Süddeutsche Zeitung

Russischer Energiekonzern führt Gespräche in München:So will Gazprom Deutschland erobern

Bei einem heimlichen Treffen in Bayern hat das russische Energieunternehmen zum ersten Mal erzählt, wie es sich mögliche Investitionen hierzulande vorstellt. Die Russen machten den Politikern, den Stadtwerken und Versorgern klar: Gazprom will die volle Kontrolle.

Markus Balser

Die Delegation war klein, die Teilnehmer handverlesen, das Thema brisant: In geheimer Mission traf sich Ende Februar in München eine hochkarätige Arbeitsgruppe aus Politik und Energieindustrie, die den deutschen Strommarkt umkrempeln könnte. "Runder Tisch mit Vertretern von Gazprom" nannte das bayerische Wirtschaftsministerium das Treffen am 27. Februar in München.

Mit am Tisch saßen Vertreter von Versorgern wie Eon und dem Regionalunternehmen Erdgas Schwaben sowie hochrangige Vertreter des Ministeriums. Wer teilnahm, wusste: Er musste schweigen. Denn es ging um viel. Erstmals machte Gazprom klar, wie es sich den Einstieg in den deutschen Strommarkt vorstellt.

Mit Staunen nahmen die Teilnehmer zur Kenntnis, was der Gast aus Moskau in bemerkenswerter Offenheit erklärte. Pavel Oderov, Leiter des internationalen Gazprom-Geschäfts, machte klar, der Konzern sei nicht etwa nur auf der Suche nach Partnern in Deutschland. Gazprom kündigte selbstbewusst an, dass man sich durchaus in der Lage sehe, "eigenständig auf dem deutschen Energiemarkt tätig zu werden". So geht es aus der Ergebnisnotiz des Treffens hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Sie gehört zu den Papieren, die der Autor Jürgen Roth für sein am kommenden Montag erscheinendes Buch Gazprom - das unheimliche Imperium ausgewertet hat.

Das Papier macht klar: Der russische Rohstoffkonzern arbeitet bereits daran, endgültig den Durchbruch auf dem deutschen Strommarkt zu schaffen und damit auch deutsche Konkurrenten wie RWE anzugreifen. Im Dezember hatte Gazprom-Chef Alexej Miller in München mit Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Verhandlungen über den Einstieg in Deutschland angekündigt. In diesem Frühjahr wolle der Rohstoffmonopolist mit süddeutschen Stadtwerken über gemeinsame Projekte reden, sagte Miller damals. Nun wird klar: Die Gespräche haben längst begonnen.

Gazprom habe großes Interesse am "investiven und operativen Engagement" der kompletten Gas- und Stromversorgung in Deutschland und zunächst vor allem in Bayern verdeutlicht, heißt es in dem Papier. Jedenfalls "soweit es dem Wachstum von Gazprom dienlich ist". Allerdings habe der Konzern sein Interesse erkennen lassen, mit der bayerischen Energiewirtschaft zusammenzuarbeiten, etwa durch die Beteiligung an Energieversorgungsunternehmen und durch gemeinsame Kraftwerksgesellschaften. "Gazprom hat großes Interesse, Gaskraftwerke in Bayern zu betreiben", heißt es.

Minderheitsbeteiligungen will Gazprom nicht

Besonders pikant: Unverhohlen macht der Konzern deutlich, dass er bei seinen Investitionen die Oberhand haben will. Minderheitenbeteiligungen unter der Kontrolle deutscher Partner strebt das Unternehmen offenbar nicht an. "Gazprom kann die Versorgungssicherheit von neuen Gaskraftwerken in Bayern nur garantieren, solange diese unter der Kontrolle der Gazprom sind", hält das Papier fest. Im Klartext: Bekommt Gazprom nicht die Mehrheit, könnte der Gasfluss in kritischen Situationen versiegen.

Das bayerische Wirtschaftsministerium bestätigte das Treffen. "Der Runde Tisch mit Vertretern von Gazprom sowie potentiellen bayerischen Partnern aus Energiewirtschaft, energieintensiver Industrie und von möglichen Standortgemeinden hat Ende Februar stattgefunden", sagte eine Sprecherin. "Der Austausch über Möglichkeiten einer Kooperation zur Errichtung neuer Erdgaskraftwerke im Freistaat Bayern war auch aus Sicht von Gazprom vielversprechend und ein wichtiger erster Schritt", heißt es weiter. "Kern des Runden Tischs war es, ob und inwieweit Beteiligungen und Kooperationen zwischen Gazprom und bayerischen Unternehmen zukünftig möglich sind, um Investitionen in neue Gaskraftwerke in Bayern zu fördern", so die Sprecherin.

In den nächsten Wochen und Monaten sollen sich nun Einzelgespräche zwischen Gazprom und möglichen bayerischen Partnern anschließen. Gazprom war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

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SZ vom 13.04.2012/mane
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