RWE:Kohle für Kohle

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Das RWE-Braunkohlekraftwerk Neurath I und II in Grevenbroich-Neurath. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Der Ruf des Energiekonzerns RWE ist desaströs. Trotzdem steigt die Aktie kräftig. Wie kann das sein?

Von Victor Gojdka, München

Es war vor zwei Wochen, als Klimaaktivisten auf unmissverständliche Art klar machten, was sie vom Energiekonzern RWE halten. Eigentlich wollte das Unternehmen nur ein bisschen Gerümpel und alte Autoreifen aus dem Hambacher Forst abtransportieren. Doch auf einmal, so sagt es die Polizei, durchschlugen Steine die Scheibe eines RWE-Transporters. Danach flog eine Bengalo-Fackel. Schließlich sei ein Mitarbeiter des Energiekonzerns sogar mit Fäkalien beworfen worden. Das zeigt bildlich: Viele fassen das Unternehmen nur noch mit der Kneifzange an.

An der Börse zeigt sich trotz Kohlestreits und Protesten im Hambacher Forst jedoch ein ganz anderes Bild, die Aktie des Energiekonzerns ist seit Ende Oktober um fast 40 Prozent gestiegen - und notiert derzeit bei 23,56 Euro. Obwohl RWE so stark im Feuer steht. Obwohl die Prognosen des Unternehmens für dieses Jahr "nicht gerade berauschend" sind, wie ein Analyst sagt. Viele Anleger fragen sich nun: Woher kommt die wundersame Energie im Kurs des Stromunternehmens?

Kenner haben dafür im Kern drei Erklärungen. Als erstes hoffen viele Anleger im Zuge des Kohleausstiegs auf üppige Entschädigungen für den Konzern. Die Kohlekommission empfiehlt Ausgleichszahlungen dafür, dass Konzerne Kohlemeiler früher vom Netz nehmen. Noch sind die Beträge jedoch nicht klar. Die Entschädigungen könnten sich allerdings an Beträgen orientieren, die vor einigen Jahren für Kraftwerke gezahlt wurden, die die Konzerne nur noch als Reserve bereit hielten. Damalsstrichen die Konzerne rund 600 Millionen Euro pro Gigawattstunde ein. RWE-Boss Rolf Martin Schmitz machte indes schon deutlich, dass ihm diese Summe nicht reichen würde: Er fordert 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro pro Gigawattstunde - also das Doppelte. "Darauf hoffen viele Anleger", sagt ein Unternehmensanalyst.

Außerdem hoffen die Investoren auf eine grundsätzliche Wende. Denn lange standen die drei Buchstaben des Konzerns für ein Geschäftsmodell ohne Zukunft, für überkommenen Strom aus Kohle und Atom. Doch das könnte sich ändern, wenn der Konzern seinen Deal mit dem Konkurrenten Eon durchzieht: RWE bekäme dann die erneuerbaren Energien von Eon und der eigenen Tochter Innogy. "Damit wäre RWE der drittgrößte Anbieter von erneuerbaren Energien in Europa", sagt Erkan Ayçiçek von der Landesbank Baden-Württemberg. Für Anleger wird es auf einmal wieder zukunftsträchtig - und attraktiv.

Zudem zahlt der Konzern für das abgelaufene Geschäftsjahr eine üppige Dividende von 70 Cent, für das laufende Geschäftsjahr sollen es sogar 80 Cent werden. Gerade in Zeiten von Mickerzinsen auf dem Sparbuch lockt das manchen. Diese Art von Kohle ist Anlegern nämlich sehr recht.

© SZ vom 16.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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