Sachverständige legen neues Gutachten vor:Deutsche Wirtschaft wächst 2005 um 1,4 Prozent

Der Aufschwung in Deutschland geht im nächsten Jahr weiter, er bleibt aber für den Arbeitsmarkt unbefriedigend. Nach den Schätzungen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage wird die deutsche Wirtschaft 2005 mit einer Rate von 1,4 Prozent wachsen.

Von Michael Bauchmüller und Martin Hesse

München - Nach dem jüngsten Jahresgutachten des Rates, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wird sich das Wachstum damit gegenüber dem laufenden Jahr (1,8 Prozent) leicht abschwächen.

Die Bundesregierung legt ihrem Haushalt für 2005 einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,8 Prozent zugrunde und verspricht daher, die Neuverschuldung auf drei Prozent des BIP begrenzen zu können, so wie vom Stabilitätspakt verlangt.

Die Sachverständigen sind skeptischer und prognostizieren ein Defizit von 3,5 Prozent, nach 3,9 Prozent in diesem Jahr. Die Arbeitslosenquote bleibt unverändert bei 10,5 Prozent.

Die Wachstumsunterschiede zwischen den beiden Jahren sollten allerdings nicht überbewertet werden. 2004 gab es 1,3 mehr Arbeitstage, als dies im kommenden Jahr der Fall sein wird.

Unsicherheit über die Robustheit der konjunkturellen Belebung

2004 sei die Wirtschaft zwar etwas stärker gewachsen als von ihnen ursprünglich erwartet, schreiben die Sachverständigen. Doch das "unausgewogene Muster des diesjährigen Aufschwungs" beseitige die "Unsicherheit über die Robustheit der konjunkturellen Belebung" nicht.

Einer überaus lebhaften Exportdynamik stehe eine kraftlose Binnenwirtschaft gegenüber. Zwar habe es so etwas im Prinzip schon häufiger gegeben, "eine derart dauerhafte Spaltung zwischen positiven außenwirtschaftlichen Einflüssen und einer stagnierenden oder gar negativen inländischen Verwendung, wie sie seit nunmehr vier Jahren zu beobachten ist, zeigte sich aber in der Vergangenheit nicht," heißt es in dem Gutachten.

In diesem Jahr sind die Ausrüstungsinvestitionen um 0,7 Prozent gesunken, die Bauinvestitionen um 1,9 Prozent, der private Konsum stagnierte. Für 2005 rechnen die Sachverständigen mit deutlich steigenden Ausrüstungsinvestitionen (+3,8 Prozent), weiter sinkenden Bauinvestitionen (-1,6 Prozent) und einem leicht steigenden Konsum (+0,5 Prozent).

Mit einer gemessenen Teuerung von 1,7 Prozent in diesem und 1,6 Prozent im nächsten Jahr herrscht in Deutschland weiter praktisch Preisstabilität.

Ein wenig Optimismus

Die Exporte werden 2005 mit 5,9 Prozent deutlich schneller steigen als die Importe (5,1 Prozent). Damit liefert der Außenhandel erneut einen positiven Konjunkturbeitrag. Risiken bestehen im teuren Euro und im gestiegenen Ölpreis.

Ungewohnt kritisch setzen sich die Sachverständigen mit der These auseinander, die deutsche Wirtschaft sei insgesamt nicht mehr wettbewerbsfähig. Diese Befürchtungen hielten einer tiefer gehenden Überprüfung nicht stand.

"Deutsche Unternehmen haben in den vergangenen Jahren ihre Wettbewerbsposition auf den internationalen Märkten verbessert", heißt es in dem Gutachten.

"Dies spiegelt sich in den beobachtbaren Exportsteigerungen, die zusätzlich auch die inländische Beschäftigungssituation positiv beeinflusst haben."

Die anhaltende Wachstumsschwäche Deutschlands habe ihre wesentlichen Ursachen in "binnenwirtschaftlichen Fehlentwicklungen und Defiziten".

Ihren sichtbarsten Ausdruck fänden diese Fehlentwicklungen in dem niedrigen Trendwachstum von wenig mehr als einem Prozent. Das Trendwachstum gibt jene Rate an, um die eine Volkswirtschaft zulegen kann, ohne dass es zu Anpassungsproblemen kommt.

Probleme im Bildungssystem

Zur Verbesserung der Lage der Binnenwirtschaft legen die Sachverständigen eine Reihe von Vorschlägen dazu vor, unter anderem das Konzept für eine Gesundheitsreform.

Ein besonderes Gewicht kommt auch den Problemen im Bildungssystem zu. "Die Mängelliste betrifft im Wesentlichen sämtliche Bereiche des deutschen Bildungssystems, beginnend im Elementarbereich, bis hin zur Organisation des tertiären Bereichs, also des Hochschul- und Fachhochschulsektors."

Schließlich habe die weitere Ausgestaltung des Aufbaus Ost eine zentrale Bedeutung auch für die Perspektiven Gesamtdeutschlands.

Ausdrücklich warnen die Weisen davor, die Zukunft des Landes "in düsteren Farben zu malen". Deutschland verfüge über eine "im Grundsatz wettbewerbsfähige unternehmerische Basis, die es selbst in den zurückliegenden wirtschaftlich schwierigen Jahren geschafft hat, die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung gewinnbringend zu nutzen".

Zum anderen erwachse gerade aus der Tatsache, dass die Ursachen der gegenwärtigen Wachstumsschwäche im Inland liegen, eben auch die Möglichkeit, die Dinge aus eigener Kraft zum Besseren zu wenden. Die Sachverständigen wählten daher als Titel für ihr Jahresgutachten: "Erfolge im Inneren - Herausforderungen im Inland".

Dem Sachverständigenrat gehören fünf Mitglieder an: Wolfgang Wiegard (Universität Regensburg, Vorsitzender), Bert Rürup (TU Darmstadt), Wolfgang Franz (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim), Peter Bofinger (Universität Würzburg), Beatrice Weder di Mauro (Universität Mainz).

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: