Russen drosseln Lieferungen:Der Kampf ums Öl

Russische Ölfirmen legen Wildwestmethoden an den Tag. Die Bundesregierung sollte das zum Anlass nehmen, ihre Energiepolitik zu überdenken. Dem Konzern Gazprom den Weg nach Deutschland zu versperren, ist der falsche Weg.

Karl-Heinz Büschemann

Immer diese Russen. Jetzt haben sie schon wieder eigenmächtig den Ölfluss nach Deutschland gedrosselt. Der Konzern Lukoil hat seine Lieferungen nach Deutschland einfach um ein Drittel reduziert, um wenige Tage später höhere Preise für den wertvollen Rohstoff zu fordern.

Schon Anfang des Jahres hatte die russische Regierung hierzulande Bürger und Politiker aufgeschreckt, weil sie den Ölstrom durch die wichtige Pipeline Druschba, die ein Fünftel des deutschen Bedarfs befriedigt, gleich drei Tage lang stilllegte. Und Anfang 2006 hatten die Russen überraschend weniger Gas in die EU geschickt als vereinbart.

Der mächtige Energielieferant im Osten entpuppt sich zunehmend als launischer Partner. Da kann es kaum verwundern, dass die EU-Kommission an Plänen schmiedet, die russischen Energieunternehmen, die alle vom Kreml kontrolliert werden oder wenigstens beste Beziehungen zum Präsidenten haben, als Aktionäre westeuropäischer Energieunternehmen zu verhindern. Der Energielieferant Russland wird im Westen zunehmend unheimlich.

Es sieht aus wie schlechtes Benehmen, wenn die Russen bei den Energielieferungen zu Wildwestmethoden übergehen. Doch der ganze Ärger ist nicht einfach mit der Mentalität eines ansonsten zuverlässigen Handelspartners zu erklären, der hin und wieder mit rustikalem Verhalten verblüfft.

Die Russen besitzen einen Rohstoff, den die Deutschen unbedingt brauchen. Auch deshalb führen die Russen den Industrieländern vor, dass sie mit der Lieferung von Öl und Gas ein gewisses politisches Wohlverhalten verknüpfen. Wenn plötzlich vertraglich versprochene Ölmengen ausbleiben, bedeutet das auch, dass der schon lange vorhergesagte globale Kampf um den knapper werdenden Rohstoff für Energie begonnen hat.

Der globalisierte Kapitalismus bewirkt, dass die Nachfrage nach Öl und Gas weltweit drastisch steigt. Länder wie China, Indien oder Brasilien haben einen kaum stillbaren Bedarf an Öl. Doch die fossilen Energieträger im Boden sind begrenzt.

Das Ende des Öls ist absehbar, die Fördermengen nehmen tendenziell ab, während die Nachfrage nach dem Rohstoff ungebremst steigt. Auch dafür steht Russland als Beispiel: Das energiereiche Land braucht seine großen Öl- und Gasmengen zunehmend für die eigene Versorgung. Russlands Öl- und Gasexporte werden mit Sicherheit in Zukunft abnehmen, auch wenn Putins Regierung das Gegenteil verspricht.

Angesichts dieses Szenarios, das bald kräftige Preissteigerungen für den Lebenssaft der Industrienationen erwarten lässt, sollten die Politiker die ersten Signale, die von der Druschba-Pipeline ausgehen, zum Anlass nehmen, ihre Energiepolitik zu überdenken - falls man in Deutschland und Europa überhaupt von einer Energiepolitik reden kann.

Wichtiger als der Kampf gegen zu kleine Renten

In Deutschland wird so getan, als sei das Gefeilsche um ein paar Prozentpunkte beim Einsparen des Klimagases Kohlendioxid schon nachhaltige Energiepolitik. Es wird auf Dauer nicht reichen, wenn die Kanzlerin Angela Merkel angesichts ausbleibender Lieferungen aus dem Osten den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu mehr Zuverlässigkeit ermahnt.

Energiepolitik ist bedeutender als der Kampf gegen zu kleine Renten oder die Arbeitslosigkeit. Ohne Energie geht nichts mehr in der Wirtschaft, und drastisch steigende Ölpreise gefährden das Wachstum. Doch weder in Berlin noch in Brüssel ist eine klare Strategie erkennbar, die unsere Abhängigkeit von fossilen Energiequellen verringern könnte.

Besonders fahrlässig ist, dass es nicht einmal in der EU, geschweige denn zwischen Europa und Amerika, eine gemeinsame Linie zum Abbau der Öl-Abhängigkeit gibt. Es wird so getan, als gebe es ausreichend Öl und auch genug Geld, um die hohen Preise in Zukunft locker zahlen zu können. "Es wird schon reichen'', beteuern Ölkonzerne und Lieferländer, um die Industriestaaten zu beruhigen, "keine Bange, es ist genug Öl da.'' Doch das täuscht.

Es gibt viele Methoden, sich auf die Öl-Knappheit einzustellen - schlechte und gute. Amerika ist seit dem Zweiten Weltkrieg militärisch am Persischen Golf vertreten, um seine Interessen zu sichern. Das aufstrebende China unterstützt mit klarem Blick auf die sudanesischen Ölquellen das Verbrecherregime in Khartum. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die steigenden Preise einfach murrend zu bezahlen, wenn man es sich denn leisten kann.

Die wirksamste Energiepolitik ist aber, die Abhängigkeit von Öl und Gas zu reduzieren. Dabei bleibt es gleichgültig, ob die Industrieländer den Verbrauch einschränken oder neue Energiequellen erschließen. Beides kostet Geld und Zeit. In der Zwischenzeit aber geht es darum, die Versorgung wenigstens einigermaßen zu sichern.

Auch dabei lassen sich Fehler machen. Ein Fehler wäre, die russischen Energiekonzerne, die nach Beteiligungen an Versorgungsunternehmen in Westeuropa drängen, mit politisch-administrativen Mitteln fernzuhalten. Es mag naheliegend sein, diese unheimlichen Mächte abwehren zu wollen.

Doch sicherer wird die Belieferung mit Öl und Gas nur, wenn die Russen durch ihre Beteiligungen selbst ein Interesse an der Versorgung in Deutschland haben.

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