RWE:Der Trick mit der Geschäftsordnung

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Der Atomkurs von RWE-Chef Jürgen Großmann findet im Aufsichtsrat nicht nur Zustimmung. Die Kontrolleure versuchen, ihn stärker an die Kandare zu nehmen.

H.-W. Bein

Mit einem Geschäftsordnungstrick hatten es die Aufsichtsräte schon einmal versucht. Als Jürgen Großmann im Streit um die Neuordnung bei RWE partout seinen eigenen Kopf durchsetzen und sich nicht dem üblichen Schema beugen wollte, drohten Gewerkschafter im Kontrollgremium des Energiekonzerns, die Macht des Chefs über eine Änderung der Geschäftsordnung zu beschneiden.

Jürgen Großmann war es als Retter der Stahlgruppe Georgsmarienhütte lange Zeit gewohnt, allein entscheiden. Auf die verwinkelten Strukturen des RWE-Konzerns nahm er bislang wenig Rücksicht. (Foto: Foto: ddp)

Im Frühjahr scheiterte dieser Versuch noch. Jetzt nehmen einige Aufsichtsräte einen neuen Anlauf. Der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Fischer werde einen Änderungsvorschlag in die Sitzung an diesem Donnerstag einbringen, verlautet aus dem Kontrollgremium. RWE-Sprecher lehnten eine Stellungnahme hierzu ab.

Für die nächste Sitzung sind die Karten anders verteilt als im Frühjahr. So hat Großmann mittlerweile eine Reihe von SPD-Vertretern der kommunalen Aktionäre mit seinen Atomplänen gegen sich aufgebracht. Und auch den Aufsichtsratsvorsitzenden Fischer darf der RWE-Chef nicht mehr zu seinen Freunden zählen.

Großmann soll versucht haben, hinter den Kulissen Ersatz für den angeschlagenen früheren WestLB-Chef Fischer zu finden. So spricht einiges dafür, dass der Aufsichtsrat diesmal die Geschäftsordnung ändert. Großmann und sein Vorstand könnten künftig nicht mehr allein über die Unternehmensplanung entscheiden und müssten die Zustimmung des Aufsichtsrats einholen.

Leidvolle Erfahrungen mit den kommunalen Aktionären

Wäre der RWE-Chef nicht Jürgen Großmann, fände der Vorgang in der Öffentlichkeit vermutlich wenig Aufmerksamkeit. Dass sich Aufsichtsräte die Zustimmung zur Firmenplanung und Milliardenprojekte vorbehalten und den Vorstand nicht allein entscheiden lassen, ist in der deutschen Unternehmenslandschaft nichts Besonderes.

Bei anderen Konzernen steht allerdings auch kein Mann wie der frühere Stahlindustrielle Großmann an der Spitze, der es als Retter und Eigentümer der Stahlgruppe Georgsmarienhütte lange Zeit gewohnt war, allein zu entscheiden.

Auch bei RWE blieb er mit einem kleinen Kreis enger Berater seinem Stil treu - ohne Rücksicht auf die verwinkelten Strukturen des Konzerns. Wie schwierig RWE zu führen ist, haben schon Großmanns Vorgänger erfahren. Auch sie haben leidvolle Erfahrungen mit den kommunalen Aktionären und deren unterschiedlichen Standortinteressen sowie zwei Gewerkschaften gemacht, die sich nicht grün sind.

Großmann steuert den RWE-Konzern auf einen verhaltenen Atomkurs. Da Kernkraftwerke nach den Vorgaben der Politik in Deutschland abgeschaltet werden müssen, will sich RWE an einigen Projekten im Ausland beteiligen.

Im Gespräch sind Anlagen in Bulgarien, Rumänien und auch in Großbritannien. Am weitesten gediehen sind Pläne für ein Kernkraftwerk am Standort Belene im Norden Bulgariens, wo RWE zusammen mit dem einheimischen Energieunternehmen NEK eine Projektentwicklungsgesellschaft gründen will. Großmann sieht Belene als "Meilenstein" zur sicheren und CO2-freien Stromerzeugung auf den Märkten in Mittel- und Osteuropa.

RWE ist mit seiner Stromerzeugung bisher stark auf Stein- und Braunkohle angewiesen. Wegen der hohen Kosten durch die starke CO2-Emission dieser Meiler forciert Großmann den Ausbau der Atomkraft.

Widerstand von Verdi-Chef Frank Bsirske

Das stößt auf den Widerstand speziell der SPD-Kommunen im Aufsichtsrat sowie von Verdi-Chef Frank Bsirske und anderen Vertretern der Gewerkschaft, die sich damit dem Protest von Kernkraftgegnern in Bulgarien anschließen.

Diese verweisen darauf, dass der Standort in einem Erdbebengebiet liegt. "Sicherheit hat bei RWE oberste Priorität", wiederholt Großmann gebetsmühlenartig. Im Übrigen pocht der RWE-Chef darauf, dass Sachinvestitionen in die Zuständigkeit des Vorstands fallen.

Genau hier sehen einige Aufsichtsräte aber offenbar einen Ansatz, Großmann zu stoppen. Das gilt nicht nur für das Projekt Belene, für das es bisher nur wenige Gegenstimmen im Aufsichtsrat gibt. Die Kontrolleure hoffen vielmehr, den RWE-Chef mit einer novellierten Geschäftsordnung zu einem neuen Führungsstil zu zwingen.

© SZ vom 09.12.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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