RWE bestimmt Nachfolger für Großmann:"Das ist ein katastrophal schlechter Neustart"

Intrigen und Rücktrittsdrohungen: Nach einem beispiellosen Machtkampf beim Energiekonzern RWE soll der Niederländer Peter Terium den umstrittenen Jürgen Großmann vorzeitig beerben. Doch der Kompromiss beschädigt zentrale Personen des Unternehmens.

Markus Balser

Es war ein Machtkampf, wie es ihn im Traditionskonzern RWE noch nicht gegeben hat. Die Aufsichtsräte des Milliardenkonzerns mit 70.000 Beschäftigten trafen sich am Montag in Essen zu ihrer entscheidenden Beratung über die künftige RWE-Spitze. Und es war klar: Es geht um viel für Deutschlands zweitgrößten Versorger.

RWE - Großmann

Der Rückzug von RWE-Manager Jürgen Großmann löste beim Konzern einen unglaublichen Machtkampf aus.

(Foto: dpa)

Aufsichtsratschef Manfred Schneider hatte bereits am Sonntag führenden Aufsichtsräten seinen Kandidaten für den Neuanfang präsentiert. Der Niederländer Peter Terium, 47, sollte Atommanager Jürgen Großmann nach Auslaufen seines Vertrages im Oktober 2012 beerben. So der Plan.

Schneider ahnte bereits, dass alles auf einen mit harten Bandagen geführten Machtkampf hinausläuft. Denn der größte RWE-Investor, einflussreiche Kommunen aus dem Westen Deutschlands, die 25 Prozent am Konzern halten, begehrten auf. Sie wollten ihren Mann, Rolf Martin Schmitz, in Position bringen. Die Fronten prallten dann am Montag aufeinander, sagte ein Teilnehmer. Es wurde telefoniert und intrigiert. Der Konzern stand davor, kopflos zu werden.

Denn mit Aufsichtsratschef Manfred Schneider, 72, und fünf weiteren Aufsichtsräten, darunter Allianz-Vorstand Paul Achleitner, Daimler-Chef Dieter Zetsche und Thyssen-Krupp-Aufsichtsrat Ekkehard Schulz, drohte ein großer Teil des Kontrollgremiums nach Informationen der Süddeutschen Zeitung geschlossen mit Rücktritt. Erst in letzter Minute einigte sich das völlig zerstrittene Gremium auf einen Kompromiss. Ein Führungstandem soll RWE aus der Krise steuern.

Neuer RWE-Chef wird im Juli 2012 der Niederländer Terium. Der für das operative Geschäft zuständige Vorstand Rolf Martin Schmitz steigt dann zum Vizechef auf, ein neu geschaffener Posten. Der seit 2007 amtierende Chef Jürgen Großmann wird den Konzern Ende Juni verlassen - deutlich früher als bislang geplant. Das teilte die Firma am Montag mit. Damit leitet der Konzern einen Generationswechsel ein und steht dennoch vor einer Zerreißprobe.

Die Folgen des Streits würden den Konzern noch über Monate beschäftigen, glaubt ein Aufsichtsrat. "Das ist ein katastrophal schlechter Neustart", sagte der Kontrolleur. Auch hochrangige RWE-Manager halten einen Neustart für kaum möglich, solange Jürgen Großmann das Unternehmen führt. Wie kein zweiter Energiemanager in Deutschland verkörpert der 59-Jährige die Atomära.

Und jetzt sparen, sparen, sparen

Nach Angaben aus Konzernkreisen wollte Großmann aber in jedem Fall bis zum kommenden Jahr weitermachen - auch wenn der Neue schon bereit stehe. Großmann könne sich vorstellen, noch in den einen oder anderen Aufsichtsrat einzuziehen, hieß es weiter. Dazu sei es wichtig, noch eine Weile bei RWE an Bord zu bleiben. "Ich halte das für falsch", sagte ein RWE-Manager. "Wir müssten jetzt dringend einen Schnitt machen und einen echten Neuanfang starten."

Der Aufsichtsrat versuchte nach seiner Sitzung, die Wogen zu glätten: "Mit Peter Terium haben wir aus einer Vielzahl guter Kandidaten einen hervorragenden Manager ausgewählt, der den RWE-Konzern seit vielen Jahren in verschiedenen Führungsfunktionen kennen gelernt hat und der vor allem die erforderliche internationale und operative Erfahrung mitbringt", sagte Aufsichtsratschef Schneider. Er werde den Wandel des Unternehmens "in einem sich stark verändernden Umfeld weiter vorantreiben".

Doch ob das Stühlerücken bei RWE mit der Entscheidung vom Montag schon zu Ende ist, gilt als offen. Auch Schneider sei nach dem Machtkampf beschädigt, verlautete aus dem Aufsichtsrat. Es sei offen, wie lange der ehemalige Chef des Chemiekonzerns Bayer noch am Ruder bleibe. Terium wird der zweite Niederländer an der RWE-Spitze. Harry Roels, der den Chefposten 2007 an den Unternehmer und Milliardär Jürgen Großmann übergab, soll sich seinerzeit schon für Terium ausgesprochen haben.

Derzeit ist der 47-Jährige Vorstandschef der niederländischen RWE-Tochter Essent in Hertogenbosch, deren Übernahme er selbst einfädelte. Gestartet hat er seine Karriere in den 80er Jahren als Steuerprüfer des niederländischen Finanzministeriums. Dann wechselte er über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in die Industrie. Terium wurde in Nederweert in der Provinz Limburg geboren, ist mit einer Brasilianerin verheiratet und hat zwei Kinder.

RWE kündigte am Montag auch an, seine Finanzschwäche radikaler bekämpfen zu wollen als bislang bekannt. Das bereits einschneidende Verkaufsprogramm werde RWE noch weiter ausbauen. Bislang hatte Großmann angepeilt, durch den Verkauf von Beteiligungen und Konzernteilen binnen drei Jahren bis zu acht Milliarden Euro einzunehmen.

Nun sollen Verkäufe im Gesamtvolumen von elf Milliarden Euro Geld in die klamme Konzernkasse spülen. So prüft der Konzern die Trennung von seiner Gasförder-Tochter RWE Dea. Als Interessent für Konzernteile hatte sich zuletzt das russische Rohstoffunternehmen Gazprom ins Spiel gebracht. RWE kündigte an, bereits am Dienstag Details mitzuteilen. Zudem will der Energieversorger mit einer Kapitalerhöhung und dem Verkauf eigener Aktien 2,5 Milliarden Euro einnehmen.

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