Ryanair:Wer rebelliert, fliegt raus

Der Streit zwischen Europas größtem Billigflieger und den Gewerkschaften spitzt sich zu. In internen Rundschreiben droht die Airline ihren Beschäftigten sogar mit Jobverlust, sollten sie Kontakte zu Arbeitnehmervertretungen aufnehmen.

Von Imke Henkel und Sibylle Haas

Ryanair will sich an diesem Dienstag in einem Fernsehstreitgespräch gegen Vorwürfe der schwedischen Transportgewerkschaft wehren. In Deutschland hat der Billigflieger Air Berlin Gewerkschaftskritik auf sich gezogen.

Die schwedische Transportgewerkschaft HTF wirft Ryanair vor, Mitarbeitern zu geringe Löhne zu zahlen. Ryanair hat in Stockholm eine Basis und fliegt zusätzlich schwedische Flughäfen bei Göteborg und Malmö an.

Nach Informationen der HTF soll der monatliche Verdienst von Ryanair-Kabinenpersonal in Schweden bei lediglich 1400 bis 1500 Euro liegen. An diesem Dienstag will Ryanair-Verkaufsmanager Lotta Lindstrom mit dem HTF-Vizepräsident Bengt Olsson zu einem Streitgespräch im schwedischen Morgenfernsehen zusammentreffen.

Am Montag wies Ryanair-Chef Michael O´Leary in Stockholm Vorwürfe einer schwedischen Zeitung zurück, wonach die hohe Arbeitsbelastung von Ryanair-Piloten zum Sicherheitsrisiko würde.

"Die Leute haben Angst"

Ryanair behauptet bislang, bessere Gehälter als die Konkurrenz zu zahlen. Nach einer Berechnung des irischen Billigfliegers, die die Lohnkosten der Fluggesellschaften durch die Anzahl ihrer Mitarbeiter teilt, zahlt Ryanair im Durchschnitt 50582 Euro im Jahr, gegenüber 41284 Euro beim Billigflieger Easy Jet, 41377 Euro bei Lufthansa oder 37602 Euro bei British Airways.

Ryanair-Chef Michael O'Leary sagte am Montag in Stockholm, dass die Kabinenbesatzung bei dem Billigflieger durchschnittlich 22000 bis 24000 Euro pro Jahr verdient. Zum Vergleich: British Airways gibt zum Beispiel an, dass ihr Kabinenpersonal zwischen 21000 und 67500 Euro pro Jahr bekommt, was einem Monatsverdienst von 1750 bis 5635 Euro entspricht.

Bei Ryanair gibt es keine Tarifverträge. Die Gewerkschaften versuchen seit längerem, den irischen Billigflieger dazu zu bewegen, sie als Tarifpartner anzuerkennen. Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF), ein Dachverband von 600 Gewerkschaften aus 130 Ländern, versucht jetzt, über die Internetseite www.ryan-be-fair.com mit Ryanair-Mitarbeitern Verbindung aufzunehmen.

"Die Leute bei Ryanair sagen uns, dass sie Angst haben, direkt mit Gewerkschaften Kontakt aufzunehmen", erläutert Ingo Marowski, Luftfahrt-Sekretär bei der ITF. Traditionelle Kampagnemittel wie etwa Flugblätter oder Gewerkschaftstreffen wären deshalb nicht angebracht.

Gewerkschaftskontakte unterbinden

Dass Ryanair versucht, auf seine Beschäftigten Druck auszuüben, um Gewerkschaftskontakte zu unterbinden, beweisen interne Rundschreiben des Billigfliegers. Die Schreiben drohen implizit mit Jobverlust, sollte "die Einmischung" der Gewerkschaften nicht aufhören.

Seit der Freischaltung der Ryan-be-fair-Internetseite verzeichnete ITF-Sekretär Marowski rund 1400 Kontakte. In ihren Mails weisen Ryanair-Mitarbeiter unter anderem auf die hohe Fluktuation bei dem Billigflieger hin. "Kaum einer bleibt länger als ein, zwei Jahre", heißt es in einer Mail.

An der Aktion hat sich auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi beteiligt, ein Mitglied der ITF. "Wir wissen nur wenig über die Arbeitsbedingungen bei Ryanair", sagt eine Verdi-Sprecherin. Der Stundenlohn sei gering. "Die Beschäftigten fliegen so lange, bis der Arzt kommt, um ein hohes Monatsgehalt zu erreichen", betont sie.

Verdi werde in nächster Zeit mit Beschäftigten von Ryanair auf dem Flughafen Frankfurt-Hahn über die Arbeitsbedingungen sprechen. Der Flughafen im Hunsrück ist für die irische Fluggesellschaft der wichtigste in Deutschland.

Fehlende Mitarbeitervertretung

Hier zu Lande hat der Billiganbieter Air Berlin Gewerkschaftskritik auf sich gezogen, weil er keinen Betriebsrat hat.

In einem Brief an den Air-Berlin-Geschäftsführer Joachim Hunold fordert Tim Würfel, Vizepräsident der deutschen Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), die Schaffung einer Mitarbeitervertretung bei Air Berlin.

Würfel begründet dies mit dem Ergebnis einer Umfrage der Gewerkschaft, wonach ein Großteil der Piloten dies wünsche. Hunolds Antwort auf SZ-Anfrage lautet: "Schreiben von Organisationen, die uns in der Öffentlichkeit verleumden, und dessen Zweck offenbar nur darin besteht, hochkomfortable Arbeitsplätze bei der Lufthansa zu erhalten, beantworten und kommentieren wir nicht."

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