Nach der Invasion:Wie Finanzsanktionen Russland treffen sollen

Russland: Wechselstube in Moskau

Eine Frau läuft in Moskau an einer Wechselstube vorbei. Der Rubel steht unter Druck und ist im Vergleich zum Dollar und zum Euro eingebrochen.

(Foto: Dimitar Dilkoff/AFP)

Banken und Oligarchen sind im Visier des Westens - der Ausschluss aus dem Zahlungssystem Swift gilt als schärfste Maßnahme.

Von Thomas Fromm, Victor Gojdka, Alexander Hagelüken, Stephan Radomsky und Markus Zydra, Frankfurt

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine möchte die westliche Welt harte Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor beschließen. Dazu dürfte auch das Verbot zählen, künftig noch mit russischen Banken Geschäfte zu machen. Dadurch würden die russischen Kreditinstitute mit Dependancen in der ganzen Welt ihre Geschäftsgrundlage in den USA und der EU verlieren. Sogar ein Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift ist im Gespräch. Die Konsequenzen für Russland wären verheerend. Aber auch der Westen könnte ökonomischen Schaden davontragen. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Die USA und die EU möchten nun weitere russische Banken sanktionieren. Wie funktioniert das?

Der Westen hat bislang nur eine Handvoll russischer Banken auf die Sanktionsliste gesetzt. Diese Liste dürfte nun stark erweitert werden. Das Ziel ist klar: Russlands Bankensektor von allen Geschäften im westlichen Finanzsystem ausschließen: Die dortigen Institute sollen weder neue Kredite vergeben noch welche aufnehmen können oder mit Wertpapieren handeln sowie mit anderen - westlichen - Banken Deals machen. Damit verliert der russische Finanzsektor auch den Zugang zum US-Dollar. Das ist ein scharfes Schwert, denn der internationale Handel wird zum größten Teil immer noch in Dollar abgewickelt: ohne Dollar-Zugang keine internationalen Erträge. Für die Ratingagentur Fitch hätte dieser Schritt "die größte Auswirkung" auf die Kreditwürdigkeit der russischen Banken. Darüber hinaus sollen die Vermögen der russischen Institute, die im Westen eine Dependance haben, eingefroren werden. Russland kommt an das Kapital nicht mehr ran.

Kann der Westen gegen Oligarchen vorgehen?

Lisandra Flach vom Ifo-Institut hält Schritte gegen Personen und Organisationen für effektiver als Wirtschaftssanktionen: "Der Druck auf die Regierung ist größer, wenn man etwa Oligarchen, Unternehmen und andere Akteure trifft, die Verbindungen zum Kreml haben." Dabei bringe es viel, Vermögen reicher Russen im Ausland einzufrieren, weil das auch die politischen Kosten des Krieges für Wladimir Putin erhöhe.

Wie effektiv ist das Vorgehen gegen Banken?

Die Maßnahmen richten sich gegen bestimmte Banken und können dort ihre volle Wirkung entfalten. Gleichzeitig dürften die unmittelbaren negativen Folgen für den Rest der Finanzwelt überschaubar bleiben. Allerdings müssen die Behörden die Eigentümerstruktur der Institute streng überprüfen: Das US-Amt zur Kontrolle von Auslandsvermögen (OFAC) verhängte als Reaktion auf die Krim-Besetzung durch Russland zwischen 2014 bis 2019 Finanzsanktionen gegen 44 russische, staatlich kontrollierte Banken. Doch dann stellte die Behörde fest: Es gab russische Institute, die formal in Privatbesitz waren, aber dennoch unter der Knute Putins standen. Diese Banken wurden damals nicht von den Sanktionen erfasst, wie das Center for Economic Policy Research berichtet. Generell sei es effektiv, den Finanzsektor zu treffen, meint Ifo-Expertin Flach. "Das würde den russischen Unternehmen stark schaden und wäre deshalb wirksamer als andere Sanktionen."

Dann gibt es noch den Vorschlag, Russlands Finanzsektor komplett vom Zahlungssystem Swift abzuklemmen?

