Ukraine-Krieg:Russland allein im Netz

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Selfie vom Roten Platz? Wird schwierig: Instagram und Facebook sind in Russland gesperrt. (Foto: Alexander Zemlianichenko/AP)

Der Krieg führt auch im digitalen Raum zu völlig neuen Bruchlinien: Zensur und Vergeltung könnten dazu führen, dass Russland immer stärker vom weltweiten Netz abgeschottet wird.

Von Jannis Brühl

Olga Buzova schluchzt. Die russische Influencerin sitzt im weißen Bademantel vor der Kamera und klagt: "Ich weiß nicht, wie es weiter geht, vielleicht muss ich Instagram verlassen. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, zurückzukehren mit einem VPN, ich habe allerdings noch nicht verstanden, wie es funktioniert." Das Video ist vom Sonntag, als klar war: In wenigen Stunden verliert sie den Zugang zu Instagram, wie Millionen andere Russen. Die Telekommunikationsbehörde des Landes hat nach Facebook auch Instagram blockiert. Beide Netzwerke gehören dem US-Konzern Meta. Menschen in Russland können nur noch mit VPNs, also virtuellen Tunneln, an der Internet-Sperre vorbei auf Bikinibilder und Sangeseinlagen wie die von Buzova zugreifen. Der Schritt ist dem Kreml zufolge eine Reaktion auf die Entscheidung von Meta, Aufrufe aus der Ukraine, russische Soldaten im Land zu töten, nicht zu löschen - ein Bruch mit Metas alter Regel gegen Gewaltaufrufe. Am Montag drohte Russland auch Youtube mit einer Sperre.

Das russische Internet dieser Tage unterscheidet sich also von jenem vor dem Angriff auf die Ukraine. Eine Entwicklung, die in der kompletten Abkopplung des russischen Netzes vom globalen Netz enden könnte. Einem digitalen Silo, dass der Staat leicht zensieren und überwachen könnte - so zumindest der Plan.

Alp Toker betreibt in London den Dienst Netblocks.org, der Internetsperren erfasst. Er sagt: "Ein Medienkrieg spielt sich im Internet ab. Jede Seite verhängt ihre eigenen Beschränkungen." So hat nicht nur die EU die Propaganda-Sender Sputnik und RT verboten. Ein weiterer Schauplatz ist die Icann, jene Organisation, die sich um jenen Teil der Internet-Architektur kümmert, in dem Webseiten mit bestimmten Adressen verbunden werden. Der ukrainische Icann-Vertreter hatte von der Organisation gefordert, russische Webseiten generell zu blockieren. Die verwahrte sich gegen solche Instrumentalisierung in einem Brief an Digitalminister Mikhail Fedorow: "Die Icann wurde gebaut, damit das Internet funktioniert, nicht, um benutzt zu werden, damit es aufhört zu funktionieren." Man bleibe neutral.

Die Frage ist allerdings, ob Russland sich selbst abkoppelt. Der Plan, das russische Internet autark und abgeschottet zu betreiben, ist ausgearbeitet und per Gesetz vorbereitet. 2019 war diese Isolation des "RUnet", also eines russischen Insel-Internets, getestet worden - laut Russland "erfolgreich". Zweifel bleiben allerdings, ob sich das Netz in der Praxis wirklich ohne größere Störungen isoliert betreiben und so leicht zensieren lässt, wie sich mancher im Kreml das offenbar vorstellt.

Nikita Istomin, Jurist bei der russischen NGO Roskomsvoboda, die sich für ein freies Internet einsetzt, sagt: Der Staat habe die Kontrolle über die technische Infrastruktur in den vergangenen Jahren verschärft und dem Land eine Idee eingehämmert: Eines Tages werde es eine Situation geben, in der Russland aus dem internationalen Internet ausgeschlossen werden werde. Die politischen Eliten wollten im Krisenfall ein Netz, in dem sich Informationen kontrollieren lassen.

Vergangene Woche wurde eine behördliche Empfehlung öffentlich, staatliche Webseiten mögen auf russische Infrastruktur wechseln und beim Bau ihrer Seiten Programmschnipsel vermeiden, die auf Server im Ausland zugreifen. Sofort machte das Gerücht die Runde, Russland wolle sich noch in derselben Woche aus dem globalen Netz verabschieden. Doch Russland ist immer noch online. Faktisch dürfte der Trippelschritt zur digitalen Autarkie in erster Linie eine Schutzmaßnahme gegen Hackerangriffe aus dem Ausland sein. Schließlich hat die Ukraine weltweit Cyberkämpfer mobilisiert. Erst am Sonntag meldete der Spiegel, dass Menschen, die sich dem Hackerkollektiv Anonymous zurechnen, dem deutschen Ableger des russischen Ölkonzerns Rosneft einen Haufen Daten gestohlen haben.

Dass Russland sich gegen Hacker schützen müsse, sei bei Einführung der Isolationspläne eine "lächerliche" Vorstellung gewesen, sagt Lukasz Olejnik, unabhängiger Cybersicherheitsberater und Fachmann für Infrastruktur. Aber der Krieg habe alles geändert. Die neuen Vorgaben seien "kein Abkoppeln vom Internet, aber ihre volle Umsetzung dürfte sich als hilfreich erweisen, sollte es einmal zur Abkoppelung kommen".

Die Kräfte, die an Russlands Verbindung zur Welt zerren, wirken in beide Richtungen. Zentrale Akteure des Netzes haben begonnen, einen Bogen um das Land zu machen. Die US-Unternehmen Lumen und Cogent sind sogenannte Backbone-Betreiber, sie kümmern sich um zentrale Leitungen des Internets, quasi um das Rückgrat. Nach Beginn der Invasion haben sie sich aus Russland zurückgezogen - um zu verhindern, dass Cyberangriffe über ihre Infrastruktur laufen. Bislang gibt es der Internetanalysefirma Thousand Eyes zufolge keine Anzeichen dafür, dass der Ausstieg der Unternehmen das Internet für russische Nutzer spürbar langsamer macht. Daten russischer Internetanbieter fließen weiter über das Ausland, unter anderem über Frankfurt.

Klaus Landefeld will, dass Russland online bleibt. Er vertritt mit dem Verband Eco die Internetwirtschaft in Deutschland, bei Eco sind auch russische Unternehmen Mitglieder. "Forderungen, von unserer Seite aus die Trennung zu forcieren, sind total dämlich", sagt er. "Wenn die Leute in Russland nicht mehr an internationale Infos kommen, dann werden sie sich auch nicht erheben." Auch er glaubt aber, dass Russland sich im Notfall abnabeln will: "Die wollen den Aus-Knopf."

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