Rubel-Krise in Russland:Der gewollte Absturz

Rubel-Krise in Russland: Euro und Dollar treibt es im Vergleich zum Rubel nach oben - und die Währung Russlands nach unten.

Euro und Dollar treibt es im Vergleich zum Rubel nach oben - und die Währung Russlands nach unten.

(Foto: AFP)

Der Rubel fällt und fällt und fällt - und das ist gut so. Der Absturz der Währung zeigt, dass die Sanktionen des Westens gegen Russland wirken. Er ist aber auch Ausdruck einer epochalen Veränderung der Weltwirtschaft.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Der Rubel fällt und fällt und fällt - und das ist gut so. Ja, so kann man es sehen. Denn der Absturz der russischen Währung zeigt, dass die Sanktionen des Westens wirken. Nichts ist flüchtiger als das Kapital, und dieses verlässt das Land: Wer es sich leisten kann, der zieht es aus dem Rubel ab und tauscht es in eine andere Währung um. Unternehmen machen das, Banken, Oligarchen, Anleger. Das Kapital flieht nach New York, London, Liechtenstein oder Zypern. Das treibt den Euro, Dollar oder Schweizer Franken im Vergleich zum Rubel nach oben - und die Währung Russlands nach unten.

Die einst gewaltigen Devisenreserven der Notenbank in Moskau schwinden deshalb dahin; wenn es so weitergeht, werden die Moskauer Notenbanker ihre Währung bald nicht mehr verteidigen können. Auch astronomische Zinsen, wie sie nun verhängt wurden, helfen nichts - im Gegenteil: Sie bremsen vielleicht ein wenig die Kapitalflucht, noch mehr bremsen sie aber die Wirtschaft insgesamt.

Der Rubel fällt und fällt und fällt - und das ist schlecht so. Ja, auch so kann man es sehen. Denn der Absturz findet ja nicht in einem abgeschotteten Wirtschaftsraum statt, sondern es bricht hier eine der wichtigsten Schwellenländer-Währungen zusammen. So etwas hat die Welt schon einmal erlebt, im Sommer 1998, als die russische Notenbank am Ende die Waffen strecken und den Internationalen Währungsfonds zu Hilfe rufen musste. Der damalige Crash des Rubel verstärkte jene Krise in den Schwellenländern, die in Asien begonnen hatte - und danach immer mehr der sogenannten "Emerging Markets" erfasst hat.

Wiederholt sich diese Geschichte nun? Kracht erst der Rubel - und dann auch manch andere Währung?

Kräfte in der Weltwirtschaft verschieben sich

Zur Panik besteht vorerst kein Anlass. Denn auch wenn das Kapital schneller um den Globus fließt als jemals zuvor, so ist doch die Situation in Russland mit seiner einseitigen, vor allem auf den Export von Öl und Gas ausgerichteten Wirtschaft eine besondere.

Russland leidet ja nicht nur unter den westlichen Sanktionen, sondern auch unter einer epochalen Veränderung der Weltwirtschaft, einer Verschiebung an den Weltenergiemärkten, die Russlands Macht viel stärker untergräbt als die Ausdehnung der Nato gen Osten.

Denn ausgerechnet die USA, seit Jahrzehnten das energiehungrigste Land der Erde, sind binnen weniger Jahre zum weltweit größten Erdölproduzenten aufgestiegen und befreien sich damit aus einer historischen Abhängigkeit. Der Grund dafür ist der Schieferöl-Boom. Das ganze Machtstreben der USA war seit Jahrzehnten bestimmt davon, sich in Saudi-Arabien oder anderswo den Nachschub zu sichern.

Erdöl taugt als Waffe gegen Russland

Die USA sahen sich zudem mit Russland einer zweiten Supermacht gegenüber, die - anders als sie - Öl im Überfluss besaß. Nun schwindet diese Abhängigkeit vom fremden Erdöl, und das verschiebt die Kräfte in der Weltwirtschaft und der Geopolitik: Das Erdöl lässt sich - jedenfalls derzeit - nicht mehr als Waffe gegen den Westen einsetzen. Im Gegenteil taugt das Erdöl, solange es immer mehr an Wert verliert, momentan eher als Waffe gegen Russland.

Der Preis für ein Fass Rohöl ist, weil die Amerikaner und die Opec ungebremst weiter fördern, in den vergangenen Monaten beinahe genauso schnell abgestürzt wie der Kurs des Rubel. Für Russland bedeutet dies: Für jedes Barrel, das die staatlich kontrollierten Ölkonzerne ins Ausland verkaufen, fließen weniger Devisen ins Land. Früher füllten sich die Tresore der Notenbank und auch jene des Kreml wie von selbst - nun leeren sie sich allmählich.

Größere Gefahr aus China

Für viele andere Länder der Weltwirtschaft dagegen ist das, was Wladimir Putin und seiner Regierung so sehr zu schaffen macht, ein Segen: Der niedrige Ölpreis wirkt wie ein gewaltiges Konjunkturprogramm. Das gilt für Europa, aber auch für Schwellenländer wie Indien. In Deutschland sind die Forschungsinstitute, die erst vor wenigen Wochen ihre Wachstumsprognosen für 2015 nach unten revidiert haben, gerade dabei, diese wieder heraufzusetzen.

Zur Gefahr für die gesamte Weltwirtschaft könnte sich der Absturz in Russland nur dann auswachsen, wenn - aus welchem Grund auch immer - sich an den Finanzmärkten der Eindruck breitmacht, dass nicht nur dort, sondern auch in anderen bedeutenden Schwellenländern das Wachstum auf einem zu schmalen Grund gebaut ist. Eine viel größere Gefahr als von Russland könnte hierbei von China ausgehen: Wenn dort die Immobilienblase platzt (und damit die künstlich erhöhte Dynamik der chinesischen Wirtschaft offenbar wird), hätte das gewaltigere Auswirkungen als der vom Westen gewollte Absturz der russischen Wirtschaft.

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