Stimmt, mancher spricht hier von der nuklearen Option, weil das globale Finanzsystem insgesamt Schaden nehmen könnte. Aber der Vorschlag hat seine Befürworter. "Der Westen sollte Russland von Swift und dem internationalen Finanzsystem ausschließen", fordert der Finanzökonom Moritz Schularick. Man habe im Fall des Iran gesehen, wie effektiv das sei. Das Land könne sein Öl nicht mehr verkaufen. "Ein Abkoppeln vom Swift-System würde Russland praktisch vollständig von weiten Teilen der Weltwirtschaft isolieren", sagt auch Stefan Kooths, Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft. "Das wäre wirtschaftlich das schärfste Schwert."

Was verbirgt sich hinter dem Zahlungssystem Swift?

Swift ist eine Abkürzung für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication. Die Genossenschaft im Besitz privater Großbanken mit Sitz in Brüssel stellt seit 1973 ein sicheres Kommunikationssystem für Überweisungen zur Verfügung. Beispiel: Kunde A möchte Geld an Kunde B im Ausland überweisen. Dann schickt die Bank des Kunden A eine standardisierte Swift-Nachricht an die Bank des Kunden B - darauf vermerkt: der Absender, der Betrag, die Kontonummer und der Swift-Code (BIC-Code) der Bank. Mithilfe dieser Informationen nimmt Bank B die Gutschrift vor. Mehr als 11 000 Banken, Börsen und Finanzdienstleister in 210 Ländern nutzen das Netzwerk, über das pro Tag rund fünf Billionen Dollar auf Bankkonten angewiesen werden.

Wenn Russland den Zugang zu Swift verliert, fließt dann gar kein Geld mehr nach Russland?

Zumindest nicht mehr in Sekundenschnelle, und nicht mehr so gut abgesichert. Natürlich könnten Institute ihre Faxgeräte entstauben oder schlicht Mails schreiben. Darüber hinaus hat Russland in den vergangenen Jahren sein eigenes Zahlungssystem SPFS aufgebaut, an das auch Banken in vielen Anrainerstaaten wie Kasachstan, Armenien oder Kirgisistan angeschlossen sind. So könnten Banken Zahlungen mit Swift beispielsweise nach Kasachstan schicken und von dort aus mit dem Moskauer Zahlungssystem nach Russland hinein - zumindest solange die beteiligten Banken selbst nicht sanktioniert sind. "Das wurde schon zu Sowjetzeiten so ähnlich gemacht", sagte Experte Sergej Hestanow vom russischen Broker Otkritie Investizii im russischen Wirtschaftssender RBK.

Warum zögert der Westen, Russland von Swift abzutrennen?

Ohne Swift gerate man "praktisch in eine Welt, in der man wieder mit Koffern voller Bargeld um die Welt fliegt", sagt ein Banker. "Wenn alle Zahlungsströme zum Erliegen kommen, gibt es auch keine Warenströme mehr." Darüber hinaus gibt es die Befürchtung, der Swift-Ausschluss könne Russland, aber auch China noch mehr darin bestärken, eigene Zahlungssysteme aufzubauen. Am Ende drohe die De-Dollarisierung der globalen Wirtschaft und damit ein weiterer Machtverlust des Westens.

Welche Konsequenzen hätte die Swift-Sanktion gegen Russland für deutsche Firmen?

Unternehmen wie den Kühlschrankhersteller BSH Hausgeräte oder auch VW - beide produzieren vor Ort in Russland - würde eine Trennung des Landes von Swift vor erhebliche Probleme stellen. Einfuhren, Ausfuhren, Komponenteneinkauf vor Ort - all dies wäre so nicht mehr möglich, der Zahlungsverkehr blockiert. Auch ein Großhändler wie Metro könnte ohne die Teilnahme am internationalen System und die entsprechenden Swift-Codes wohl kaum noch vor Ort arbeiten. Forderungen europäischer Firmen an russische Partnerunternehmen? Wären dann nur noch schwer einzufordern. Der Manager eines großen deutschen Unternehmens, der nicht namentlich zitiert werden will, bringt es auf den Punkt "Ich habe Russland für mich schon mal abgehakt", sagt er. "Im Extremfall kriegen wir kein Geld mehr raus und können unsere russische Gesellschaft und alles, was dazugehört, abschreiben."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: