Süddeutsche Zeitung

RWE:Tempo in Sachen Kohleausstieg

Die Unsicherheit ist groß, die Mitarbeiter sind beunruhigt. Die Gespräche mit dem Bund nähmen Fahrt auf, heißt es von RWE. Doch wann wird endgültig entschieden? Der Konzern verstromt bereits jetzt weniger Kohle.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Zehn Monate ist es her, dass die Kohlekommission vorschlug, wie Deutschland aus der klimaschädlichen Kohleverstromung aussteigen sollte. Doch noch immer haben sich Bund und Kraftwerksbetreiber wie RWE nicht über mögliche Entschädigungen geeinigt; es gibt noch kein Braunkohle-Ausstiegsgesetz. "Die Gespräche haben Fahrt aufgenommen", sagt zwar RWE-Finanzchef Markus Krebber. Doch er schweigt zu Zeitplan und Inhalten. "Wir gehen davon aus, dass die Kommissionsempfehlungen eins zu eins umgesetzt werden." Demnach sollen bis 2022 mehrere Braunkohlekraftwerke im Rheinland vom Netz gehen; alle weiteren Meiler Stück für Stück, spätestens 2038.

Die Stimmung in Braunkohletagebau und Kraftwerken sei nun "von extrem hoher Unsicherheit geprägt", so Krebber. "Die Mitarbeiter haben wenig Verständnis dafür, dass das so lange dauert."

Allerdings hat die Braunkohle mit etwa 10 000 Beschäftigten für den gesamten Konzern nicht mehr die Bedeutung vergangener Zeiten. So hat RWE in den ersten neun Monaten dieses Jahres fast ein Drittel weniger Braunkohle verstromt als im Vorjahreszeitraum. Dies liegt am vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Wald, teuren CO₂-Emissionsrechten und relativ günstigen Gaspreisen. Stattdessen haben die Essener in einem milliardenschweren Tausch Ökostromkraftwerke der Firmen Eon und Innogy übernommen. Nun will RWE bis zu 1,5 Milliarden Euro jährlich in neue Wind- und Solarparks investieren.

Staaten konkurrierten um derlei Mittel, sagt Krebber: "In diesem Wettbewerb ist Deutschland momentan nicht gut aufgestellt." Der Manager kritisiert etwa Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums, zwischen neuen Windrädern und Siedlungen einen Mindestabstand von 1000 Metern festzulegen. Stattdessen investiert RWE nun etwa in ein Fotovoltaikkraftwerk in den USA sowie in polnische Windparks.

Sprichwörtlichen Rückenwind liefert hierfür das konventionelle Kraftwerksgeschäft in Großbritannien: Die EU hat kürzlich den dortigen Kapazitätsmarkt wieder genehmigt. Darin erhalten Konzerne Prämien, wenn sie Kraftwerke für Zeiten mit wenig Ökostrom bereithalten. RWE rechnet nun mit einer Nachzahlung von 230 Millionen Euro für 2018 und 2019. Vor allem deshalb hebt der Konzern seine Prognose an - und erwartet für dieses Jahr Gewinne von bis zu 1,2 Milliarden Euro.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4681857
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.