dem zu tun hat, was sich im Moment der Aufnahme vor der Kameralinse befand. Für ibreakfotos ist die Sache klar: "Die Mondbilder von Samsung sind gefälscht. Das Marketing von Samsung ist irreführend."

Samsung verweist auf künstliche Intelligenz

Vergangenes Jahr hatte Samsung erklärt, man setze bei Mondfotos künstliche Intelligenz ein, die Rauschen unterdrücke und Details verbessere, um ein helleres und klareres Foto zu erhalten. Wer das Ausgangsmaterial des Experiments mit dem Resultat vergleicht, sieht aber nicht nur ein aufgehübschtes Bild, sondern ein komplett verändertes.

Tatsächlich ist Samsung nicht der erste Smartphone-Hersteller, der meint, beim Mond mit künstlicher Intelligenz nachhelfen zu müssen. Fast schon absurd wirkt der Supermoon-Modus des chinesischen Herstellers Vivo, der aus einem kleinen Punkt einen gewaltigen Himmelskörper mit komplett unrealistischer Detailfülle macht. Auch Huawei bietet einen speziellen Modus für Mondfotos an, der die Grenzen zwischen Bildverbesserung, Bildbearbeitung und Realitätsverzerrung verwischt.

Am Vollmond zeigt sich eindrücklich, wie stark Smartphones die Aufnahmen nachträglich bearbeiten. Die verbaute Hardware kann mit vollwertigen Kameras nicht mithalten, also vertrauen die Hersteller auf Software. Je nach Handymodell erhält man unterschiedliche Interpretationen der Realität, die sich teils deutlich unterscheiden.

Auf manchen Handys lassen sich direkt in der Kamera-App Lippen voller und Augen größer machen, man kann das Hautbild verfeinern oder den Haaransatz verschieben. Dagegen wirken Mondmanipulationen harmlos. Ein vermeintlich perfekter Himmelskörper vermittelt zumindest keine unrealistischen Schönheitsideale.

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