Auch in eiskaltem Terrain kann man gute Geschäfte machen - bis vor Kurzem galt Russlands Ölkonzern Rosneft dafür als gutes Beispiel. In der Arktis, der großen Hoffnung der Rohstoffnation Russland, wollte das Unternehmen mit der US-Firma Exxon Mobil große Vorkommen ausbeuten. "Universitetskaja-1" wurde das Bohrloch im Sommer getauft, mit dem die Ölexploration in der Karasee in Gang kommen sollte - die bislang nördlichste in russischen Arktisgewässern. Einst galten Öl und Gas hier als unerreichbar. Doch weil die Erdkruste an anderen Stellen des Planeten bald leer gepumpt sein wird, weil die Preise für Öl stetig stiegen, verschob Russlands Industrie die Grenze immer weiter in den Norden. "Universitetskaja-1" ist nur das erste von rund 40 Offshore-Bohrlöchern, die Rosneft mit Partnern bis 2018 in der Arktis geplant hat. Der Konzern hoffte auf ein Ölvorkommen von 13 Milliarden Tonnen.
Nur ein halbes Jahr später liegen viele Pläne auf Eis. Die Sanktionen des Westens, vor allem aber der Absturz des Ölpreises haben die ohnehin ins Stocken geratene russische Wirtschaft hart getroffen. Kostete ein Fass des schwarzen Schmierstoffs im Sommer noch mehr als 110 Dollar, sind es heute um die 50. Die Folge: Bohrungen in der Arktis rentieren sich nicht mehr. Konzerne wie Exxon Mobil hätten mehrere Geschäfte mit russischen Partnern abgeblasen, sagt Anna Belova, Analystin der Beratungsfirma Global Data in London.
Ein ganzes Land hängt am Tropf. Russland ist einer der großen Leidtragenden des Ölpreisverfalls. Die russische Zentralbank fürchtet eine schwere Rezession. Sie erwartet, dass die Wirtschaft 2015 um bis zu 4,5 Prozent schrumpft, wenn der Ölpreis bei höchstens 60 Dollar je Fass verharrt. Die Staatsfinanzen gerieten aus dem Lot, denn Russlands Energiewirtschaft trägt die Hälfte zu Russlands Staatseinnahmen bei. Für einen ausgeglichenen Haushalt wären 105 Dollar je Fass nötig. Jeder Dollar weniger pro Fass bedeute eine Lücke von zwei Milliarden Dollar, gestand einst Maxim Oreschkin, der Chef für strategische Planung im Finanzministerium.
Öl aus dem Eis. Ein Fördergebiet in Sibirien nahe der Stadt Kogalym.
(Foto: Olesya Astakhova/Reuters)"Gewaltige Bankenkrise"
Vor allem der Konzern Rosneft wird zum Symbol der Krise. Der größte Ölkonzern des Landes sah sich eigentlich vor einer großen Zukunft. Erst 2013 sammelte er bei internationalen Banken Kredite über 40 Milliarden Dollar ein, um Anteile an TNK-BP, einem Joint Venture mit British Petroleum, zu erwerben. Eine fällige Tranche von sieben Milliarden Dollar zwang den Konzern nun zur Ausgabe milliardenschwerer Rubel-Anleihen, die dem Vernehmen nach von den großen staatlichen Banken gekauft wurden. Die Zentralbank akzeptierte sie wiederum als Sicherheit für Kredite. Schon Mitte Februar muss Rosneft die nächste Rate von 7,3 Milliarden Dollar zahlen.
Angesichts waghalsiger Manöver auf den Finanzmärkten fürchten Experten ein Überspringen der Krise aus dem Ölsektor. Sergej Gurijew, angesehener Berater der Regierung, bis er 2013 ins Pariser Exil ging, spricht von "fragwürdigen Instrumenten" der Zentralbank. Der Rosneft-Deal habe das Risiko für die Banken vergrößert. Jeder weitere Ankauf überteuerter Anleihen bringe sie nur noch mehr in Schieflage. Der Staat muss bereits mehrere Kreditinstitute mit Milliardenbeträgen stützen, darunter die Gazprom-Bank und die zweitgrößte Bank des Landes, die VTB. Sollte der Ölpreis weiter auf so niedrigem Niveau bleiben, drohe Russland eine "gewaltige Bankenkrise", warnte in der vergangenen Woche German Gref, ehemaliger Wirtschaftsminister und Chef von Russlands größtem Geldhaus Sberbank.
Im Finanzsektor Russlands schwindet das Vertrauen. "Die Banken des Landes misstrauen sich. Die Kapitalflüsse zwischen den Instituten gehen zurück. Das hat Folgen für die finanzielle Stabilität", warnt auch Dennis Snower, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Trotz beträchtlicher Devisenreserven könne es mittelfristig gar zu einer neuen Finanzkrise in Russland kommen, wenn sich die ökonomischen Aussichten nicht besserten.