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RWE: Atomkraft:Der Trick mit der Grenze

In Deutschland hat die Atomenergie wohl kaum noch eine Zukunft. Darum sucht RWE das Heil im Ausland - und wird gleich nebenan fündig: In den Niederlanden investiert der Konzern jetzt in die Kernkraft.

Caspar Busse

Mit einer gewissen Sturheit gibt sich RWE-Chef Jürgen Großmann als unbedingter Freund der Atomkraft. "Wir betreiben Kernkraftwerke und dazu stehen wir", sagte er kürzlich den Aktionären auf der Hauptversammlung - und wurde dafür heftig kritisiert. In Deutschland hat die Atomkraft wohl kaum noch eine Zukunft, das dürfte inzwischen auch Großmann klar sein. Nun sucht RWE sein Heil im Ausland - und wird gleich nebenan fündig.

Der Essener Energiekonzern wird sich, so der Plan, am bisher einzigen Atomkraftwerk in den Niederlanden beteiligen. Brisant: RWE hat zudem die Chance, sich an einem möglichen milliardenschweren AKW-Neubau zu beteiligen. Wie ein RWE-Sprecher am Dienstag mitteilte, sei mit dem niederländischen Versorger Delta eine entsprechende Absichtserklärung unterschrieben worden. Danach wird RWE künftig mit 30 Prozent am AKW Borssele engagiert sein. Nach Schätzungen wird der Konzern dafür zwischen 500 und 600 Millionen Euro zahlen. Es wäre der erste Atommeiler im Ausland, an dem RWE beteiligt ist. In Deutschland betreibt RWE derzeit fünf Atomkraftwerke, darunter die im Zuge des Atom-Moratoriums von Bundeskanzlerin Angela Merkel stillgelegten Meiler Biblis A und B.

Ausstiegspläne würden konterkariert

Borssele liegt im Südwesten der Niederlande an der Nordsee, knapp 200 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Ob von dort dann künftig billiger RWE-Atomstrom nach Deutschland geleitet wird, wollte der Sprecher nicht sagen. Damit könnte RWE aber die Ausstiegspläne der deutschen Bundesregierung konterkarieren.

Die Niederlande wollen an dem Standort trotz des Reaktorunglücks von Fukushima möglicherweise einen zweiten Atommeiler errichten. Noch läuft im Nachbarland darüber die öffentliche Diskussion. An dem Konsortium zum Bau der Anlage könnte sich RWE mit 20 Prozent beteiligen. Mit dabei ist möglicherweise auch der französische Energiekonzern EdF. "Es gibt keinen Beschluss, sich an einem neuen Kernkraftwerk zu beteiligen", betonte allerdings der RWE-Sprecher.

Der Einigung im Nachbarland war ein zweijähriger Rechtsstreit vorausgegangen. RWE hatte 2009 den niederländischen Versorger Essent gekauft. Dieser war unter anderem mit 50 Prozent am AKW Borssele beteiligt. Die deutsce Beteiligung an dem AKW war aber auf den Widerstand des Versorgers Delta und der Niederlande gestoßen. Nach langem Tauziehen konnte sich RWE nun mit Delta einigen. Atomkraft-Fan Großmann wird sich darüber freuen.

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SZ vom 18.05.2011/hgn
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