Süddeutsche Zeitung

Sagen Sie mal ...:Warum geht es im Supermarkt immer linksrum?

Lesezeit: 3 min

Der Mensch hat einen Drall nach links. Den will er auch beim Einkauf ausleben. Eingang rechts, Kasse links - alles andere irritiert. Wie sich Kunden im Supermarkt zurechtfinden, erläutert Manfred Schmäing, Chefeinrichter bei Edeka-Südwest.

Hans von der Hagen

Es ist eines der menschlichen Kuriosa. Ohne den Grund dafür zu kennen, ist der Homo Sapiens linksorientiert: Er hat nicht nur eine leicht erhöhte Aufmerksamkeit für die linke Seite, sondern bewegt sich auch lieber linksherum.

Das gilt für den Langstreckenläufer in der Arena wie für den in der Wüste Verirrten - und das Kind im Karussel. Der Einzelhandel hat sich ebenfalls dem Linksdrang angepasst.

sueddeutsche.de: Warum müssen wir im Supermarkt immer linksherum gehen?

Manfred Schmäing: Das ist die Macht der Gewohnheit. Vielleicht wäre es anders, wenn die überwiegende Zahl der Deutschen Linkshänder wäre.

sueddeutsche.de: Gibt es viele Ausnahmen?

Schmäing: Bei rund 98 Prozent unserer Supermärkte ist der Eingang rechts und Sie laufen links herum. Nur bauartbedingt muss es manchmal in die andere Richtung gehen.

sueddeutsche.de: Kaufen Kunden, die in den Rechtstrott gezwungen werden, anders ein?

Schmäing: Wir haben noch keine Unterschiede festgestellt.

sueddeutsche.de: Wie sortieren sich die modernen Supermärkte?

Schmäing: Sehr unterschiedlich. Früher gab es einen Gang, in der Mitte war ein Regal und man lief am gesamten Warenangebot vorbei. Heute gibt es diesen ursprünglichen Kundenlauf nicht mehr, sondern je nach Marktgröße steuern die Kunden bestimmte Ziele individuell an.

sueddeutsche.de: Und sie finden die Produkte, weil sie ahnen, wo was sein kann?

Schmäing: Genau. Die Orientierung im Markt funktioniert nach dem Grundsatz der in sich geschlossenen Sortimente. Nehmen Sie den Frühstücksbereich: Wenn Sie Kaffee kaufen, erwarten Sie daneben die Marmelade. Beim Waschmittel ist es ähnlich: Sie suchen es in der Nähe der Kosmetika und Putzmittel. Nur wenn Sie diese Grundsätze bei der Marktplanung einhalten, finden sich die Kunden zurecht.

sueddeutsche.de: Trotzdem muss man manchmal die Verkäufer fragen. Gibt es Produkte, bei denen die Zuordnung schwierig ist?

Schmäing: Gewürze und Eier sind immer problematisch. Sie lassen sich in viele Bereiche einordnen.

sueddeutsche.de: Welche Waren stehen am Eingang?

Schmäing: Ganz unterschiedlich. Auf Großflächen, sprich Warenhäuser mit vielleicht 10.000 qm Verkaufsfläche, beginnen viele mit dem Non-Food-Bereich. Da kommen gleich am Eingang beispielsweise die Zeitschriften. Wir bei Edeka starten mit der Obst- und Gemüseabteilung.

sueddeutsche.de: Feste Regel für das Wochenmarkt-Gefühl?

Schmäing: Feste Regel! Wir haben den Frischeanspruch.

sueddeutsche.de: Hat jenseits des Frischeanspruches der frühe Griff zu Obst und Gemüse auch eine Alibi-Funktion? Wer anfangs gesünder kauft, ist beim weiteren Einkauf großzügiger zu sich selbst?

Schmäing: Nein. Solche Überlegungen stellen wir nicht an.

sueddeutsche.de: Was kommt denn nach dem Gemüse?

Schmäing: Das kann der Frühstücksbereich sein oder auch die Konservenabteilung. Der Zuschnitt des Marktes entscheidet. Was aber sicher nicht kommt, sind Waschmittel.

sueddeutsche.de: Offensichtlich spielt das Gewicht der Ware bei der Supermarkt-Logistik keine Rolle. Die früh in den Wagen gelegten Tomaten müssen später ja meist evakuiert werden.

Schmäing: Die Einkaufswagen fassen mittlerweile 130 bis 180 Liter. Da werden Sie zwangsläufig umräumen müssen. Eine Warenanordnung nach Gewicht ist nicht machbar. Schon weil der Getränkebereich logistisch aufwändig ist.

sueddeutsche.de: Darum die Verbannung der Getränke in die Randlage?

Schmäing: Das ist natürlich der Hauptgrund. Aber es gibt noch einen weiteren: Wenn die Männer in Ruhe bei den Getränken schauen können, fühlen sie sich wohler. Die Frauen halten sich lieber im Frischmarkt auf.

sueddeutsche.de: Heikel sind ja auch die Gefriertruhen ...

Schmäing: Wenn der Platz reicht, bringen wir die gerne in der Nähe der Kassen unter. Schon aus psychologischen Gründen. Viele Kunden werden nervös, wenn das Gefriergut länger im Wagen liegt. Und sind beruhigt, wenn sie es erst spät in den Einkaufswagen packen können. Andererseits müssen Sie die Kühlleitungen dann quer durch den Markt verlegen. Das ist ein riesiger Aufwand.

sueddeutsche.de: Gibt es denn Dinge, die bei der Einrichtung eines Supermarkts tunlichst vermieden werden sollten?

Schmäing: Dass die Kunden orientierungslos werden, weil die Warengruppen falsch angeordnet sind. Aber auch Äußerlichkeiten wie schlechtes Licht, Dreck oder zu laute Musik können fatal sein.

sueddeutsche.de: Was werden wir nie in einem Supermarkt erleben?

Schmäing: Dass die Kassen hinten und die Fleischwaren vorne liegen. Beides ist schon aus technischen Gründen kaum machbar. Die Kühlräume für die Fleischwaren lassen sich nur hinten unterbringen und die Kassen brauchen immer einen Check-out, einen Ort, wo die Kunden dann beispielweise die Wagen lassen können.

sueddeutsche.de: Hat sich das Einkaufsverhalten in den letzten Jahren nennenswert verändert?

Schmäing: Es gibt einen starken Trend hin zum Convenience-Bereich, also zu vorgefertigten Produkten.

sueddeutsche.de: Sie meinen die fertig geschältete Ananans im Plastikpack?

Schmäing: Beispielsweise. Aber es gilt für alle Varianten von Fertiggerichten, angefangen beim abgepackten Salat bis hin zur Tiefkühlkost. Da haben sich die Stellflächen stark vergrößert.

sueddeutsche.de: Mit dem enormen Aufschwung, den die Biokost zuletzt gemacht hat, tritt noch ein anderes Problem immer offener zu Tage: Die Supermärkte sind sich offenbar uneins, ob der Bioapfel neben den Normalapfel gehört oder besser auf den Biosonderstand ...

Schmäing: Ich habe auch schon Verbraucher befragt und musste feststellen: Der eine will es so, der andere so. Da streiten sich die Geister. Vielleicht ist beides richtig.

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