Roland Berger: Abschied:"Ein Leben aus dem Koffer"

Nach mehr als 40 Jahren zieht sich Roland Berger aus der Führung seiner Unternehmensberatung zurück. Ein Gespräch über die schmerzfreie Trennung, Geld - und das schlechte Image von Beratern.

Marc Beise

Roland Berger, 72, studierte Betriebswirtschaft in München und betrieb nebenbei eine Wäscherei. Das war der Start in ein aktives Unternehmerleben. Er arbeitete zunächst (1962-1967) für eine Mailänder Strategieberatung und machte sich dann selbstständig. Als Ratgeber von Spitzenpolitikern wie Gerhard Schröder oder Edmund Stoiber hatte er einen gewissen Einfluss. Der Münchner ist an der Investmentgesellschaft Berger Lahnstein Middelhoff & Partners beteiligt.

Pressekonferenz zur Verleihung des 'Roland Berger Preises fuer Menschenwuerde'

Roland Berger zieht sich nach vier Jahrzehnten zurück - und hat noch viel vor.

(Foto: ddp)

SZ: Herr Berger, seit Freitag sind Sie raus aus allen Führungsgremien von Roland Berger. Tut's weh?

Roland Berger: Nein. Mein Baby ist erwachsen. Und ich habe ja noch viel vor.

SZ: Was denn?

Berger: Ich habe meine Stiftung, mit der ich Chancengerechtigkeit in der Bildung fördere. Jedes Jahr vergeben wir zudem den mit einer Million Euro dotierten Roland Berger Preis für Menschenwürde. Ich bin an zahlreichen Firmen beteiligt. Ich sitze weiter in spannenden nationalen und internationalen Aufsichtsräten wie Fiat oder Sony. Und, und, und...

SZ: Klingt anstrengend. Wie oft sitzen Sie denn noch im Flugzeug?

Berger: An vier von fünf Werktagen.

SZ: Warum sind Sie dann nicht Aufsichtsratschef von Roland Berger geblieben? Arbeit ist Arbeit.

Berger: Oh nein. Ich war unseren Partnern unter Vorstandschef Burkhard Schwenker ein ständiger Sparringspartner. Damit soll es gut sein. Meine Zeit an der Spitze von Roland Berger ist vorbei.

SZ: Warum gerade jetzt?

Berger: Das war ja ein geordneter Prozess über viele Etappen. Schon 1988, ich war gerade 50, hatte ich die Kapitalmehrheit an meiner Firma an die Deutsche Bank abgegeben...

SZ: ...sie allerdings später mühsam wieder zurückgekauft.

Berger: Ja, weil die Idee einer europäischen Investmentbank aus Deutscher Bank und Roland Berger Strategy Consultants stark an der Person des damaligen Vorstandschefs Alfred Herrhausen hing. Mit seiner Ermordung fehlte die Geschäftsgrundlage dafür. Mitte der 1990er habe ich meine Partner am Kapital beteiligt, eine mehrköpfige weltweite Geschäftsführung und einen Aufsichtsrat eingeführt, 2003 dann den Vorstandsvorsitz an Burkhard Schwenker übergeben.

SZ: Wir erinnern uns. Damals - Sie waren 65 - wurden Sie Aufsichtsratschef, führten bei der Pressekonferenz aber weiter das große Wort. Der arme Schwenker saß stumm daneben.

Berger: Er hat sich seinen Platz schnell erobert und einen exzellenten Job gemacht.

SZ: Zum Dank muss er nun weichen - und darf Sie im Aufsichtsrat ersetzen.

Berger: Das ist ja nun kaum die Höchststrafe. Burkhard Schwenker hat 25 Jahre lang an vorderster Front gearbeitet. Jetzt möchte er vor allem strategisch wirken, die großen Linien bestimmen. Dafür ist er genau der Richtige. Er ist tief in unserer Partnerschaft verankert.

SZ: Neuer Vorstandschef wird Martin Wittig. Was schätzen Sie an ihm?

Berger: Er ist wieder eine ganz andere Persönlichkeit, das bereichert unsere Organisation. Er ist blitzgescheit, ein Unternehmer und guter Kommunikator. Schwenker ist eher analytisch und intellektuell. Beide werden sich wunderbar ergänzen.

SZ: Das Beraterleben mit Kontakten zu fast allen wichtigen Leuten und zu Politikern von Rot bis Schwarz - das hat keiner so drauf wie Sie. Es fragt sich allerdings, ob es noch zeitgemäß ist. Ist der Berater-Typ Berger aus der Zeit gefallen?

Berger: Das glaube ich nicht. Unser Beruf beruht neben aller fachlich-sachlichen Arbeit darauf, Vertrauen zu schaffen, und das bleibt auch so. Aber klar, das Berufsbild hat sich geändert. Heute zählt weniger der persönliche Berater, die Arbeit ist vor allem sachlich definiert. Die Aufträge werden auch seltener vom Vorstandschef vergeben, mehr auf der Fachebene und von Stäben.

SZ: Berater haben ein schlechtes Image. Der Vorwurf lautet: Sie fassen Banalitäten zusammen und bekommen dafür viel Geld.

Berger: Das ist Unsinn. Den Beruf würde es sonst nicht schon seit 150 Jahren geben, als wachsende Branche mit Milliardenumsätzen. Die Existenzberechtigung der Beratung liegt darin, dass sie messbar Wert schafft durch ihr breites und tiefes Wissen über Branchen, Funktionen und Länder hinweg. Daher zieht sie auch Spitzentalente an. Dieses Wissen kann ein einzelnes Unternehmen nicht dauerhaft vorhalten, auch nicht die Talente...

SZ: ...die Sie sich teuer bezahlen lassen. Sind die Gehälter nicht zu hoch?

Berger: Wenn es überhaupt noch exorbitante Gehälter gibt, dann doch eher im Investmentbanking. Die Bezahlung hat sich zwischen Beratung und Unternehmen sehr angeglichen.

SZ: Als Partner ist man rasch Millionär.

Berger: Als Vorstand auch! Beide müssen dafür hart arbeiten. Ein Leben in Fliegern und aus dem Koffer; ich weiß, wovon ich rede. Übrigens geht es einem guten Berater nie vorrangig ums Geld. Wer in unserem Beruf die Besten haben will, kann das nicht über Geld steuern.

SZ: Sondern?

Berger: Vor allem über spannende und vielseitige Aufgaben und eine offene, inspirierende, werteorientierte Firmenkultur. Wir von Roland Berger sind darüber hinaus sehr unternehmerisch orientiert. Wir wollen anpacken, mitgestalten. Das honorieren die Klienten.

SZ: Klingt sehr routiniert. Und Sie wollen Sie tatsächlich aufhören?

Berger: Nun ja, ich bleibe ja noch Berater, Partner und Miteigentümer.

SZ: Wie viel Prozent an Roland Berger besitzt Roland Berger?

Berger: Etwas über drei Prozent.

SZ: Und wie viel Einfluss haben Sie?

Berger: Bei uns gilt: "One man, one vote." Also eine Stimme von 180.

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