Rüstungsindustrie:Projekt Kant

Kampfpanzer Leopard

Das wichtigste Produkt von Krauss-Maffei-Wegmann: Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 während einer Bundeswehrübung in Niedersachsen.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Die Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann und Nexter verbünden sich - trotz großer Bedenken. Was darf künftig exportiert werden?

Von Leo Klimm, Paris

Für die Unternehmen ist der Zusammenschluss ein Gebot der reinen Vernunft. Trotzdem muss Immanuel Kant nicht als Pate für die deutsch-französische Panzerfusion herhalten. Dabei war diese nicht ganz geschmackssichere Namensgebung nicht auszuschließen: Die Verhandlungen zu dem Deal waren unter dem Kürzel "Kant" geführt worden. Es stand für: "Krauss-Maffei Wegmann And Nexter Together".

Das war nur ein Projektname, und der hat jetzt ausgedient. An diesem Mittwoch wird aus dem Projekt Wirklichkeit: Die Münchner Rüstungsfirma Krauss-Maffei Wegmann (KMW) gründet ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem französischen Konkurrenten Nexter. Die Allianz wird feierlich im Pariser Verteidigungsministerium begangen. Und der - provisorische - Name für das Joint-Venture lautet einfach nur Newco. Für: "New Company". Ihren Sitz wird die gemeinsame Holding auf neutralem Grund haben, in Amsterdam. Allerdings dürfte das kaum reichen, um die rüstungspolitischen Bedenken auszuräumen, die es besonders auf deutscher Seite gegen das Geschäft gibt.

Fast zehn Jahren liefen die Gespräche zwischen KMW und Nexter, um die etwa gleich großen Waffenhersteller zusammenzurücken. Hintergrund: Sowohl das Familienunternehmen KMW - bekannt für Leopard-Kampfpanzer - als auch der Staatskonzern Nexter, Hersteller des Radpanzers Leclerc, leiden unter sinkenden Verteidigungsbudgets in Europa. Zugleich ziehen Bundeswehr und französische Armee immer häufiger in gemeinsame Einsätze. Doch sie tun es mit uneinheitlicher Ausrüstung. Das führe, heißt es in Firmenkreisen, zu technischen Komplikationen und zu unnötigen Kosten.

KMW-Chef Frank Haun sieht das Bündnis daher als die Lösung für mehrere Probleme auf einmal. Es sollen Entwicklungskosten gespart und Doppelungen bei Einkauf und Vermarktung vermieden werden. Nexter-Chef Philippe Burtin betont, es sei im globalen Konkurrenzkampf mit US-Panzerriesen wie General Dynamics entscheidend für die Europäer, "eine kritische Größe zu erreichen". Also verbünden sich die früheren Rivalen jetzt nach dem Vorbild von Airbus. Anders als der europäische Flugzeughersteller wird der neue Panzerbauer mit einem Umsatz von knapp zwei Milliarden Euro und etwa 6000 Mitarbeitern im Weltmaßstab ein kleiner Akteur bleiben.

Obwohl die wirtschaftlichen Motive für die Allianz auf der Hand liegen, waren die Gespräche zäh. Es gab Gezerre um die Bewertung beider Firmen. Frankreich hatte zwischenzeitlich - wenn auch vergeblich - von der KMW-Eignerfamilie Bode eine Ausgleichszahlung von 500 Millionen Euro gefordert. Zudem soll Rheinmetall als weiterer deutscher Rüstungshersteller und Partner von KMW anfänglich versucht haben, das Geschäft zu torpedieren.

Das größte Hindernis auf dem Weg zur Fusion allerdings war eine deutsche Angst vor Kontrollverlust: Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel ist ein Anhänger strikter Exportkontrollen für Waffensysteme. Bei KMW weiß man, was das fürs Geschäft heißen kann. Das Unternehmen musste auf ein Milliardengeschäft über Leopard-Panzer mit Saudi-Arabien verzichten, weil es in der Regierung Bedenken gab. Kritiker fürchten jetzt, dass die Fusion mit Nexter in Wahrheit der Umgehung der strengen deutschen Ausfuhrregeln diene: Die neue Gemeinschaftsfirma dürfe nicht dazu beitragen, dass "über Umwege noch mehr deutsche Waffen in Länder gelangen, die die Menschenrechte mit Füßen treten", sagt die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger.

KMW-Chef Haun verwahrt sich gegen diesen Verdacht. "Unser Ziel war es nie, die deutschen Vorschriften zu unterlaufen, wir wollen nur zur Rationalisierung der Rüstungsproduktion beitragen", sagte er schon im Frühjahr. Gabriels Ministerium erklärt, für die Produkte der künftigen deutsch-französischen Kooperation - etwa für den geplanten Leopard 3 - gälten weiter die restriktiven deutschen Regeln.

Das Problem: Frankreichs Rüstungskonzerne hängen sehr stark vom Export ab

Allerdings ist fraglich, ob die französische Regierung das genauso sieht. Wie Berlin strebt auch Paris eine Harmonisierung der Regeln für Waffenexporte an. Dabei wird Frankreich allerdings kaum deutsche Maßstäbe anlegen wollen. Die arabischen Staaten etwa sind aus ihrer Sicht ein verheißungsvoller Markt, auch für Boden-Waffensysteme. Insgesamt sorgen Frankreichs mächtige Rüstungskonzerne allein für ein Drittel aller Exporte des Landes. "Deutsche und Franzosen werden einen gemeinsamen Nenner finden müssen", heißt es in Pariser Regierungskreisen. "Das neue Joint-Venture wird exportieren müssen, um von Dauer zu sein."

Klar ist, dass das Geschäft für Rüstungsfirmen in Frankreich leichter ist. Deutsche Kenner wie der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold fürchten daher, dass mit Newco die Abwanderung von deutscher Technologie und Arbeitsplätzen nach Frankreich eingeleitet wird. So, wie es bei Airbus gelaufen war: Dort wurden zulasten deutscher Standorte wichtige Konzernfunktionen im französischen Toulouse gebündelt.

Bevor das neue deutsch-französische Panzer-Joint-Venture starten kann, ist noch die Zustimmung der Kartellbehörden nötig. Außerdem muss ein Gesetz von Frankreichs Verfassungsrat gebilligt werden, das die Privatisierung des Staatskonzerns Nexter vorsieht. Das allerdings dürften Formalien sein - ganz im Gegensatz zu den Verhandlungen über die Exportstandards. Und im Gegensatz zur Frage, ob ein deutsches Familienunternehmen wie KMW mit einem noch immer vom französischen Staat geprägten Konzern zusammenpasst.

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