Die russische Regierung hat eine drohende Staatspleite vorerst wohl verhindert. Russlands Finanzminister Anton Siluanow sagte am Donnerstag russischen Staatsmedien zufolge, man habe fällige Zinsen auf russische Staatsanleihen in Höhe von 117 Millionen Dollar angewiesen. Wegen der westlichen Sanktionen, mit denen Russlands im Ausland gehaltene Devisenreserven eingefroren wurden, war zunächst unklar, ob die Zahlung auch durchgehen würde. Das US-Finanzministerium in Washington erklärte daraufhin, die Transaktionen trotz der Sanktionen zuzulassen. Einige Besitzer von Anteilen der betroffenen russischen Dollar-Anleihen hätten die fälligen Zinszahlungen erhalten, berichtete daraufhin die Nachrichtenagentur Reuters.
Die Zahlungen galten als erster Test, ob die Regierung in Moskau ihren internationalen Schuldenverpflichtungen nachkommen kann. Sie wären bereits am Mittwoch fällig gewesen, mit einer Nachfrist von 30 Tagen. Der Kreml hatte zuvor erklärt, in Fremdwährungen fällige Zahlungen in als "unfreundlich" deklarierten Ländern im Zweifelsfall in Rubel leisten zu wollen. Als "unfreundlich" gelten nach einem neuen Gesetz jene Staaten des Westens, die sich an den Finanzsanktionen gegen Russland beteiligen, darunter die USA und die EU-Staaten. Falls die Dollar-Zahlungen nicht zugelassen würden, habe die Regierung keine andere Wahl, als ihre Schulden in Rubel zu begleichen, hieß es aus Moskau. Das wiederum hätte nach den Regeln der in Rede stehenden Anleihen einen sofortigen Zahlungsausfall bedeutet.
Mit einer Schuldenquote von nur etwa 20 Prozent der Wirtschaftsleistung vor dem Krieg gilt Russland als einer der am wenigsten verschuldeten Staaten der Welt. Wegen seiner Rohstoffexporte hat das Land einen hohen Leistungsbilanzüberschuss. Die im Ausland gehaltenen Staatsschulden betragen sogar nur vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts - was angesichts der Devisenreserven Russlands fast irrelevant wäre. Dennoch droht dem Land wegen der Sanktionen die Pleite: Die Maßnahmen des Westens machen es schwierig bis unmöglich, Dollar- oder Euro-Anleihen zu bedienen. Zwar hatte Russland nach der Krim-Invasion im Jahr 2014 auch Staatsanleihen begeben, die in Rubel beglichen werden dürfen, für die meisten Auslandsschulden gilt das allerdings nicht.
Moskau soll bis zum 25. Mai Zahlungen auf Dollar-Schulden an Amerikaner begleichen können
Ein Sprecher des US-Finanzministeriums sagte am Donnerstag, man werde die aktuellen Zahlungen durchgehen lassen. Während die US-Sanktionen eigentlich Geschäfte mit der russischen Zentralbank und den meisten russischen Geldinstituten verbieten, werde Moskau bis kurz nach Mitternacht am 25. Mai Zahlungen an Amerikaner auf Dollar-Schulden leisten können, zitierte die Nachrichtenagentur Bloomberg einen Sprecher des Finanzministeriums. Zahlstelle für die Zinsen ist die Londoner Niederlassung der US-Großbank Citigroup.
Die drei großen Ratingagenturen hatten russische Staatsanleihen zuvor bis auf knapp über Ramschniveau herabgestuft. Zuletzt hatte Standard & Poor's Russlands Kreditwürdigkeit um eine weitere Stufe abgesenkt. Einstweilen ist der - teilweise - Zahlungsausfall Russlands nun abgewendet. Offiziell wäre er erst, wenn zumindest einige Investoren nach der 30-tägigen Nachfrist Mitte April noch keine Zinszahlung erhalten haben. Es wäre das erste Mal seit der Russischen Revolution von 1917, dass das Land seine Verbindlichkeiten nicht erfüllen würde. Damals hatten die Bolschewiken Schulden aus der Zarenzeit nicht anerkannt.