Süddeutsche Zeitung

Roland Berger:Vater und Sohn

Wurde die Vergangenheit falsch dargestellt? Historiker sollen die Familiengeschichte des Unternehmensberaters untersuchen.

Von Caspar Busse

Die Karriere von Roland Berger, 81, steht eigentlich für sich: Nach dem Studium der Volks- und Betriebswirtschaft gründete er 1967 eine Unternehmensberatung und expandierte schnell. Heute gehört die Firma, die noch immer seinen Namen trägt, zu den großen Beratungsfirmen, ist weltweit aktiv und arbeitet für viele bekannte Konzerne. Roland Berger selbst wurde in den Jahren zu einem der wichtigsten Berater, gab Politikern wie Edmund Stoiber oder Gerhard Schröder Ratschläge, profilierte sich als Ideengeber, sein Netzwerk gilt noch immer als sehr gut. Später hat er eine Stiftung gegründet, um Gutes zu tun.

Doch nun tauchen plötzlich sehr unangenehme Fragen auf: Hat Berger die Vergangenheit seines Vaters falsch dargestellt, hat er diese möglicherweise bewusst geschönt? Seinen Vater Georg hatte Berger immer als Nazi-Opfer und gläubigen Christen beschrieben, der sogar im Konzentrationslager Dachau inhaftiert gewesen sein soll. Doch nach Handelsblatt-Recherchen soll Georg Berger, der 1977 starb, Profiteur des Hitler-Regimes gewesen sein, 13 Jahre lang soll er der NSDAP angehört haben, auch als oberster Finanzchef der Hitlerjugend gedient haben, er sei 1937 von Adolf Hitler zum Ministerialrat ernannt worden und soll später als Generaldirektor das Unternehmen Ankerbrot in Wien geleitetet haben, das jüdischen Eigentümern weggenommen worden war.

"Wenn sich herausstellen sollte, dass ich falsche Dinge behauptet habe, bereue ich das aufrichtig - und werde es öffentlich richtigstellen", kündigte Berger dazu an. Er habe die beiden bekannten Historiker Michael Wolffsohn und Sönke Neitzel mit der Aufklärung beauftragt. "Wir werden jeden Stein umdrehen und da keinerlei Rücksicht nehmen", sagte Wolffsohn. Aber er fügte im Handelsblatt auch schon an: "Ich denke, darin sind wir uns einig: Vater Berger war kein Opfer." Es sei plausibel, dass hier jemand "im Nachhinein seinen Vater" verklärt habe.

Der Fall ist heikel, denn Roland Berger hat vor elf Jahren eine Stiftung gegründet, diese ist mit 50 Millionen Euro ausgestattet und fördert mittels Stipendien junge Menschen aus sozial benachteiligten Familien. Unter anderem wird ein Preis für Menschenwürde vergeben, die diesjährige Verleihung soll an diesem Montag im Jüdischen Museum in Berlin stattfinden. Als Festredner ist Wolfgang Schäuble, der Präsident des Deutschen Bundestages, vorgesehen. Die Stiftung hat Berger immer auch mit dem Andenken an seinen Vater begründet. "Das geht auf meinen Vater zurück, einen überzeugten Christen. Er ist 1933 in die Partei eingetreten, weil ihm Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht gesagt hat, er solle als erfolgreicher Unternehmer doch mitmachen, um das Land wieder aufzubauen. Nach der Reichskristallnacht 1938 ist er aus Protest wieder ausgetreten", sagte er noch im vergangenen Jahr der Süddeutschen Zeitung. Nun gibt es an diesen Fakten Zweifel. Die Preisvergabe werde trotzdem stattfinden, betonte eine Sprecherin der Stiftung am Freitag. Es handele sich nicht um einen Preis zu Ehren von Georg Berger, der Name tauche auch in der Satzung nicht auf.

Die Frage bleibt: Was hat Roland Berger, dessen Scharfzüngigkeit und Kritikvermögen weithin bekannt sind, dazu bewogen, in all den Jahren offenbar keine Nachforschungen in der eigenen Familie anzustellen? Der Vater durfte nach dem Krieg, wie Berger selbst berichtete, auch keine Führungsaufgabe mehr wahrnehmen. Der Sohn sah offenbar trotzdem keinen Anlass, genau hinzuschauen, heißt es aus dessen Umfeld.

Mit dem operativen Geschäft der Beratungsfirma hat Roland Berger nichts mehr zu tun. Er ist noch Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats und hält etwa drei Prozent der Anteile. 2003, mit 65, hatte er die Führung seiner Firma abgegeben, 2010 zog er sich auch als Vorsitzender des Aufsichtsrats zurück. Erst vor wenigen Monaten hatte überraschend die Führung der Firma gewechselt.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2019
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