S&K-Strafprozess:Harter Stoff

S&K-Betrugsprozess  in Frankfurt

Der S&K-Prozess im Landgericht Frankfurt zog sich über 100 Verhandlungstage, jetzt ist ein Ende in Sicht.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Im S&K-Strafprozess hat die Verlesung der Anklageschrift begonnen. Es sind rekordverdächtige 1700 Seiten über das Verschwinden von 240 Millionen Euro.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Verlesung der Anklageschrift gehört zu den Prinzipien des Rechtsstaats. Der Akt ist Routine in deutschen Gerichtssälen. Dennoch schreibt der Frankfurter Oberstaatsanwalt Andreas Hohmann dieser Tage ein Stück Rechtsgeschichte, denn er und seine beiden Kollegen haben dem Oberlandesgericht Frankfurt die wohl umfangreichste Anklageschrift aller Zeiten vorgelegt: 3200 Seiten.

Da tröstet es wenig, dass Hohmann im Strafverfahren gegen sechs Angeklagte der S&K-Immobiliengruppe aus diesem Dossier nur 1700 Seiten vortragen möchte. Der Oberstaatsanwalt hat am Donnerstag ungefähr bei Seite 50 den Faden wieder aufgenommen und referierte über das mutmaßliche "Schneeballsystem", durch das zwischen 2008 und 2013 rund 11 000 Anleger etwa 240 Millionen Euro verloren haben sollen. Auch was den Schaden angeht, ist dieser Strafprozess einer der ganz großen in der bundesdeutschen Geschichte.

Hohmann liest mal langsam, meist schnell. Er und seine beiden Kollegen werden das in den nächsten Wochen abwechselnd tun. Ganze Verhandlungstage lang mit kurzen Unterbrechungen. Diese wenig prickelnde Aussicht - nicht jede Textpassage der Anklage ist von literarischer Kraft - rief schon am ersten langen Verlesungstag leichte Lethargie hervor.

Die Angeklagten tuschelten mit ihren Verteidigern, während sie dem Vortrag visuell auf dem Bildschirm ihrer Laptops folgten. Auch bei den Richtern schien die schwere Last der Pflichterfüllung in den Gesichtern ablesbar zu sein. "Ich erinnere mich noch, als ich die Anklageschrift erhalten habe", sagte der Vorsitzende Richter Alexander El Duwaik zum Oberstaatsanwalt, bevor der beginnen wollte. "Sie haben sie mir ja persönlich vorbeigebracht." Die Stimmung zwischen Richter und Staatsanwaltschaft ist nicht die beste. Die Kammer hatte zum Ärger der Ermittler schon Kürzungen in der Anklageschrift verfügt. Zudem ließen auch die Ankläger keine Gelegenheit aus, mit der Gegenseite in unsachliche Diskussionen einzusteigen. Der Richter musste mehrfach zur Sachlichkeit mahnen. Die Verteidigung ihrerseits hatte an den ersten sechs Verhandlungstagen mit immer neuen Anträgen dafür gesorgt, dass das Verfahren stockte. Am Mittwoch folgte ein Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter.

Einen kleinen Erfolg konnten die Verteidiger verbuchen, weil sie ziemlich glaubhaft belegten, dass die Frankfurter Polizeiwache, wo die digitalen Asservate für die Verteidiger einsehbar sein sollen, nicht gerade hilfreich agiert. Das Sichten der Abhörprotokolle und der E-Mails - es geht um 500 000 Dateien - sei sehr schwierig. Häufig stürze das IT-System ab, und die Beamten weigerten sich, alles vorzulegen. Außerdem seien Daten unrechtmäßig gelöscht worden. So könne man sich nicht gegen die Vorwürfe verteidigen. Die Staatsanwaltschaft wies diese Kritik zurück und schob dann ziemlich überraschend der Kammer, sprich El Duwaik, den Schwarzen Peter zu. Der Richter konnte sich da nur wundern. "Man lernt nie aus", sagte er ironisch, und das wohl zu Recht: Schließlich ist die Staatsanwaltschaft gegenüber der Polizei weisungsbefugt.

Die Verteidigung hält ihre Mandanten, die seit Februar 2013 in Untersuchungshaft sitzen, für unschuldig. Fest steht aber, dass viele Anleger sehr viel Geld verloren haben. Gleichzeitig lebten die Angeklagten schamlos protzig.

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