Süddeutsche Zeitung

Rupert Stadler:Abfindung aufgeschoben

Lesezeit: 3 min

Der in Untersuchungshaft sitzende Rupert Stadler scheidet als Vorstandschef bei Audi aus. Wie viel Geld er vom Konzern noch ausgezahlt bekommt, hängt vom Ausgang der Ermittlungen ab.

Von Max Hägler und Klaus Ott, München

Wahrscheinlich wäre Rupert Stadler immer noch Vorstandschef von Audi, säße er nicht seit Mitte Juni in Untersuchungshaft. Die Familien Porsche und Piëch, die Hauptaktionäre von Volkswagen, der Konzernmutter von Audi, haben seit Beginn der Abgasaffäre vor drei Jahren eisern zu ihm gehalten. Trotz immer neuer, immer schmutzigerer Details über die Rolle von Audi in der Affäre. Erst als Stadler ins Gefängnis kam, war es vorläufig vorbei mit dem Vorstandsvorsitz. Stadler wurde beurlaubt.

Jetzt ist endgültig Schluss. Volkswagen - dort saß Stadler ebenfalls im Vorstand - und Audi haben sich von dem 55-Jährigen getrennt. Er scheide "mit sofortiger Wirkung" aus, gab VW am Dienstag bekannt. Zuvor hatten die Aufsichtsräte der beiden Unternehmen einer Vereinbarung mit Stadler zugestimmt, die ausdrücklich keinen "goldenen Handschlag" darstelle, wie es in Konzernkreisen heißt. Stadler bekommt demnach deutlich weniger als zehn Millionen Euro für die Vertragsauflösung, aber unter Vorbehalt. Das Geld erhält er nur, falls das Ermittlungsverfahren gut für ihn endet. VW erklärte, Stadler wolle sich auf seine Verteidigung konzentrieren. Die vertragliche Abwicklung seines Ausscheidens sei an "Verlauf und den Ausgang des Strafverfahrens geknüpft". Stadlers Anwalt war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Die Staatsanwaltschaft München II verdächtigt Stadler des Betrugs und wirft ihm zudem vor, er habe die Ermittlungen behindern wollen. Der bisherige Audi-Chef befindet sich in Augsburg-Gablingen in Untersuchungshaft, eine Autostunde entfernt von Ingolstadt, dem Sitz der VW-Tochter. Stadler bestreitet alle Vorwürfe. Bis das Verfahren gegen ihn rechtskräftig abgeschlossen ist, kann es noch lange dauern. So lange muss Stadler warten, bis fest steht, ob er eine Art Abfindung bekommt. Seine Vorstandsverträge bei Audi und Volkswagen wären noch mehrere Jahre gelaufen und hätten ihm wohl mehr als 20 Millionen Euro an Gehalt und Boni eingebracht. Audi wird seit Stadlers Verhaftung kommissarisch von Vertriebsvorstand Bram Schot geleitet, der als Übergangschef fungiert.

Als Wunschkandidat der Großaktionäre bei Volkswagen für den Spitzenposten in Ingolstadt gilt der BMW-Manager Markus Duesmann, dessen Wechsel zum VW-Konzern bevorsteht. BMW kann Duesmann aufgrund seines Vertrages aber noch bis zum Jahr 2020 blockieren. Audi und BMW sind direkte Konkurrenten bei den größeren und schnelleren Fahrzeugen der Oberklasse.

Stadler hatte mehr als elf Jahre an der Spitze von Audi gestanden. Der Betriebswirt war unter anderem Bürochef von VW-Patriarchen Ferdinand Piëch gewesen, bevor er 2003 Finanzvorstand von Audi und 2007 dann Vorstandschef wurde. Als Nachfolger von Martin Winterkorn, der den Chefposten bei VW in Wolfsburg übernahm. Während Stadlers Zeit an der Spitze von Audi verdoppelte die VW-Tochter Verkäufe, Umsatz und Betriebsgewinn und überholte Mercedes bei den Verkaufszahlen. Das stärkte seinen Rückhalt bei den Familien Porsche und Piëch. Stadler wurde zum Unternehmer des Jahres gekürt und als Nachfolger von Winterkorn gehandelt.

In der Abgasaffäre machte Stadler dann aber eine schlechte Figur. Die interne Aufarbeitung der Manipulationen ging nur schleppend voran. Die Staatsanwaltschaft München II beklagte sich bei Audi mehrmals über eine mangelnde Kooperation. Schließlich folgte Stadlers Verhaftung. Der Manager sagte anschließend erst aus und legte dann eine Haftbeschwerde ein, die das Landgericht München I zurück wies. Jetzt liegt der Fall beim Oberlandesgericht München. Dabei drücken ihm Branchenkollegen die Daumen. Daimler-Chef Dieter Zetsche sagt, er hoffe, dass der nächste Haftprüfungstermin gut ausgehe für Stadler: "Als Kollege, den man gut kennt, nimmt man natürlich Anteil."

Über die Trennung von Stadler war im VW-Aufsichtsrat länger gefeilscht worden. Die Vertreter des Betriebsrates, der IG Metall und des Landes Niedersachsen verwahrten sich gegen einen goldenen Handschlag. Aus dem Umfeld des Aufsichtsrates heißt es, ein Entgegenkommen für Stadler wäre den Beschäftigten und den Bürgern auf keinen Fall zu vermitteln gewesen. Mit den Familien Porsche und Piëch soll es darüber noch Diskussionen gegeben haben. Dabei sei aber klar geworden, dass für das Land Niedersachsen wie auch für Betriebsrat und Gewerkschaft eine sofort anstehende Millionenzahlung an Stadler nicht in Frage komme.

Der langjährige Audi-Chef hat aber offenbar rückwirkend für die vergangenen Jahre Anspruch auf bestimmte Boni, die teils erst noch berechnet werden müssen und daher bislang nicht ausgezahlt worden sind. Dies stehe ihm zu, heißt es aus Konzernkreisen. Stadler hatte bei VW und Audi zuletzt rund fünf Millionen Euro im Jahr an Gehalt und Boni bekommen; das meiste davon waren Boni. Darüber hinaus gibt es bei Stadler laut dem jüngsten Geschäftsbericht von Volkswagen Pensionszusagen in Höhe von 22 Millionen Euro, die aber erst viel später fällig werden würden. In Kreisen der Arbeitnehmervertreter heißt es, darauf habe Volkswagen "vollen Zugriff", falls es Anlass für Schadenersatzforderungen gegen Stadler geben sollte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4154212
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.10.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.