Russland:Ausländische Geldgeber ziehen Milliarden ab

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Moskau spürt die Folgen seiner harten Haltung im Kaukasus-Konflikt: Ausländische Investoren ziehen ihr Kapital ab - das bereitet den russischen Unternehmen Kummer.

Moskaus harte Haltung im Georgien-Konflikt hat wirtschaftliche Folgen für das Land: Ausländische Investoren ziehen ihr Geld aus Russland ab, berichtet die Financial Times (FT). Die Kapitalflucht sei die stärkste seit der Rubelkrise von 1998. Auch Russlands Staatsschulden und die Aktienmärkte hätten sich seit Beginn der Georgien-Krise negativ entwickelt, schreibt die Zeitung.

Russische Truppen verlassen Süd-Ossetien. (Foto: Foto: dpa)

Täglich fließen Milliarden ab

Ausländische Investoren hatten nach offiziellen Angaben nach wenigen Tagen des Georgien-Konflikts sieben Milliarden Dollar aus Russland abgezogen. Am 8. August seien sechs Milliarden und am 11. August eine weitere Milliarde abgeflossen, sagte Finanzminister Alexei Kudrin.

Georgien hatte am 8. August eine Militäroffensive zur Rückeroberung der abtrünnigen Region Südossetien begonnen, woraufhin Russland in die Region und andere Teile Georgiens einmarschiert war.

Präsident Dmitrij Medwedjew steht zunehmend unter Druck, da die russischen Unternehmer in Sorge über die Auswirkungen der globalen Finanzkrise auf Russland sind. Die Wirtschaft beschwert sich vor allem über die Knappheit bei langfristigen Krediten, die sich seit dem Georgien-Konflikt noch verschärft hat.

Wechselkurse leiden

Nach Angaben der russischen Zentralbank sanken die russischen Fremdwährungsreserven mit Beginn des Konfliktes um 16,4 Milliarden Dollar - der größte Sturz seit zehn Jahren, wie Ivan Tschakarow von der Bank Lehman Brothers der FT sagte.

Der Ausverkauf sei durch die "politische Situation" ausgelöst worden, gab Gennadi Melikian, der Vizepräsident der Zentralbank, zu. Ausländische Investoren zögen sich zwar aus den Aktienmärkten und Kapitalanlagen zurück, darunter leide vor allem der Wechselkurs. Doch die Kapitalflucht komme bereits wieder zum Erliegen, sagte Melikian.

Der Wert des Rubels blieb zwar während des Konflikts durch Interventionen der Zentralbank relativ stabil. Doch die Aktienmärkte verloren seit Ausbruch der Krise 6,5 Prozent an Wert und Unternehmen stehen bei dem Versuch, an Kapital zu kommen, zunehmend vor Problemen. Investoren verlangten deutlich höhere Gewinne, um die befürchteten höheren Risiken auszugleichen.

Russlands Unternehmen in der Kreditklemme

Das zeige, dass Russlands Wirtschaft nicht immun gegen Entwicklungen auf den globalen Märkten ist, schreibt die Zeitung weiter. Die zunehmende Unzufriedenheit der Unternehmer könne möglicherweise zu einem Kurswechsel im Kreml führen.

Russlands Finanzminister Alexej Kudrin sieht jedoch bereits ein Abklingen der Kapitalflucht. Die Verluste würden durch erneute Geldzuflüsse in kürzester Zeit ausgeglichen sein. Russlands Fremdwährungsreserven von 581 Milliarden Dollar sind die drittgrößten der Welt. "Ich sehe keinen Grund, warum wir unseren Kurs ändern sollten", sagte Kudrin.

Dennoch: Das nachlassende Vertrauen ausländischer Investoren dürfte den russischen Unternehmen zunehmend Schwierigkeiten bereiten. Denn der Großteil von ihnen wird von ausländischen Geldgebern mit Krediten versorgt.

Der Markt sei deshalb empfindlich bezüglich der Kapitalflucht, sagt Kingsmill Bond von der Investmentbank Troika Dialogue. Russlands Achillesferse sei der sehr geringe Anteil von langfristigen Finanzierungsmöglichkeiten im Inland.

Auf der nächsten Seite: Der Georgien-Konflikt drückte den russischen Aktienmarkt auf den tiefsten Stand seit fast zwei Jahren.

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Kudrin hatte außerdem während des Konflikts erklärt, dass die politischen Risiken, die den ausländischen Blick auf den russischen Markt beeinflusst hätten, 2008 wohl auch den Kapitalzufluss beeinträchtigen würden. Der Zustrom werde leicht unter den von der Zentralbank prognostizierten 30 bis 40 Milliarden Dollar liegen. 2007 strömte noch Kapital in Rekordhöhe von 82 Milliarden Dollar nach Russland.

Der russische Markt hatte schon vor dem Konflikt auf dem Kaukasus unter einem Kapitalabfluss zu leiden. Analysten zufolge sind dafür vor allem der Machtkampf bei der russisch-britischen Ölgesellschaft TNK-BP sowie die Attacken von Ministerpräsident Wladimir Putin gegen den größten einheimischen Kohlebergwerk-Betreiber Mechel verantwortlich. Die Auseinandersetzungen in Georgien drückte den russischen Aktienmarkt auf den tiefsten Stand seit fast zwei Jahren.

Die Weltbank will währenddessen Experten nach Georgien schicken, um die Folgen des bewaffneten Konflikts mit Russland für die Wirtschaft zu untersuchen. Das Team sollte bereits am Freitag nach Tiflis starten, wie der Weltbank-Vizepräsident für Europa und Zentralasien, Theodore Ahlers, am Donnerstag in Washington erklärte. Auf Einladung der georgischen Regierung sollten die Experten vor Ort Empfehlungen für Wachstum und gegen Armut ausarbeiten.

Die Weltbank werde ihre schon bislang laufende Unterstützung bei Wirtschaftsreformen und der Entwicklung in dem Kaukasus-Land fortsetzen, versprach Ahlers. Georgien habe eine gute wirtschaftliche Grundlage, hob er hervor. Nun sei das Land aber vor allem auf Investitionen aus dem Ausland angewiesen.

© sueddeutsche.de/AFP/Reuters/jkr/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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