Rosenthal:"Zu Schleuderpreisen verramscht"

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Ärger bei der Belegschaft von Rosenthal: Während Insolvenzverwalter Böhm einen Investor sucht, wird das Porzellan als Werbeprämie verscherbelt.

Uwe Ritzer

Wer behauptet, Produkte von Rosenthal würden verramscht und dadurch der edle Charakter der Marke ramponiert, zieht sich schnell den Zorn von Ottmar C. Küsel zu. Als angeblichen Gegenbeweis verschickt der Vorstandschef des insolventen Porzellanherstellers dann gerne Mustervereinbarungen mit Händlern, die Ramschverkäufe verhindern sollen.

Scherben bringen Glück - oder doch nicht: Die Zukunft der Porzellanherstellers Rosenthal ist ungewiss. (Foto: Foto: dpa)

Doch zwischen dem geduldigen Papier und der bitteren vertriebspolitischen Wirklichkeit bei Rosenthal klaffen große Lücken. So kann, wer momentan bei einer Mineralölkette fleißig tankt, als Werbeprämie zwischen Wasserspritzpistolen, Mini-Modellautos, Billigwein, Schirmmützen und Rosenthal-Geschirr wählen. Ein Versandhaus verschleudert Rosenthal-Porzellan mit großzügigen Rabatten im Internet. Und selbst in den an sich hochwertig und fein angelegten Rosenthal-eigenen Shops locken in den Schaufenstern riesige rote "Sale"-Aufkleber zur Schnäppchenjagd.

Anhaltender Niedergang

Was die Firmenzentrale im oberfränkischen Selb als ganz normale Vertriebs- und Werbeaktionen verstanden wissen will, erregt auch den Zorn der Mitarbeiter. "Es ist nicht nachvollziehbar, wie unsere Marke hier zu Schleuderpreisen verramscht wird", sagt Rosenthal-Betriebsratsvorsitzende Marianne Wopperer. "Warum sollten Kunden noch regulären Preise zahlen, wenn man ihnen unser hochwertiges Porzellan nachwirft?"

Die Rabattaktionen scheinen immer mehr zum Symbol für den anhaltenden Niedergang der Traditionsmarke zu werden. Denn ein Monat nachdem Rosenthal Insolvenz angemeldet hat, deutet nichts auf die schnelle Rettung hin, die vor allem Küsel seit langem schon in Aussicht stellt. Bereits Wochen vor dem Insolvenzantrag hatte er erklärt, die Verhandlungen mit einem Übernehmer stünden unmittelbar vor dem Abschluss. Kurz nach der Pleite Anfang Januar sprach der vorläufige Insolvenzverwalter Volker Böhm ins selbe Horn von angeblich "unterschriftsreifen Verträgen." Dem Vernehmen nach handelt es sich bei dem potentiellen Übernehmer um die italienische Sambonet-Gruppe. Tatsächlich aber sind bei den "Gesprächen auf Hochtouren" - so der Insolvenzverwalter Böhm - seit Wochen keine Fortschritte zu erkennen.

Kurzfristiges Angebot möglich

Nun sind auch Böhms und Küsels Versuche gescheitert, die Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens zu vermeiden. Vermutlich werde dies unumgänglich sein und Rosenthal im März in eine Auffanggesellschaft übergeführt, erklärte Böhm am Wochenende. Denn nur so könne der Geschäftsbetrieb unbelastet von den etwa 70 Millionen Euro Schulden des Unternehmens fortgeführt werden. Es sei "gut möglich, dass kurzfristig von einem Investor ein konkretes Angebot vorgelegt wird", sagte Böhm zu Welt Online.

Folge dieses Vorgehens könnte die Zerschlagung oder der Ausverkauf von Rosenthal sein. Die Leidtragenden wären dann vor allem die Mitarbeiter. Denn im Zuge des eigentlichen Insolvenzverfahrens könnte sich ein Übernehmer weitaus leichter von Personal trennen als dies in der aktuellen Phase der vorläufigen Insolvenz möglich wäre. Dementsprechend groß ist der Unmut auf Seiten der Belegschaft. "Wir kommen uns von Küsel und Böhm gelinde gesagt veräppelt vor", sagte Betriebsratsvorsitzende Wopperer der Süddeutschen Zeitung. Dass sie und ihre Kollegen von der Auffanggesellschaft aus den Medien erfahren haben, "sagt eigentlich alles aus."

Seit Wochen kämen Vorstandschef Küsel und Insolvenzverwalter Böhm ihrer Informationspflicht gegenüber der Belegschaft nicht vernünftig nach. So seien sie jüngst einer wichtigen Wirtschaftsausschuss-Sitzung ferngeblieben und hätten schlecht informierte Vertreter geschickt. Der Betriebsrat hat inzwischen das Arbeitsgericht angerufen und die Einrichtung einer Einigungsstelle eingeklagt.

© SZ vom 09.02.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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