Rücktritt von Telekom-Chef:Obermann will näher an den Maschinenraum

Obermann tritt als Telekom-Chef zurueck

René Obermann (links) gibt die Führung der Deutschen Telekom in einem Jahr an Timotheus Höttges ab.

(Foto: dapd)

René Obermann kündigt überraschend seinen Rückzug aus der Telekom-Führungsriege an. Er will wieder Zeit für Dinge haben, zu denen ein Konzernchef nicht kommt. Seine Bilanz fällt gemischt aus, Nachfolger Höttges übernimmt das Unternehmen in turbulenten Zeiten - und hat bereits große Pläne.

Von Varinia Bernau und Björn Finke

Es war einer dieser typischen Sätze, mit denen René Obermann bei Podiumsdiskussionen Punkte sammelt. Schlagfertig, mit einer Prise Selbstironie und einer tieferen Wahrheit: Der Vorsitzende der Deutschen Telekom hatte neben anderen Managern auf der Bühne Platz genommen. Man sprach darüber, wie man auch in Zeiten eines schärferen Wettbewerbs noch Kunden gewinnen könne. Vielleicht, so sagte Obermann, müssten die Mobilfunkanbieter noch einmal ganz grundsätzlich ihr Verständnis des Begriffs Kundenfreundlichkeit überdenken. "Bislang haben wir darunter nämlich verstanden, dass der Kunde zu uns freundlich sein muss."

Spätestens von 2014 an wird Obermann, 49, einen direkten Draht zu Kunden knüpfen können - wenn auch anderswo. Er wird die Führung des Dax-Konzerns zum Ende des nächsten Jahres abgeben, um sich wieder um Dinge zu kümmern, zu denen ein Vorstandvorsitzender kaum kommt. "Ich will wieder mehr Zeit für Kunden, Produktentwicklung und Technik haben", sagt er. "Näher ran an den Maschinenraum." Was genau er machen möchte, will er nicht verraten - nur so viel: "Es geht um etwas Kleineres." Obermann wird also nicht bei einem anderen Großkonzern anheuern. Er wolle mal sehen, was sich in den kommenden Monaten ergebe.

Die Ankündigung kommt überraschend. Nachfolger soll der derzeitige Finanzvorstand Timotheus Höttges werden. Es war Obermann selbst, der sich diesen Erben gewünscht hatte: "Er ist der Beste, den man finden konnte. Es gibt keinen Zweiten, der die Telekom so gut kennt." Am Donnerstag gab der Aufsichtsrat seine Zustimmung.

Obermann wuchs in einfachen Verhältnissen im Rheinland auf. In Münster studierte er Volkswirtschaftslehre, brach aber ab, ehe er das Vordiplom erreicht hatte, um sich um seine eigene Firma zu kümmern. Mit Telefonen, Anrufbeantwortern und Kopierern handelte er damals, Mitte der Achtzigerjahre.

Seit 15 Jahren ist Obermann bei der Deutschen Telekom. Zehn davon hat er im Vorstand verbracht, sechs an der Spitze. Dem Manager wird zugute gehalten, dass er den Konzern nach diversen Spitzel- und Datenschutzskandalen sowie erbittert geführten Kämpfen mit den Gewerkschaften seit seinem Amtsantritt wieder in ruhiges Fahrwasser geführt hat. Aber auch das mutige Bekenntnis, dass mehr Frauen an wichtiger Stelle im Unternehmen mitmischen müssen. Im März 2010 setzte sich die Telekom als erster Dax-Konzern das Ziel, bis 2015 jeden dritten Posten in ihren Führungsetagen mit einer Frau zu besetzen.

Obermann glaubt daran, dass sich so auch das Arbeitsklima ändere. Dass Meetings nicht mehr bis 23 Uhr angesetzt werden. Und dass man am Wochenende nicht binnen Sekunden eine Antwort auf E-Mails erwarte. "Vielleicht", so sagte Obermann einmal, "vielleicht sollten auch die Männer einfach mal diesen Quatsch lassen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Leute auch in zehn Jahren noch gern bei uns arbeiten. Sonst gehen uns die Talente aus." Demnächst hat auch Obermann wieder etwas mehr Freizeit. Zeit, die er zusammen mit der Fernsehmoderatorin Maybrit Illner verbringen kann, mit der er in zweiter Ehe verheiratet ist.

Gemischte Bilanz

Obermanns Bilanz fällt gemischt aus. Er selbst verwies am Donnerstag auf das gute Mobilfunknetz der Telekom, das tatsächlich als das beste in Deutschland gilt. Und er sagte: "Ich habe alles gegeben." Trotzdem sinken die Umsätze. Einerseits muss die Telekom Milliarden in die Hand nehmen, um die Netze auszubauen. Andererseits aber verdienen das Geld andere - vor allem die großen Internetkonzerne aus den USA.

Auch Obermann will aus dem ehemaligen Staatskonzern ein Unternehmen machen, das es mit einem der wendigen Start-ups aus dem Silicon Valley aufnehmen kann. Er will neue Geschäfte für die Telekom erschließen: das vernetzte Haus, das vernetzte Gesundheitswesen, Fernsehen und Internetportale. Diese Innovationen erklärte er zur Chefsache. Doch dabei geht es nur langsam voran. Er selbst nannte das einmal eine Kärrnerarbeit. Manche hätten sich von ihm mehr erhofft. Sein Nachfolger Höttges hingegen sieht Obermann da als Vorbild: "Ich wünsche mir seine Intuition beim Thema Innovationen - und seine Geschmeidigkeit."

Die beiden Männer verbindet auch eine persönliche Freundschaft. Sie gehen gemeinsam joggen, besuchen sich in den Ferien. Auch den Übergang wollen die beiden im nächsten Jahr zusammen vorbereiten.

Höttges soll auch interessante Angebote von anderen Konzernen erhalten haben. Als ewiger Zweiter hätte er diese womöglich irgendwann angenommen. Der Wechsel kommt in turbulenten Wochen. Gerade erst schockierte Obermann die krisengeplagten Aktionäre mit einer unerwartet heftigen Dividendenkürzung. "Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt. Alles ist im Fluss", sagte Obermann.

Sein Nachfolger hat nun bei der Telekom Großes vor: "Wir wollen den Umsatzrückgang stoppen, wir wollen von 2014 an wachsen. Dafür investieren wir massiv." Allein für vier Milliarden Euro will die Telekom ihr Mobilfunknetz in den USA modernisieren, weitere sechs Milliarden Euro sollen in den Breitband-Ausbau in Deutschland fließen. Zuletzt machte der Konzern mit seinen 236 000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von etwa 43,5 Milliarden Euro.

Seit 2000 ist Höttges bei der Deutschen Telekom. Bei deren deutscher Mobilfunktochter war er zunächst Finanzgeschäftsführer, später übernahm er den Vorsitz der Geschäftsführung. 2006 rückte er in den Konzernvorstand für das deutsche Festnetzgeschäft. Drei Jahre später folgte der Wechsel an die Spitze des Finanzressorts des Konzerns. Dabei war der 50-Jährige bereits in die wichtigen Projekte eng eingebunden, etwa, als die Telekom ihr britisches Mobilfunkgeschäft in ein Gemeinschaftsunternehmen mit France Telecom einbrachte.

"Dieses Unternehmen zukünftig führen zu dürfen, ist für mich Ehre und Verpflichtung zugleich", sagt Höttges. So spricht einer, der sich demütig gibt, aber auch ganz glücklich ist.

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