Russland:"Hier wird eine Hand ausgestreckt"

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Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft will die Sanktionen lockern.

Von Guido Bohsem, Berlin

Wirtschaftsvertreter neigen nicht dazu, sich etwas zu wünschen. Sie "hoffen", sagt Wolfgang Büchele. Ganz in diesem Sinne hofft der Vorsitzende des Ostausschusses der Wirtschaft darauf, dass die Europäische Union möglichst bald ihre Sanktionen gegen Russland lockert. Die beteiligten Spieler verstünden, dass es ohne weiteren Beitrag keine Normalisierung des Verhältnisses geben werde. "Es gibt die Möglichkeit eines Einstiegs in den Ausstieg." Jedoch glaube er nicht, dass die Sanktionen schon im Sommer vollständig aufgehoben werden.

Im Verlauf des Ukraine-Konflikts und nach der russischen Annexion der Halbinsel Krim hat der Westen Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt, unter denen Russland deutlich leidet. Viel stärker aber schadet der niedrige Ölpreis der Wirtschaft. Denn das Land bezieht einen großen Teil seiner Exporteinnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas. Erschwerend kommt hinzu, dass der Rubel im Verhältnis zum Dollar und auch zum Euro abgewertet hat. 82 Prozent der deutschen Unternehmen in Russland erwarten auch 2016 eine eher schlechte Konjunktur.

"Alle Experten sind sich einig: Die Lage ist so kritisch wie seit 25 Jahren nicht mehr", sagte Büchele. Er habe auf der Münchener Sicherheitskonferenz positive Signale von Russlands Ministerpräsident Dmitrij Medwedew in Richtung Entspannung erhalten. "Hier wird eine Hand ausgestreckt. Russland will Teil der Lösung sein." In den Medien sei hingegen nur von Medwedews Worten über einen neuen Kalten Krieg die Rede gewesen.

Die in Russland engagierten deutschen Unternehmen und auch die hiesigen Handelspartner leiden unter den Sanktionen und der miserablen Wirtschaftslage. Im vergangenen Jahr kaufte Russland deutlich weniger deutsche Produkte als noch 2014 (minus 25,5 Prozent). "Gemessen am bisherigen Rekordjahr 2012 hat sich der deutsche Export damit in den vergangenen drei Jahren von 38 Milliarden auf 21 Milliarden Euro fast halbiert", sagte Büchele. Er rechne damit, dass die Ausfuhren auch im laufenden Jahr weiter zurückgehen um zehn Prozent auf eine Größenordnung von unter 20 Milliarden Euro.

Auch die deutschen Exporte in die Ukraine gingen 2015 deutlich zurück. Das Minus lag bei 18 Prozent auf drei Milliarden Euro. "Ein Ende der tiefen Krise in der Ukraine ist nicht in Sicht", sagte Büchele. Das Land ist weitgehend von der russischen Wirtschaft abhängig. Nach Bücheles Darstellung halten sich neben Russland auch andere nicht an die Vereinbarung des sogenannten Minsker Abkommens. Die Ukraine etwa habe darin geforderte Punkte wie zum Beispiel eine größere Unabhängigkeit der Ost-Ukraine nicht umgesetzt. Für den Abbau der Sanktionen ist allerdings eine Umsetzung von Minsk zwingend notwendig. Büchele schlug vor, den Trilog zwischen Russland, der Ukraine und der Europäischen Union wieder aufzunehmen.

Russlands Ministerpräsident Dmitrij Medwedew auf der Münchener Sicherheitskonferenz - Wirtschaftsvertreter sehen positive Signale in Richtung Entspannung. (Foto: Dmitry Astakhov/Sputnik/Reuters)
© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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