Saatgut:Ein Makel, der bleibt

Saatgut: Monsanto ist wegen Glyphosat-Produkten und genverändertem Saatgut umstritten.

Monsanto ist wegen Glyphosat-Produkten und genverändertem Saatgut umstritten.

(Foto: AFP)

Hat es sich für Bayer gelohnt, Monsanto zu kaufen? Einerseits sind da fast 9000 Glyphosat-Klagen, die teuer werden könnten. Andererseits sind da treue Kunden wie der Sojabauer Mark Scott.

Von Elisabeth Dostert, St. Louis

Mark Scott, 53, will noch einmal raus aufs Feld. Die Zeit drängt, es soll Regen geben. Auf dem Hof steht abfahrbereit sein Mähdrescher. Scott ist Landwirt. Sein Hof liegt in Wentzville im US-Bundesstaat Missouri im sogenannten Corn Belt. Mais bauen sie dort an, und Sojabohnen, so wie Scott. Er bewirtschaftet 1700 Acres, fast 690 Hektar. "Meine Silos sind voll", sagt er. Es ist Anfang November. 90 Prozent der Ernte sind eingefahren. Nur ein paar Hektar Sojabohnen stehen noch.

Scott zeigt seinen Hof, den Schuppen, die Trockenanlage, die Geräte. Er erklärt, wie sich die Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Es war ein gewaltiger Wandel. Sein Blick wandert über das Feld, das an den Hof grenzt. "Um 55 Acres zu pflügen und zu säen, haben mein Onkel und mein Vater Mitte der Achtzigerjahre drei bis vier Tage gebraucht. George und ich erledigen das in drei Stunden", sagt Scott. George ist sein Mitarbeiter. Ab und zu hilft auch Scotts jüngster Sohn Aaron, er soll den Hof mal übernehmen. Um die Finanzen kümmert sich Susan. Fünf Höfe haben die Scotts in den vergangenen Jahren gekauft. Knapp die Hälfte des Landes ist gepachtet. Scott spricht für viele, seit Anfang Oktober ist er Präsident des Anbauverbandes Missouri Corn.

Saatgut: Mark Scott, 53, ist Landwirt im US-Bundesstaat Missouri. Er hat den Hof im Alter von 26 Jahren übernommen. "Bauer zu sein ist ein Lebensstil, da muss man hineingeboren sein", sagt er.

Mark Scott, 53, ist Landwirt im US-Bundesstaat Missouri. Er hat den Hof im Alter von 26 Jahren übernommen. "Bauer zu sein ist ein Lebensstil, da muss man hineingeboren sein", sagt er.

(Foto: Elisabeth Dostert)

Er pflanzt ausschließlich genverändertes Saatgut an. Einer seiner Lieferanten, aber nicht der einzige, ist die US-Firma Monsanto, die der deutsche Konzern Bayer vor ein paar Monaten für knapp 63 Milliarden Dollar übernommen hat. Das Saatgut ist resistent gegen Schädlinge wie den Maiswurzelbohrer und Breitbandherbizide wie Glyphosat. Insektizide setze er nur alle paar Jahre ein, erzählt Scott. Einmal im Jahr, wenn der Mais etwa kniehoch steht, sprüht er Herbizide wie Round-up mit dem Wirkstoff Glyphosat, um Unkraut zu bekämpfen. Den genetisch veränderten Mais vernichtet das Gift nicht. Die Felder, auf denen er Sojabohnen anbaut, behandele er zwei Mal im Jahr mit dem Wirkstoff. "Meinen Pflug habe ich seit Jahren nicht mehr eingesetzt", sagt Scott. Er nutzt nur noch die Säkombination. Die erledigt mehrere Arbeitsgänge gleichzeitig: eggen und säen. Das schone den Boden, sagt Scott. In den vergangenen Jahren sei sein Verbrauch an Pflanzenschutzmittel und Dünger gesunken und die Erträge gestiegen. "Das ist doch, was alle Landwirte wollen: Mehr Output mit weniger Input", sagt er.

Durch den Einsatz von genverändertem Saatgut seien die Erträge deutlich gestiegen. Binnen 30 Jahren habe sich der Ertrag von Mais in etwa verdoppelt. Jede Innovation, die Agrarkonzerne auf den Markt bringen, nimmt Scott gerne. Das Herbizid Round-up sprüht er, seit es Monsanto Mitte der Neunzigerjahre auf den Markt gebracht hat. "Wenn wir 2050 zehn Milliarden Menschen ernähren wollen, müssen wir die Produktivität erhöhen." Scott kennt die Kritik an der Gentechnik und Glyphosat. "Aber ich teile sie nicht. Der Wirkstoff ist sicher, ein paar Hundert Studien belegen das, und nur drei halten Glyphosat für gesundheitsschädlich."

Viele Schilder mit dem alten Namen Monsanto sind abmontiert

Wenn er so redet, klingt Scott wie die Manager und Forscher von Bayer. Männer wie ihn meint Liam Condon, wenn er über "moderne Landwirte" redet. Condon sitzt im Vorstand von Bayer und ist für das Agrogeschäft zuständig, in das Monsanto aufgegangen ist. Seit Mitte August läuft die Integration. "Wir sind weiter als wir gedacht haben", sagt Condon. Das liege auch daran, dass sich die Übernahme so lange hingezogen hat, bis alle Auflagen der Kartellbehörden erfüllt waren. "Die Mitarbeiter konnten emotional und mental lange Zeit darüber nachdenken, ob das etwas ist, hinter dem sie voll und ganz stehen", sagt Condon. Er hat nach Chesterfield eingeladen, dort forscht Monsanto nach neuen Pflanzen mit noch höheren Erträgen. Es ist ein weitläufiger Campus. Auf den Dächern vieler Gebäude thronen Gewächshäuser.

