Energiewende:So will RWE bis 2040 klimaneutral werden

Luftbild vom Kraftwerk Duisburg Huckingen betrieben von RWE Power AG auf dem Gelände der Krupp Man

Bisher waren Gaskraftwerke, wie dieses, die Grundlage der RWE'schen Stromerzeugung

(Foto: Hans Blossey/imago images)

Getrieben vom Kohle- und Atomausstieg investiert der Konzern nun kräftig in Erneuerbare Energien. Doch wie grün wird es wirklich?

Von Benedikt Müller, Essen

RWE hat in den Rohbau der neuen Zentrale geladen: Kabel baumeln von der Decke, hinter dem Bauzaun werkeln Männer in Warnweste und Helm an der künftigen Kantine. Hier im Essener Norden hatte das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk 1898 erstmals Strom erzeugt. "Gesellschaft ändert sich, Unternehmen ändern sich", heißt es nun im Imagefilm von RWE. "Jetzt beginnt die Ära der Erneuerbaren", tönt Konzernchef Rolf Martin Schmitz.

Diese Worte klingen seltsam, wenn man bedenkt, dass die Energiewende schon vor Jahren begann, dass Ökostrom mittlerweile 44 Prozent der Versorgung in Deutschland ausmacht. Doch wird RWE erst jetzt zum nennenswerten Grünstromerzeuger: In einem milliardenschweren Tausch haben die Essener nun die erneuerbaren Energien des Konkurrenten Eon übernommen. In wenigen Monaten gehen auch die Ökostromanlagen der bisherigen Konzerntochter Innogy an RWE.

Doch wie grün wird Deutschlands größter Braunkohle-Verstromer wirklich? Und wo trägt RWE zur Energiewende bei?

Die Kraftwerke

Nach den Übernahmen wird RWE Ökostromkraftwerke mit einer Kapazität von gut neun Gigawatt betreiben. Damit steigt der Konzern zum drittgrößten Grünstromproduzenten Europas auf. Bei Windparks auf hoher See sehen sich die Essener künftig als zweitgrößter Betreiber weltweit.

Betrachtet man jedoch alle Kraftwerke von RWE, sind die Erneuerbaren - zumindest noch - in der Minderheit (siehe Grafik). Allerdings sind in den vergangenen Jahren einige Atom- und Kohlemeiler vom Netz gegangen; weitere sollen folgen. "2040 wird RWE klimaneutral sein", sagt Schmitz und behauptet gar: "Wir setzen uns so mit an die Spitze der Bewegung."

Hinter der Ankündigung steckt, dass Deutschland bis 2038 aus der klimaschädlichen Kohleverstromung aussteigen will. So hat es die sogenannte Kohlekommission beschlossen. Doch verhandeln Kraftwerksbetreiber wie RWE mit der Bundesregierung noch immer über Details und mögliche Entschädigungen. "Mich befremdet es auch etwas, dass es länger braucht, es umzusetzen, als es zu erfinden", sagt Schmitz. Sein Konzern treffe sich alle zwei Wochen mit Vertretern des Bundeswirtschaftsministeriums.

Komplett klimaneutral kann RWE freilich nur werden, wenn auch die Gaskraftwerke bis 2040 "grün" werden. Dazu müsste etwa Wasserstoff aus überschüssigem Ökostrom zu Flüssiggas verarbeitet und verstromt werden; der Konzern forscht an entsprechenden Pilotprojekten.

Bislang reagiere RWE nur auf politisch angeordnete Ausstiege, moniert Tina Löffelsend vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): "RWE muss jetzt beweisen, dass sie sich wirklich wandeln wollen." Einige besonders CO₂-intensive Braunkohlemeiler müssten bald vom Netz. "Solange das nicht passiert, ist RWE nicht glaubwürdig." Löffelsend kritisiert zudem, dass der Konzern versuche, möglichst viel öffentliches Geld für die Abschaltung von Kraftwerken auszuhandeln, die sich ohnehin kaum noch rentierten.

Die Gewinne

Tatsächlich produzieren die Braunkohlemeiler von RWE weniger Strom als im Vorjahreszeitraum, unter anderem wegen teurerer CO2-Emissionsrechte. Erneuerbare Energien hingegen profitieren in vielen Ländern von Fördermitteln, Abnahmeverträgen oder Steuervorteilen. Auch deshalb geht RWE davon aus, künftig 60 Prozent des Betriebsgewinns mit Ökostrom einzufahren. Zumindest beim Profit sollen die Erneuerbaren also in der Mehrheit sein.

Die Zukunftspläne

Mithilfe dieser Gewinne will der Konzern fortan 1,5 Milliarden Euro jährlich in zusätzliche Ökostromanlagen und Speicher investieren. So soll die Grünstromkapazität um zwei bis drei Gigawatt pro Jahr steigen. Derzeit sind etwa ein Windpark vor der englischen Ostküste sowie ein Solarkraftwerk in Australien im Bau. RWE habe die nötige Schlagkraft für derlei Großprojekte, so Finanzchef Markus Krebber.

Das sehen auch Konkurrenten ein: "So einen Offshore-Windpark kann ein Mittelständler nicht alleine finanzieren", sagte etwa Michael Class, Vorstandschef des Ökostromprojektentwicklers Juwi, vor Kurzem beim Deutschen Energiekongress in München. "Das sind Dinge, die kann eine RWE leisten."

Bei der Energiewende mache RWE freilich nicht an Landesgrenzen halt, betont Vorstandschef Schmitz. "Als internationales Unternehmen agieren wir global." So stehen die Grünstromanlagen der künftigen RWE zu 35 Prozent in den USA, zu 24 Prozent im Vereinigten Königreich und nur zu 20 Prozent in Deutschland. Die Rahmenbedingungen seien hierzulande schwierig, sagt Schmitz und verweist etwa auf den verzögerten Netzausbau. Mit dem Netz soll der viele Ökostrom vom Norden in den Süden transportiert werden.

Das Ansehen

Noch ist RWE mit dem Braunkohletagebau im Rheinland einer der größten CO₂-Emittenten Europas - mithin auch ein Feindbild von Bewegungen wie Fridays for Future. "RWE baggert näher und näher an den Hambacher Wald und an die Dörfer am Tagebau Garzweiler heran", sagt BUND-Fachfrau Löffelsend.

Zwar hat die Kohlekommission den Erhalt des alten Waldstücks bei Köln als "wünschenswert" bezeichnet; auch Schmitz schließt diesen nicht mehr aus. Doch pocht der Konzern im Gegenzug darauf, dass wie geplant fünf weitere Dörfer dem nahen Tagebau Garzweiler weichen sollen. "Die Umsiedlungen sind notwendig", so Schmitz, viele seien weit gediehen. Nichtsdestotrotz kündigt eine Anwohnergemeinschaft juristischen Widerstand an: In Zeiten von Kohleausstieg und Klimakrise dürften keine Dörfer mehr für die Kohle zerstört werden, kritisiert das Bündnis Menschenrecht vor Bergrecht.

Der Streit um den Hambacher Wald und die Dörfer bei Garzweiler hat RWE schon vor einem Jahr Boykottaufrufe eingebracht. Allerdings ist dies die Kehrseite jenes milliardenschweren Tauschs: Der Konzern hat das Vertriebsgeschäft seiner einstigen Tochter Innogy nun an Eon verkauft. Mit Privatkunden hat RWE also gar nichts mehr zu tun; der Konzern konzentriert sich darauf, Strom zu erzeugen und an große Abnehmer sowie über die Strombörse zu verkaufen. Bloß: Grüner soll er werden in den nächsten 20 Jahren.

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