Rohstoffpreise ziehen an:Der Weizen brennt

Folgen der globalisierten Landwirtschaft: Werden die Brötchen in Deutschland schon bald teurer, weil die Hitzewelle in Russland den Getreidepreis treibt?

Daniela Kuhr

Wenn von Börsenkursen die Rede ist, denken die meisten an die Frankfurter Wertpapierbörse und an Aktien. Helmut Born, Generalsekretär beim Deutschen Bauernverband, faszinieren momentan aber ganz andere Kurse: die an der Pariser Matif, der wichtigsten Weizen-Börse in Europa. "Da ist richtig Bewegung drin", schwärmt Born. Noch im vergangenen Jahr habe eine Tonne Weizen 100 Euro gekostet. "Jetzt liegen wir bei 170 bis 180 Euro." Kein anderer Rohstoff hat sich zuletzt so stark verteuert wie Weizen: Allein von Juni bis Juli stieg der Preis um 16 Prozent.

Verheerende Waldbrände in Russland wüten weiter

Flächenbrand in Russland - und schon reagiert der Weizenpreis.

(Foto: dpa)

"Anders als vor zweieinhalb Jahren sind diesmal nicht die Spekulanten schuld", sagt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei der Hilfsorganisation Oxfam. Die Ursachen lägen vielmehr im Osten. So hat die Hitzewelle in Russland nicht nur zur Folge, dass ganze Wälder abbrennen, sondern auch, dass das Getreide auf den Feldern verdorrt. Russland ist einer der größten Weizenexporteure der Welt. Vize-Landwirtschaftsminister Alexander Beljajew musste jetzt die Ernteprognose drastisch senken. Statt wie im vergangenen Jahr 97 Millionen Tonnen erwartet er für dieses Jahr nur noch gut 70 Millionen Tonnen. Gerüchte, Russland plane einen Exportstopp, dementierte er jedoch.

"Auch in der Ukraine, in Kasachstan und Kanada fällt die Ernte in diesem Jahr geringer aus", sagt Wiggerthale. Da sei es kein Wunder, dass der Preis steige. "Das Angebot ist einfach deutlich geringer als die Nachfrage." Eine Hungersnot, wie es sie Ende 2007, Anfang 2008 in einigen Regionen der Welt gab, befürchtet die Agrarfachfrau diesmal nicht. "In den vergangenen zwei Jahren war die Ernte gut", sagt sie. "Weltweit wurden die Getreidelager aufgefüllt, so dass einiges an Reserve da ist."

Sollte es im kommenden Jahr wieder Ernteausfälle geben, wäre die Situation sehr schnell wieder kritisch. "Ich fürchte, dass die Preise in Zukunft noch viel stärkeren Schwankungen ausgesetzt sind", sagt Wiggerthale. "Denn in Folge des Klimawandels wird es häufiger zu Überschwemmungen oder Dürrephasen kommen, die die Ernte vernichten."

15 Prozent weniger Weizen allein in Deutschland

Auch in Deutschland wird in diesem Jahr weniger Weizen geerntet als im vergangenen. Der Deutsche Bauernverband erwartet einen Rückgang um zehn bis 15 Prozent. Erst hatte die Hitze im Juli das Getreide schneller reifen lassen, jetzt aber verzögert der Regen die Ernte. Auch das dürfte zum weiteren Preisauftrieb beitragen. Immer mehr Bauern verfolgen daher sehr genau, wie sich die Kurse an der Weizenbörse Matif entwickeln. "Die Landwirte stehen vor der Wahl, ob sie ihre Ernte sofort abliefern oder ob sie das Getreide erst einlagern und auf noch höhere Preise warten", sagt Born.

Verbraucher müssen sich aber nicht sorgen. Zwar wird die Lebensmittelindustrie höhere Einkaufspreise an die Kunden weitergeben. "Wenn man aber das vergangene Jahr betrachtet, dann sind die Lebensmittelpreise für die Verbraucher in Deutschland um 1,6 Prozent gesunken", sagt Born. "Mit dieser Ernte wird das ein Ende haben, so dass sich Lebensmittelpreise künftig wieder im Einklang mit der allgemeinen Preisentwicklung bewegen." Wer jeden Morgen sein Brötchen kauft, kann ohnehin beruhigt sein. "Der Preis für ein Brötchen wird nur zu fünf Prozent vom Getreidepreis bestimmt", sagt Born.

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