Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsweise:SPD und CDU streiten über Sachverständigenrat

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Die Koalition müht sich darum, in der Krise Handlungsfähigkeit zu zeigen. Doch harte Worte im Streit um Lars Feld zeigen, wie schmal der Grat zwischen Wahlkampf und solider Regierungsarbeit ist.

Von Michael Bauchmüller und Robert Roßmann, Berlin

Am Dienstag um kurz vor zehn meldete sich der neue CDU-Chef zu Wort. Und wie. Lars Feld sei "einer der renommiertesten Wissenschaftler der Sozialen Marktwirtschaft", twitterte Armin Laschet. Und trotzdem verhindere Olaf Scholz, der Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat, "mit Arroganz und Ignoranz mitten in der Pandemie", dass Feld weiterarbeiten könne. Arroganz und Ignoranz - harte Worte, in die große Koalition hereingetragen vom Düsseldorfer Spielfeldrand.

Schon seit Wochen rangelt die Koalition um die Spitze des Sachverständigenrates, vulgo: der Wirtschaftsweisen. Die Amtszeit des Freiburger Ökonomen Lars Feld, derzeit Vorsitzender, läuft Ende des Monats nach zehn Jahren aus. Die Union hätte ihm gerne zu einer dritten Amtsperiode verholfen, doch die SPD, allen voran Olaf Scholz, war dagegen - zwei Amtszeiten hält er für genug. Und weil der Koalitionspartner zustimmen muss, scheitert nun die erneute Berufung. Keine Befassung im Kabinett, keine neue Amtszeit. Nicht einmal auf eine Verlängerung um ein Jahr konnten sich Union und SPD einigen.

Gewinner gibt es eigentlich keine nach dieser Nicht-Personalie. Feld wäre gerne an der Spitze des Sachverständigenrates geblieben, kann sich aber nun darauf vorbereiten, ab Ende der Woche "ein freier Mann" zu sein. Die Union muss sich damit abfinden, die Personalie nicht gegen den kleineren Partner durchgesetzt zu haben. Scholz könnte sich freuen, einen Ordoliberalen weniger in dem Wirtschafts-Rat zu wissen: Künftige Empfehlungen der Ökonomen dürften weniger rigide einen Sparkurs verlangen, was dem Finanzminister gerade in der Krise entgegenkommt. Gleichzeitig aber ist es ihm nicht gelungen, den Posten in seinem Sinne zu besetzen, etwa mit dem Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum. Ein Deal mit anderen Spitzenjobs, etwa der Führung der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin oder der Bankengruppe KfW, gilt als schwierig - nicht zuletzt, weil etwa der Job in der Bafin international ausgeschrieben wird.

Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatten sich in den vergangenen Monaten um ein geräuschloses Miteinander bemüht. Hinter den Kulissen hakte es gewaltig bei Detailfragen - etwa rund um die Corona-Hilfen. Nach außen aber wollten die beiden Minister vor allem eines beweisen: die Handlungsfähigkeit des Staates. Dieses Bild ist nun angekratzt - ein Umstand, den Altmaier zunächst nicht kommentieren wollte. Laschets Angriff auf Scholz teilte er dennoch auf Twitter.

Merkel: "Hätte eine Einigung begrüßt, aber nicht um jeden Preis"

Wie genervt Laschet von dem Vorgang ist, zeigte sich dann auch am Nachmittag in der digitalen Sitzung der Unionsfraktion. Der neue CDU-Chef war aus Düsseldorf zugeschaltet. "Was Scholz sich da erlaubt hat, ist ein ungeheuerlicher Vorgang", sagte Laschet laut Teilnehmern. Der Finanzminister sei ein "Apparatschik der SPD". Es sei gut, dass Altmaier keine "faulen Kompromisse" eingehe. Denn Feld sei kein "Marktradikaler", sondern ein ausgewiesener Experte der sozialen Marktwirtschaft. Die SPD wolle die Wirtschaftsweisen "links" ausrichten. Er "habe so etwas selten erlebt", das dürfe man der SPD nicht durchgehen lassen.

Auch Angela Merkel ergriff das Wort. Sie bedauere "sehr, dass es uns nicht gelungen ist, Herrn Feld zu verlängern", sagte die Bundeskanzlerin. Sie habe mehrere Male mit Scholz darüber gesprochen, aber ohne Erfolg - sie "hätte eine Einigung begrüßt, aber nicht um jeden Preis".

Von nächster Woche an wird der eigentlich fünfköpfige Rat deshalb nur noch vierköpfig sein. Derzeit spricht nicht viel dafür, dass sich die große Koalition noch zu einer Nachfolge für Feld durchringen kann; zumal die Personalie nun voll in den aufziehenden Wahlkampf gerät. Den Vorwurf, die SPD habe das verbockt, wollen die Sozialdemokraten jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen. Kurz nach Laschets Tweet hatte sich auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans über den Kurznachrichten-Dienst zu Wort gemeldet. Die Union wolle den Rat "mit ihr genehmen Wissenschaftlern" besetzen, keilte er zurück - "eine offensichtlichere Demaskierung kann man sich nicht wünschen."

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