Rückversicherer:"Irma" kostet Milliarden

Die großen Rückversicherer wie Munich Re blicken gebannt auf den Hurrikan und Florida: Die Schäden könnten 100 Milliarden Dollar und mehr ausmachen.

Von Herbert Fromme, Monte Carlo

Wirbelsturm Irma soll die Versicherer je nach der Zugbahn zwischen 20 Milliarden und 65 Milliarden Dollar kosten, schätzen die US-Katastrophenexperten von der Spezialfirma Applied Insurance Research. Oder sind es doch bis zu 130 Milliarden Dollar, wie die Experten bei der Bank Barclays annehmen? Dabei geht es immer nur um die versicherten Schäden, die Kosten der nicht versicherten Verwüstungen sind in der Regel deutlich höher. "Es ist viel zu früh für eine genaue Zahl", sagt Denis Kessler, Chef des französischen Rückversicherers Scor. "Das dauert Wochen oder Monate."

Dennoch stehen die Folgen der Stürme im Mittelpunkt des weltweiten Rückversicherungstreffens in Monte Carlo. Hier versammeln sich alljährlich Anfang September Hunderte von Versicherern aus aller Welt mit den Chefs der Firmen, bei denen sie sich gegen Katastrophenschäden schützen. Das sind Rückversicherer wie Munich Re, Swiss Re, Hannover Rück, Partner Re oder Lloyd's.

Zehn Jahre lang erlebte die Branche kaum Hurrikanschäden, 2017 muss sie dagegen gleich mit zwei schweren Einschlägen klarkommen. Harvey brachte zwar nur geringe Sturmschäden, aber die Überflutungen kosten mehr als 80 Milliarden Dollar, versichert davon sind aber wohl nur 20 bis 30 Milliarden Dollar, sagen die aktuellen Schätzungen.

Jetzt kommt Irma, der stärkste Hurrikan, den die Meteorologen je gemessen haben. Der wird die Unternehmen einen höheren zweistelligen Milliardenbetrag kosten. "Dafür sind wir natürlich als Branche da", sagt Torsten Jeworrek, Vorstand bei der Munich Re. "Das ist eher der Normalzustand, die zehn Jahre vorher waren eher die Ausnahme." Er verweist auf die Naturkatastrophen in Indien, über die kaum berichtet werde. In beiden Regionen, den USA und Indien, herrsche eine "signifikante Unterversicherung", sagt Jeworrek. Staatliche und private Versicherer müssten Lösungen finden.

Auch wenn niemand die Höhe der Schäden kennt - im jährlichen Armdrücken zwischen Versicherern und Rückversicherern in Monte Carlo spielen sie schon eine große Rolle. Seit Jahren gibt es ein Überangebot im Markt, genauso lang fallen die Preise. "Natürlich ändern die Stürme sehr viel", sagt Scor-Chef Kessler. Das werde sich bestimmt bei den Preisen widerspiegeln.

Auch Jeworrek erwartet starke Veränderungen. "Auf jeden Fall werden die Preise für Rückversicherungen in den USA steigen." Und für die übrigen Regionen der Welt? "Ob das im Weltmarkt Veränderungen in Richtung höhere Preise ergibt, kann man noch nicht sagen." Eine entscheidende Frage ist Jeworrek zufolge: Was machen die Pensionsfonds und andere Anleger, die in den vergangenen Jahren über Katastrophenanleihen Milliardenbeträge in den Markt gepumpt haben? Bleiben sie dabei, wenn sie jetzt hohe Verluste erleiden? Zahlen sie klaglos aus, oder werden sie sich vor Gerichten mit ihren Kunden streiten? "Da werden viele ins Nachdenken kommen, die bislang von solchen Katastrophenanleihen begeistert waren", sagt auch Kessler von Scor. Auch das könne zu einer Änderung des Preistrends beitragen.

Doch die Experten der Ratingagentur A. M. Best, die sich auf Versicherer und Rückversicherer spezialisiert hat, sind skeptisch. "Das alles wird nicht ausreichen, um den Markt fundamental zu drehen", sagt Robert DeRose von A. M. Best. Selbst wenn viele Rückversicherer 2017 wegen der Stürme mit einem Jahresverlust enden würden, bliebe die Überkapazität. Deshalb steigen die Preise nicht, und die Gewinne der Rückversicherer sind langfristig unter Druck.

Wer recht hat, zeigt sich erst in drei bis vier Jahren. In jedem Fall aber ist 2017 ein Ausnahmejahr in Monte Carlo - nicht nur wegen der Stürme über der Karibik, auch wegen des äußerst schlechten Wetters an der Côte d'Azur.

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