Österreich:Warum die Salzburger Mozartkugeln nicht mehr aus Salzburg kommen

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57 Millionen Mozartkugeln wurden zuletzt jedes Jahr in der Salzburger Gemeinde Grödig hergestellt. Damit ist es jetzt vorbei. (Foto: Udo Herrmann/IMAGO)

Sie gehören zur österreichischen Identität wie Lipizzaner und die Neutralität: die Mozartkugeln. Doch hergestellt werden sie wohl bald im Ausland.

Von Verena Mayer, Wien

Darüber, welche die wahre Mozartkugel ist, gibt es einen gewissen Dissens. Die einen sagen, ein Salzburger Konditor habe Ende des 19. Jahrhunderts einen handgeformten Klumpen aus Marzipan, Nougat und Pistazien in dunkle Schokolade getaucht und damit ein Produkt erfunden, das heute unter dem Namen „Original Salzburger Mozartkugeln“ bekannt ist. Die anderen erkennen die Urform in den „echten Reber Mozart-Kugeln“ eines bayerischen Herstellers, und dann gibt es noch die „echten Salzburger Mozartkugeln von Mirabell“. Das sind in Goldfolie verpackte Kugeln mit dem Bild Mozarts darauf, die man oft in Duty-free-Shops findet, weil sie ein beliebtes Mitbringsel für Touristen sind.

Unbestritten ist, dass das üppige Süßzeug untrennbar mit der österreichischen Identität verknüpft ist. Die Mozartkugel wurde ein stehender Begriff, um über alpenländische Eigenheiten nachzudenken, wenngleich auch meistens in Abgrenzung davon. So zählte der frühere Bundeskanzler Wolfgang Schüssel schon Anfang der Nullerjahre drei für Österreich typische Dinge auf, die Mozartkugeln, die Lipizzaner und die Neutralität, um sie dann als „alte Schablonen“ zu bezeichnen, die in einer komplexen Welt möglicherweise überholt seien.

Und es steht fest, dass bei allem, was mit Mozartkugeln zu tun hat, Salzburg eine enorme Rolle spielt. Deswegen machte folgende Nachricht weit über Österreich hinaus Schlagzeilen: Das Werk in der Salzburger Gemeinde Grödig, in dem jedes Jahr 57 Millionen der „echten Salzburger Mozartkugeln von Mirabell“, also die goldenen Kugeln in den roten Schachteln, produziert wurden, musste Ende vergangenen Jahres schließen. Der Mozartkugel-Hersteller Salzburg Schokolade war in die Insolvenz gerutscht, seit Anfang des Jahres haben nun 60 Menschen keinen Job mehr. Für die Gewerkschaft Pro-Ge, die die Beschäftigten vertritt, ist das nicht nur tragisch, weil mit der Insolvenz zahlreiche Schicksale verknüpft sind, ein Ehepaar arbeitet etwa dort, ein Mann wurde ein Jahr vor der Rente arbeitslos. Sondern auch, weil das Mozartkugel-Werk so etwas wie „das Herz der Region“ gewesen sei. Wo man „stolz auf ein Produkt war, das in die ganze Welt gegangen ist“.

Allerdings liegt die Lizenz für die „echten Salzburger Mozartkugeln“ schon lange in internationaler Hand, nämlich beim Lebensmittelkonzern Mondelez, zu dem auch Marken wie Oreo oder Milka gehören. Mondelez ließ die Kugeln von Salzburg Schokolade produzieren, die Schließung des Werks in Grödig bedauere man sehr, wie eine Sprecherin von Mondelez sagt. Zumal die Mozartkugeln „ein Juwel im Portfolio“ seien. Mondelez muss sich nun nach einer neuen Produktionsstätte umsehen. Wo die sein soll, sei das bestgehütete Geheimnis in Salzburg, heißt es bei der Gewerkschaft Pro-Ge. In österreichischen Medien war zu lesen, dass die Produktion nach Tschechien verlagert werden soll, was Mondelez weder bestätigen noch dementieren will. Die Sprecherin teilt nur mit, dass man „in unserem europäischen Netzwerk die beste Lösung für die zukünftige Herstellung“ gefunden habe. Klar ist aber jetzt schon: Die „echten Salzburger Mozartkugeln“ werden wohl nicht mehr aus Salzburg kommen.

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