Viele Schilder mit dem alten Namen Monsanto sind abmontiert. Am Werkstor steht jetzt "Bayer Crop Science Division". Aber so leicht wie Schilder und Logos auf Laborkitteln, Notizblöcken und Kugelschreibern lässt sich die Vergangenheit nicht wegräumen, schon gar nicht vor Gericht. Gegen Monsanto laufen fast 9000 Klagen. In einer ersten Entscheidung hat Mitte August ein Geschworenengericht in Kalifornien dem an Krebs erkrankten Hausmeister Dewayne Johnson zunächst 290 Millionen Dollar zugesprochen. "Die Entscheidung war für uns eine Überraschung", sagt Condon. Vor der Übernahme habe Bayer sich die Rechtsrisiken genau angesehen. "Damals gab es keine Risiken, die uns Sorgen gemacht hätten", sagt Condon. Eine Richterin hat vor knapp zwei Wochen die Strafe auf knapp 80 Millionen Dollar gekappt, und Johnson hat das Urteil diese Woche angenommen in der Hoffnung, noch zu Lebzeiten eine endgültige Lösung in dem Streit zu finden.

"Ich bin der DNA-Typ"

Aber die Investoren sind misstrauisch. Seit Mitte August hat Bayer an der Börse ein Viertel seines Wert verloren. Es gibt erste Spekulationen über eine Zerschlagung des Konzerns. Vorstandschef Werner Baumann will sich daran nicht beteiligen. Aber er ist dünnhäutig geworden. Auf solche Fragen reagiert er bisweilen sehr gereizt.

Zu den Klagen gegen Monsanto wollen sich weder Baumann noch Condon in St. Louis im Detail äußern. Es sieht nicht so aus, als würde der Konzern mit den Klägern rasch einen Vergleich schließen. Die Verfahren können sich über viele Instanzen quälen und über Jahre hinziehen. "Wir halten dagegen", sagt Condon. Mindestens bis das letzte Verfahren entschieden ist, bleibt der Name Monsanto an Baumann und Bayer kleben.

Saatgut: In den Gewächshäusern in Chesterfield testet Bayer neue Pflanzenzüchtungen.

In den Gewächshäusern in Chesterfield testet Bayer neue Pflanzenzüchtungen.

(Foto: Elisabeth Dostert)

"Ich trauere dem Namen nicht nach. Ich weiß ja, wie die Leute reagieren", sagt Larry Gilbertson, 58. Der Molekularbiologe arbeitet in Chesterfield. Auf seiner Visitenkarte steht Bayer. "Ich bin der DNA-Typ", stellt sich Gilbertson vor. Auf dem Tisch vor seinem Labor steht das Modell einer DNA. Sie enthält alle genetischen Informationen. "So ein Modell habe ich auch zu Hause auf meinem Nachttisch stehen," sagt der Forscher. Er hat bunte Perlenschnüre ausgebreitet, um zu erläutern, was sie in den Laboren tun. Sie schleusen Gene in das Erbgut von Pflanzen ein, manchmal auch nur einen winzigen Abschnitt eines Gens. "Wir machen eigentlich nur das, was in der Natur seit mehr als tausend Jahren geschieht", sagt Gilbertson. Er öffnet den Perlenstrang und setzt ein neues Stück ein. "Das was wir hier tun ist keine Revolution, das ist eine Evolution." Zehn, 15 Jahre braucht es, um eine neue Pflanze zu züchten. Irgendwann landet das neue Saatgut dann auf den Äckern von Bauern wie Scott: "Wir brauchen Innovationen. Wir müssen die Produktivität weiter steigern."

Scotts Ernte geht fast komplett in den Export

Die vorläufige Bilanz für das Erntejahr 2018 hat Scott schon gezogen. Vielleicht bleibt am Ende noch ein kleiner Gewinn. Im Sommer war es zu trocken, die Maisernte ist schlechter aus gefallen als in normalen Jahren. Die Ernte bei Sojabohnen war leicht überdurchschnittlich. Im Landesdurchschnitt lagen die Erträge bei etwa 180 Bushel Mais je Acre und 52 Bushel bei Sojabohnen. Ein Kubikmeter entspricht etwa 28 Bushel. Die Preise sind gesunken.

Scotts Ernte geht fast komplett in den Export, der Mais nach Mexiko und die Sojabohnen nach China, zumindest früher war das so, bevor Donald Trump den Handelsstreit anzettelte und China Sojabohnen mit hohen Einfuhrzöllen belegte. Über den Präsidenten verliert Scott kein schlechtes Wort; er hat ihn gewählt wie viele Bauern in den USA. "Trump hat bislang alles eingehalten, was er uns angekündigt hat", sagt Scott. Kurzfristig litten die Bauern zwar unter dem Handelsstreit, räumt der 53-Jährige ein. Aber langfristig müsse der Handel mit China ins Reine gebracht werden. "Wir Bauern brauchen freien Handel", sagt Scott. Er hat den Hof mit 26 Jahren übernommen. "Ich habe schon viele Höhen und Tiefen erlebt." So schnell gibt er nicht auf. "Bauer zu sein, ist ein Lebensstil, da muss man hineingeboren sein."

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