RTL-Gruppe:Jetzt muss der Chef ran

Bertelsmann - Bilanz-Pk

Er ist künftig wieder häufiger in seiner Geburtsstadt Luxemburg: Thomas Rabe, der Chef von Bertelsmann, übernimmt auch die Führung bei RTL.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Unerwarteter Führungswechsel bei Europas größtem TV-Unternehmen: Bertelsmann-Boss Thomas Rabe übernimmt die Aufgabe nun zusätzlich.

Von Caspar Busse

Große Aufregung bei Europas größtem Fernsehunternehmen, der RTL-Gruppe: Überraschend hat Vorstandschef Bert Habets mit sofortiger Wirkung sein Amt niedergelegt. Den Posten wird nun Thomas Rabe übernehmen, und zwar zusätzlich zu seinem derzeitigen Job als Chef des Medienkonzerns Bertelsmann. Die Gütersloher halten rund 75 Prozent der Aktien an RTL. Rabe betonte, dass dies auch keine Übergangslösung sei, bis etwa ein neuer RTL-Boss gefunden ist. "Das ist eine Dauerlösung", sagte er.

Keine einfache und eine wohl sehr zeitintensive Aufgabe für Rabe: Die RTL-Gruppe mit einem Umsatz von 6,4 Milliarden Euro und 11 000 Mitarbeitern ist an 60 Fernsehsendern und 30 Radiostationen in Europa sowie an Produktionsgesellschaften weltweit beteiligt. In Deutschland sind dies zum Beispiel RTL, Super-RTL, n-tv, Nitro und Vox sowie eine Beteiligung an RTL 2. Die Hintergründe des sehr plötzlichen Führungswechsels sind nicht klar. Habets, der seit 20 Jahren für RTL arbeite, hatte die alleinige Führung erst im vergangenen Jahr übernommen. Vor drei Wochen noch präsentierte er die RTL-Zahlen. Einer Zusammenarbeit bei Streamingangeboten mit dem Konkurrenten Pro Sieben Sat 1 erteilte er damals eine Absage. Bertelsmann-Chef Rabe hatte dagegen zwei Wochen später öffentlich betont, man setze in diesen Zeiten ganz allgemein auf Partnerschaften im Medienbereich.

"In kritischen Zeiten muss man voll da sein", meinte ein Manager

Kam es zu einem Zerwürfnis? Rabe versuchte am Montag, die Lage zu beruhigen. "Es gab keine Differenzen über die Strategie", betonte er. RTL werde den beschlossenen Weg fortsetzen. Auch die Zahlen seien "gut und solide". Warum aber muss dann Habets gehen? Der Abgang wurde offenbar maßgeblich von Bertelsmann betrieben. Dem Niederländer wird unter anderem vorgeworfen, dass er nur sehr selten in der RTL-Zentrale in Luxemburg war, sondern meistens in Amsterdam, wo er mit seiner Familie lebt. Ursprünglich wollte er mal nach Luxemburg umziehen. Außerdem sei er führungs- und entscheidungsschwach gewesen. "In kritischen Zeiten muss man voll da sein", meinte ein hochrangiger Mitarbeiter.

Die Nervosität ist offenbar groß, so groß, dass nun Konzernchef Rabe, bislang Chef des RTL-Verwaltungsrats, selbst ran muss. RTL ist der mit Abstand größte Gewinnlieferant von Bertelsmann, zum Konzern gehören daneben unter anderem das Verlagshaus Gruner + Jahr, der weltweit größte Buchverlag Penguin Random House und die Musikfirma BMG. 2018 war bei RTL der Umsatz um etwa zwei Prozent gestiegen, der operative Gewinn ging aber leicht auf 1,4 Milliarden Euro zurück, die Marge ist gesunken. Die Werbeausgaben im frei empfangbaren Fernsehen sind unter Druck, die Einschaltquoten auch.

Insbesondere große Streaminganbieter wie Netflix, Amazon Prime und bald auch Apple und Disney bedrängen die Sender, insbesondere jüngere Zuschauer wenden sich vom klassischen TV ab. Das gilt auch für Deutschland. Hier baut Deutschland-Chef Bernd Reichart bereits kräftig um und setzt auf eine engere Zusammenarbeit mit anderen Gesellschaften des Bertelsmann-Konzerns. Ende vergangenen Jahres war Anke Schäferkordt, die bis 2017 auch die RTL-Gruppe in Luxemburg leitete und zuletzt nur noch für Deutschland zuständig war, überraschend schnell ausgeschieden. Rabe selbst hat keine Zweifel, dass er künftig die Doppelbelastung meistern kann. "Ich werde beide Unternehmen führen und meine Zeit zwischen Gütersloh und Luxemburg aufteilen", sagte er. Rabe ist in Luxemburg geboren und arbeitete von 2000 bis 2006 für RTL, bevor er zu Bertelsmann ging.

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