Sachverständigenrat:Rezession in Deutschland

Glück im Unglück: Im kommenden Jahr schrumpft Deutschlands Wirtschaft, Ende 2009 geht es dann aber schon wieder bergauf - prophezeit der Sachverständigenrat.

Guido Bohsem

Die fünf Wirtschaftsweisen rechnen für 2009 als Folge der Finanzkrise mit einer Rezession in Deutschland. Am Ende des Jahres werde sich die Konjunktur jedoch wieder erholen, heißt es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung im Gutachten des Sachverständigenrates. Über das ganze Jahr betrachtet werde die Wirtschaftsleistung deshalb voraussichtlich stagnieren.

Sachverständigenrat: Warenumschlag am Hamburger Hafen - doch die Wirtschaft brummt nicht mehr.

Warenumschlag am Hamburger Hafen - doch die Wirtschaft brummt nicht mehr.

(Foto: Foto: dpa)

Nach Einschätzung der Experten sind die direkten Auswirkungen der Finanzkrise auf die Bundesrepublik derzeit noch begrenzt. So werde das Wachstum 2008 bei rund 1,7 Prozent liegen. Verantwortlich für den Einbruch der Konjunktur seien die starken indirekten Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Erschütterungen. Wichtige Handelspartner wie die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Spanien seien besonders stark von der Finanz- und Immobilienkrise betroffen. Das verschlechtere die Aussichten für die Exportnation Deutschland deutlich, heißt es im Gutachten mit dem Titel: "Die Finanzkrise meistern - Wachstumshilfe stärken". Es soll an diesem Mittwoch in Berlin vorgestellt werden.

"Im Jahr 2009 ist das vom Sachverständigenrat entwickelte Kriterium einer Rezession erfüllt", schreiben die Wissenschaftler weiter. Als Folge der konjunkturellen Flaute ende die seit drei Jahren anhaltende Entspannung auf dem Arbeitsmarkt: "Die Erwerbstätigenzahl sinkt im Jahresdurchschnitt um 81.000 Personen. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen steigt von durchschnittlich 3,27 Millionen Personen im Jahr 2008 auf 3,3 Millionen im nächsten Jahr."

Unsichere Berechnungen

Die fünf Wirtschaftsweisen verweisen in ihrem Gutachten darauf, dass ihre Berechnungen diesmal besonders unsicher seien. So hätten wichtige makro-ökonomische Größen wie Wechselkurse, Rohstoffpreise und Aktienkurse in den vergangenen Monaten zum Teil erratische Verläufe aufgewiesen. Das Risiko einer noch schlechteren Entwicklung sei daher deutlich höher als die Möglichkeit eines besseren Konjunkturverlaufs.

Nach Meinung der Sachverständigen ist es die Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB), die Wirtschaft zu stützen. Sie fordern die EZB auf, die Leitzinsen im kommenden Jahr so weit wie möglich zu senken. "Die Zinspolitik ist das Mittel der Wahl, da es sehr schnell eingesetzt werden kann und von ihm zugleich kräftigende Wirkungen auf die Ertragssituation des Bankensystems ausgehen", heißt es in dem Gutachten.

Bis zu 25 Milliarden Euro nötig

In Deutschland sollte die Bundesregierung nach Auffassung der Experten umgehend "Maßnahmen für eine konjunkturgerechte Wachstumspolitik" ergreifen und zwar ohne Rücksicht auf die Staatsverschuldung. Insgesamt halten sie ein Konjunkturpaket mit einem Volumen von 12,5 bis 25 Milliarden Euro für erforderlich. Es sei vertretbar, wenn im kommenden Jahr die öffentlichen Investitionen ausgeweitet und durch eine höhere Kreditaufnahme bezahlt würden. Später müsse der Staat dann gegebenenfalls die Steuern erhöhen, um die Defizite wieder wettzumachen.

Sie plädieren für ein Vorziehen von noch nicht finanzierten, aber genehmigten Projekten zum Ausbau von Straßen oder Schienenwegen. Zudem schlagen die Experten höhere Ausgaben für Bildung vor. Schließlich fordern sie die Regierung auf, die seit Jahresbeginn geltende Unternehmenssteuerreform nachzubessern und so dafür zu sorgen, dass Betriebe mehr investieren. Scharfe Kritik äußerten sie an der geplanten Reform der Erbschaftsteuer. Obwohl es sich um eine sinnvolle Steuer handele, sei im Vergleich zu den geplanten Änderungen ihre Abschaffung das kleinere Übel.

Das von der Regierung zur Rettung der Banken beschlossene Hilfspaket beurteilen die Wissenschaftler zurückhaltend: "Derzeit ist es zu früh für ein umfassendes Urteil." Es komme nun darauf an, wie die zur Verwaltung des Rettungsschirms geschaffene Finanz-Treuhand Soffin agiere. Es bestehe die Gefahr, dass der Sonderfonds zu passiv vorgehe und Banken ohne überzeugendes Geschäftsmodell stütze. Allerdings dürfe sich die Finanz-Treuhand auch nicht über längere Zeit in das Tagesgeschäft von Finanzunternehmen einmischen.

"Die hierzulande gemachten Erfahrungen mit staatlich geführten Banken würden nichts Gutes erwarten lassen." Erforderlich sei eine schnelle Restrukturierung des Finanzsystems, damit Deutschland bald wieder über eine wettbewerbsfähige Bankenlandschaft verfüge. "Das erfordert, dass sich der Staat ... wieder zurückzieht und sich auf seine Kernaufgaben konzentriert."

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