Ryanair-Chef:Vom Aufstieg eines Gnadenlosen

Ryanair CEO O'Leary poses after news conference in Machelen near Brussels

Ryanair-Chef O'Leary: "Ich wollte nicht bekannt sein, sondern viel Geld verdienen."

(Foto: REUTERS)
  • Es gibt wenige Firmenbosse, die so umstritten sind und so sehr polarisieren wie Ryanair-Chef Michael O'Leary.
  • Eine neue Biografie zeichnet den steilen Aufstieg des Managers nach, der vor allem ein Ziel hatte: möglichst schnell reich werden.

Von Jens Flottau

Gerade erst hatte Michael O'Leary, 57, einen seiner seltenen öffentlichen Auftritte. Er war nach Berlin gekommen, um neue Strecken anzukündigen, wurde aber auch zum Vorwurf gefragt, er schließe die Basis in Bremen wegen des Tarifkonflikts mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) - eine Kritik der streikenden Gewerkschafter "Öl ist bei 85 Dollar, ihr Idioten", antwortete der Ryanair-Chef.

Es gibt wohl wenige Unternehmenschefs, die in so delikater (Verhandlungs-) Lage so schmerzfrei antworten. Aber O'Leary schert sich um nichts. Wenn man verstehen will, wie der Mann, Ryanair-Chef seit 25 Jahren, tickt, lohnt sich die Lektüre der neuen Biografie des irischen Journalisten Matt Cooper. "Michael O'Leary - Turbulent for the Man Who Made Ryanair" beschreibt den Werdegang des umstrittenen und erfolgreichen Managers. Cooper zeichnet nach, worum es O'Leary von Anfang ging: Ums Geld. Er wollte möglichst schnell so reich wie möglich werden.

Als er Mitte der 80er-Jahre das Vermögen des Multi-Unternehmers und Ryanair-Gründers Tony Ryan verwaltete, ließ er sich fünf Prozent des Gewinns als Gehalt festschreiben. Später, noch als Finanzchef von Ryanair von 1988 an, kassierte er dem Biograf zufolge 25 Prozent des Gewinns, wenn dieser über zwei Millionen irische Pfund hinausging. Weil er Ryanair anfangs für einen Fehlschlag hielt, wollte er den Laden, inzwischen Europas größte Billigfluggesellschaft und eine der profitabelsten Airlines der Welt, 1988 sogar dichtmachen. "Ich dachte, es war ein dummes Geschäft und noch dazu sehr bekannt", wird O'Leary zitiert. "Ich wollte nicht bekannt sein, sondern viel Geld verdienen."

Sein burschikoses Auftreten verleitet dazu, zu glauben, er sei ein Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen. Doch sein Elternhaus war durchaus der Mittelschicht zugehörig, der Vater als Geschäftsmann nicht besonders erfolgreich. Immerhin reichte das Geld, ihn auf die renommierte Privatschule Clongowes zu schicken. Eine Investition, die sein Leben massiv beeinflussen sollte. Dort lernte er die Söhne Tony Ryans kennen und dann Ryan selbst. Allerdings: Den Grundstein zu seinem späteren Reichtum - allein O'Leary's Ryanair-Aktien sind knapp eine Milliarde Euro wert - legte er selbst, als Eigentümer eines Schreibwaren- und Tante-Emma-Ladens in Dublin.

Wie später bei Ryanair war er schlauer und schamloser als alle anderen. Eines Tages kurz vor Weihnachten kaufte er jede Menge Schokolade, Batterien und ähnlichen Krimskrams ein, weil er wusste, dass alle anderen Geschäfte am ersten Feiertag geschlossen hatten. Er verdreifachte die Preise und machte am Ende einen Tagesumsatz von 14 000 irischen Pfund - normal waren 1000. Sein Umgang mit Mitarbeitern war kaum anders als heute: Wenn er bei der Abrechnung eine an einer bestimmten Stelle platzierte Fünf-Pfund-Note nicht wiederfand, wurde der diensthabende Mitarbeiter gefeuert.

O'Leary verstand es meisterhaft, sich bei anderen Dinge abzuschauen und diese für Ryanair zu adaptieren. Sein Ansatz, die Kosten zu senken, war gnadenlos, obsessiv und erfolgreich. Die größte Krise Ryanairs begann im Herbst 2017, als die Airline wegen eines Planungsfehlers bei den Piloten mehrere Zehntausend Flüge streichen musste. Um Streiks an Weihnachten zu vermeiden, erkannte O'Leary nach Jahrzehnten Gewerkschaften als Verhandlungspartner an. In Deutschland liegt Ryanair seither im Clinch mit der Vereinigung Cockpit, der Gewinn sinkt auch wegen des teuren Kerosins. Für O'Leary der Albtraum. Doch dass er sich deswegen frustriert auf seinen ebenfalls äußerst erfolgreichen Reitstall zurückziehen wird, glaubt O'Leary-Biograf Cooper nicht: "Die Geschichte ist noch lange nicht vorbei."

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